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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zehntes Kapitel. §. 106.
des Esels wurde vom Messias erwartet, und zwar, weil
man mit der Stelle aus der Genesis die des Zacharias com-
binirte, bei seinem Einzug in Jerusalem 14). Dass jene
Weissagung Jakobs von keinem unsrer Evangelisten ange-
führt wird, beweist höchstens, dass sie bei'm Niederschrei-
ben der vorliegenden Erzählung sich derselben nicht aus-
drücklich bewusst waren: dass sie aber auch demjenigen
Kreise, in welchem die Anekdote sich zuerst bildete, nicht
vorgeschwebt habe, kann es keineswegs beweisen. Für
einen Durchgang der Erzählung durch mehrere Hände von
solchen, welche sich der ursprünglichen Beziehung auf die
Stelle der Genesis nicht mehr bewusst waren, spricht al-
lerdings auch diess, dass sie der Weissagung nicht mehr
ganz ähnlich ist. Sollte eine vollkommene Übereinstimmung
stattfinden, so müsste Jesus, nachdem er dem Zacharias
zufolge auf dem Esel in die Stadt geritten war, diesen
bei'm Absteigen an einer Weinrebe angebunden haben, statt
dass er ihn jezt im nächsten Dorf (nach Markus von einer
Thüre am Wege) losbinden lässt, wodurch aber zugleich diess
noch erreicht wurde, dass mit der Erfüllung jener beiden
Weissagungen noch eine Probe des übernatürlichen Wis-
sens Jesu und der magischen Kraft seines Namens verbun-
den werden konnte. -- Im vierten Evangelium fehlt mit der
Beziehung auf die mosaische Stelle der Zug vom angebun-
denen Esel und dessen Abholung, und es wird mit allei-
niger Rücksicht auf die des Zacharias kurz gesagt: euron
de o I. onarion, ekathisen ep auto (V. 14.).

Das Nächste, was nun in Betracht kommt, ist die
Huldigung, welche Jesu vom Volke dargebracht wird. Nach

14) Bereschith Rabba ad Gen. 49, 11. (bei Schöttgen, 2, S. 105):
quando Messias Hierosolymam veniet ad redimendum Israeli-
tas, tunc ligat asinum suum eique insidet et Hierosolymam
venit.

Zehntes Kapitel. §. 106.
des Esels wurde vom Messias erwartet, und zwar, weil
man mit der Stelle aus der Genesis die des Zacharias com-
binirte, bei seinem Einzug in Jerusalem 14). Daſs jene
Weissagung Jakobs von keinem unsrer Evangelisten ange-
führt wird, beweist höchstens, daſs sie bei'm Niederschrei-
ben der vorliegenden Erzählung sich derselben nicht aus-
drücklich bewuſst waren: daſs sie aber auch demjenigen
Kreise, in welchem die Anekdote sich zuerst bildete, nicht
vorgeschwebt habe, kann es keineswegs beweisen. Für
einen Durchgang der Erzählung durch mehrere Hände von
solchen, welche sich der ursprünglichen Beziehung auf die
Stelle der Genesis nicht mehr bewuſst waren, spricht al-
lerdings auch dieſs, daſs sie der Weissagung nicht mehr
ganz ähnlich ist. Sollte eine vollkommene Übereinstimmung
stattfinden, so müſste Jesus, nachdem er dem Zacharias
zufolge auf dem Esel in die Stadt geritten war, diesen
bei'm Absteigen an einer Weinrebe angebunden haben, statt
daſs er ihn jezt im nächsten Dorf (nach Markus von einer
Thüre am Wege) losbinden läſst, wodurch aber zugleich dieſs
noch erreicht wurde, daſs mit der Erfüllung jener beiden
Weissagungen noch eine Probe des übernatürlichen Wis-
sens Jesu und der magischen Kraft seines Namens verbun-
den werden konnte. — Im vierten Evangelium fehlt mit der
Beziehung auf die mosaische Stelle der Zug vom angebun-
denen Esel und dessen Abholung, und es wird mit allei-
niger Rücksicht auf die des Zacharias kurz gesagt: εὑρὼν
δὲ ὁ Ἰ. ὀνάριον, ἐκάϑισεν ἐπ̕ αὐτό (V. 14.).

Das Nächste, was nun in Betracht kommt, ist die
Huldigung, welche Jesu vom Volke dargebracht wird. Nach

14) Bereschith Rabba ad Gen. 49, 11. (bei Schöttgen, 2, S. 105):
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[295/0314] Zehntes Kapitel. §. 106. des Esels wurde vom Messias erwartet, und zwar, weil man mit der Stelle aus der Genesis die des Zacharias com- binirte, bei seinem Einzug in Jerusalem 14). Daſs jene Weissagung Jakobs von keinem unsrer Evangelisten ange- führt wird, beweist höchstens, daſs sie bei'm Niederschrei- ben der vorliegenden Erzählung sich derselben nicht aus- drücklich bewuſst waren: daſs sie aber auch demjenigen Kreise, in welchem die Anekdote sich zuerst bildete, nicht vorgeschwebt habe, kann es keineswegs beweisen. Für einen Durchgang der Erzählung durch mehrere Hände von solchen, welche sich der ursprünglichen Beziehung auf die Stelle der Genesis nicht mehr bewuſst waren, spricht al- lerdings auch dieſs, daſs sie der Weissagung nicht mehr ganz ähnlich ist. Sollte eine vollkommene Übereinstimmung stattfinden, so müſste Jesus, nachdem er dem Zacharias zufolge auf dem Esel in die Stadt geritten war, diesen bei'm Absteigen an einer Weinrebe angebunden haben, statt daſs er ihn jezt im nächsten Dorf (nach Markus von einer Thüre am Wege) losbinden läſst, wodurch aber zugleich dieſs noch erreicht wurde, daſs mit der Erfüllung jener beiden Weissagungen noch eine Probe des übernatürlichen Wis- sens Jesu und der magischen Kraft seines Namens verbun- den werden konnte. — Im vierten Evangelium fehlt mit der Beziehung auf die mosaische Stelle der Zug vom angebun- denen Esel und dessen Abholung, und es wird mit allei- niger Rücksicht auf die des Zacharias kurz gesagt: εὑρὼν δὲ ὁ Ἰ. ὀνάριον, ἐκάϑισεν ἐπ̕ αὐτό (V. 14.). Das Nächste, was nun in Betracht kommt, ist die Huldigung, welche Jesu vom Volke dargebracht wird. Nach 14) Bereschith Rabba ad Gen. 49, 11. (bei Schöttgen, 2, S. 105): quando Messias Hierosolymam veniet ad redimendum Israëli- tas, tunc ligat asinum suum eique insidet et Hierosolymam venit.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/314>, abgerufen am 24.11.2024.