worden sei 11); allein wie konnte er eine solche Verabre- dung in Bethphage getroffen haben, da er eben von Jeri- cho kam? Daher findet auch Paulus diessmal etwas An- deres wahrscheinlicher, dass nämlich in den an der Haupt- strasse nach Jerusalem gelegenen Dörfern um die Fest- zeiten viele Lastthiere zum Vermiethen an die Wallfahrer bereit gestanden haben werden; wogegen jedoch zu be- merken ist, dass Jesus gar nicht wie vom nächsten besten, sondern von einem bestimmten Thiere spricht. Man wun- dert sich daher, wenn man es bei Olshausen nur als ver- muthlichen Sinn der Referenten bezeichnet findet, dass dem einziehenden Messias Alles durch Fügung Gottes zur Hand gewesen sei, wie er dessen eben bedurfte, so wie, dass derselbe Ausleger die Voraussetzung nothwendig findet, die Besitzer des Thiers seien mit Jesu befreundet gewesen, da vielmehr die gleichsam magische Gewalt hier dargestellt werden soll, welche, sobald er nur wollte, dem blossen Na- men des Kurios inwohnte, bei dessen Nennung der Besi- zer des Esels den Esel, wie später (Matth. 26, 18. parall.) der Inhaber des Saals den Saal unweigerlich zu seiner Disposition stellte. Zu dieser göttlichen Fügung zu Gun- sten des Messias, und der unwiderstehlichen Kraft seines Namens kommt noch das höhere Wissen, durch welches Jesu hier ein entferntes Verhältniss, das er für seine Be- dürfnisse benützen konnte, offen vor Augen lag.
Ist diess der Sinn und die Absicht der Evangelisten bei den angegebenen Zügen ihrer Erzählung: so kann man sich nicht verhehlen, dass gerade eine solche Anwendung und Probe des höheren Wissens Jesu, welche in dem Be- merken eines im nächsten Dorf angebundenen Esels be- steht, so wie eine solche Macht seines Namens, welcher der Eigenthümer eines Lastthiers nicht widerstehen kann,
11) Natürliche Geschichte, 3, S. 566 f.
Zehntes Kapitel. §. 106.
worden sei 11); allein wie konnte er eine solche Verabre- dung in Bethphage getroffen haben, da er eben von Jeri- cho kam? Daher findet auch Paulus dieſsmal etwas An- deres wahrscheinlicher, daſs nämlich in den an der Haupt- straſse nach Jerusalem gelegenen Dörfern um die Fest- zeiten viele Lastthiere zum Vermiethen an die Wallfahrer bereit gestanden haben werden; wogegen jedoch zu be- merken ist, daſs Jesus gar nicht wie vom nächsten besten, sondern von einem bestimmten Thiere spricht. Man wun- dert sich daher, wenn man es bei Olshausen nur als ver- muthlichen Sinn der Referenten bezeichnet findet, daſs dem einziehenden Messias Alles durch Fügung Gottes zur Hand gewesen sei, wie er dessen eben bedurfte, so wie, daſs derselbe Ausleger die Voraussetzung nothwendig findet, die Besitzer des Thiers seien mit Jesu befreundet gewesen, da vielmehr die gleichsam magische Gewalt hier dargestellt werden soll, welche, sobald er nur wollte, dem bloſsen Na- men des Κύριος inwohnte, bei dessen Nennung der Besi- zer des Esels den Esel, wie später (Matth. 26, 18. parall.) der Inhaber des Saals den Saal unweigerlich zu seiner Disposition stellte. Zu dieser göttlichen Fügung zu Gun- sten des Messias, und der unwiderstehlichen Kraft seines Namens kommt noch das höhere Wissen, durch welches Jesu hier ein entferntes Verhältniſs, das er für seine Be- dürfnisse benützen konnte, offen vor Augen lag.
Ist dieſs der Sinn und die Absicht der Evangelisten bei den angegebenen Zügen ihrer Erzählung: so kann man sich nicht verhehlen, daſs gerade eine solche Anwendung und Probe des höheren Wissens Jesu, welche in dem Be- merken eines im nächsten Dorf angebundenen Esels be- steht, so wie eine solche Macht seines Namens, welcher der Eigenthümer eines Lastthiers nicht widerstehen kann,
11) Natürliche Geschichte, 3, S. 566 f.
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Zehntes Kapitel. §. 106.
worden sei 11); allein wie konnte er eine solche Verabre-
dung in Bethphage getroffen haben, da er eben von Jeri-
cho kam? Daher findet auch Paulus dieſsmal etwas An-
deres wahrscheinlicher, daſs nämlich in den an der Haupt-
straſse nach Jerusalem gelegenen Dörfern um die Fest-
zeiten viele Lastthiere zum Vermiethen an die Wallfahrer
bereit gestanden haben werden; wogegen jedoch zu be-
merken ist, daſs Jesus gar nicht wie vom nächsten besten,
sondern von einem bestimmten Thiere spricht. Man wun-
dert sich daher, wenn man es bei Olshausen nur als ver-
muthlichen Sinn der Referenten bezeichnet findet, daſs dem
einziehenden Messias Alles durch Fügung Gottes zur Hand
gewesen sei, wie er dessen eben bedurfte, so wie, daſs
derselbe Ausleger die Voraussetzung nothwendig findet, die
Besitzer des Thiers seien mit Jesu befreundet gewesen, da
vielmehr die gleichsam magische Gewalt hier dargestellt
werden soll, welche, sobald er nur wollte, dem bloſsen Na-
men des Κύριος inwohnte, bei dessen Nennung der Besi-
zer des Esels den Esel, wie später (Matth. 26, 18. parall.)
der Inhaber des Saals den Saal unweigerlich zu seiner
Disposition stellte. Zu dieser göttlichen Fügung zu Gun-
sten des Messias, und der unwiderstehlichen Kraft seines
Namens kommt noch das höhere Wissen, durch welches
Jesu hier ein entferntes Verhältniſs, das er für seine Be-
dürfnisse benützen konnte, offen vor Augen lag.
Ist dieſs der Sinn und die Absicht der Evangelisten
bei den angegebenen Zügen ihrer Erzählung: so kann man
sich nicht verhehlen, daſs gerade eine solche Anwendung
und Probe des höheren Wissens Jesu, welche in dem Be-
merken eines im nächsten Dorf angebundenen Esels be-
steht, so wie eine solche Macht seines Namens, welcher
der Eigenthümer eines Lastthiers nicht widerstehen kann,
11) Natürliche Geschichte, 3, S. 566 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/312>, abgerufen am 22.07.2024.
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