Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zehntes Kapitel. §. 106. als Jesus, gedacht werden muss. Wohl aber scheint Je-sus auf natürlichem Wege zu jener Beziehung haben kom- men zu können, indem die Rabbinen die Stelle des Zacha- rias mit grosser Übereinstimmung auf den Messias deute- ten 20). Namentlich wissen wir, dass, weil die unschein- bare Ankunft, welche hier vom Messias vorhergesagt war, im Widerspruch zu stehen schien mit der glänzenden, wel- che Daniel vorherverkündigt hatte, diess dahin ausgegli- chen zu werden pflegte, dass, je nachdem sich das jüdi- sche Volk würdig beweisen würde oder nicht, sein Mes- sias in der herrlichen oder in der geringen Gestalt erschei- nen solle 21). War nun auch zur Zeit Jesu diese Unter- scheidung noch nicht ausgebildet, sondern nur erst über- haupt eine Beziehung der Stelle Zach. 9, 9. auf den Mes- sias: so konnte doch Jesus sich etwa die Vorstellung ma- chen, dass jezt, bei seiner ersten Parusie, die Weissagung des Zacharias, einst aber bei seiner zweiten die des Da- niel an ihm in Erfüllung gehen müsse. Doch wäre auch das Dritte möglich, dass entweder ein zufälliges Einreiten 20) In der Thl. 1. S. 73. Anm. citirten Cardinalstelle aus Mi- drasch Coheleth wird gleich Anfangs das Zacharianische pau- per et insidens asino auf den Goel postremus bezogen. Die- ser Esel des Messias wurde sofort mit dem des Abraham und Moses für identisch gehalten, s. Jalkut Rubeni f. 79, 3. 4, bei Schöttgen, 1. S. 169, vgl. Eisenmenger, entdecktes Ju- denthum, 2, S. 697 f. 21) Sanhedrin f. 98, 1 (bei Wetstein): Dixit R. Alexander:
R. Zehntes Kapitel. §. 106. als Jesus, gedacht werden muſs. Wohl aber scheint Je-sus auf natürlichem Wege zu jener Beziehung haben kom- men zu können, indem die Rabbinen die Stelle des Zacha- rias mit groſser Übereinstimmung auf den Messias deute- ten 20). Namentlich wissen wir, daſs, weil die unschein- bare Ankunft, welche hier vom Messias vorhergesagt war, im Widerspruch zu stehen schien mit der glänzenden, wel- che Daniel vorherverkündigt hatte, dieſs dahin ausgegli- chen zu werden pflegte, daſs, je nachdem sich das jüdi- sche Volk würdig beweisen würde oder nicht, sein Mes- sias in der herrlichen oder in der geringen Gestalt erschei- nen solle 21). War nun auch zur Zeit Jesu diese Unter- scheidung noch nicht ausgebildet, sondern nur erst über- haupt eine Beziehung der Stelle Zach. 9, 9. auf den Mes- sias: so konnte doch Jesus sich etwa die Vorstellung ma- chen, daſs jezt, bei seiner ersten Parusie, die Weissagung des Zacharias, einst aber bei seiner zweiten die des Da- niel an ihm in Erfüllung gehen müsse. Doch wäre auch das Dritte möglich, daſs entweder ein zufälliges Einreiten 20) In der Thl. 1. S. 73. Anm. citirten Cardinalstelle aus Mi- drasch Coheleth wird gleich Anfangs das Zacharianische pau- per et insidens asino auf den Goël postremus bezogen. Die- ser Esel des Messias wurde sofort mit dem des Abraham und Moses für identisch gehalten, s. Jalkut Rubeni f. 79, 3. 4, bei Schöttgen, 1. S. 169, vgl. Eisenmenger, entdecktes Ju- denthum, 2, S. 697 f. 21) Sanhedrin f. 98, 1 (bei Wetstein): Dixit R. Alexander:
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Zehntes Kapitel. §. 106.
als Jesus, gedacht werden muſs. Wohl aber scheint Je-
sus auf natürlichem Wege zu jener Beziehung haben kom-
men zu können, indem die Rabbinen die Stelle des Zacha-
rias mit groſser Übereinstimmung auf den Messias deute-
ten 20). Namentlich wissen wir, daſs, weil die unschein-
bare Ankunft, welche hier vom Messias vorhergesagt war,
im Widerspruch zu stehen schien mit der glänzenden, wel-
che Daniel vorherverkündigt hatte, dieſs dahin ausgegli-
chen zu werden pflegte, daſs, je nachdem sich das jüdi-
sche Volk würdig beweisen würde oder nicht, sein Mes-
sias in der herrlichen oder in der geringen Gestalt erschei-
nen solle 21). War nun auch zur Zeit Jesu diese Unter-
scheidung noch nicht ausgebildet, sondern nur erst über-
haupt eine Beziehung der Stelle Zach. 9, 9. auf den Mes-
sias: so konnte doch Jesus sich etwa die Vorstellung ma-
chen, daſs jezt, bei seiner ersten Parusie, die Weissagung
des Zacharias, einst aber bei seiner zweiten die des Da-
niel an ihm in Erfüllung gehen müsse. Doch wäre auch
das Dritte möglich, daſs entweder ein zufälliges Einreiten
20) In der Thl. 1. S. 73. Anm. citirten Cardinalstelle aus Mi-
drasch Coheleth wird gleich Anfangs das Zacharianische pau-
per et insidens asino auf den Goël postremus bezogen. Die-
ser Esel des Messias wurde sofort mit dem des Abraham und
Moses für identisch gehalten, s. Jalkut Rubeni f. 79, 3. 4,
bei Schöttgen, 1. S. 169, vgl. Eisenmenger, entdecktes Ju-
denthum, 2, S. 697 f.
21) Sanhedrin f. 98, 1 (bei Wetstein): Dixit R. Alexander: R.
Josua f. Levi duobus inter se collatis locis tanquam contra-
riis visis objecit: scribitur Dan. 7, 13: et ecce cum nubi-
bus coeli velut filius hominis venit. Et scribitur Zach. 9, 9:
pauper et insidens asino. Verum haec duo loca ita inter se
conciliari possunt: nempe, si justitia sua mereantur Israëli-
tae, Messias veniet cum nubibus coeli: si autem non mere-
antur, veniet pauper, et vehetur asino.
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