Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiter Abschnitt.
und dann erst die kurze Angabe folgen lässt, dass Jesus
einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha-
be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein
ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als
er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage
und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei-
ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit
der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie -- und
nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül-
len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem
noch Niemand gesessen habe, angebunden -- finden, das
(die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein-
wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung,
der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; diess sei
so geschehen, und die Jünger haben -- auf die Thiere
nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine
Thier --, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.

Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die
Angabe des Matthäus, dass Jesus nicht bloss, da doch nur
er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern dass
er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar,
wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er-
stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das
Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei-
gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun-
ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder
soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge-
laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter
gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten
her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die
einen dadurch zu beseitigen, dass sie sehr schwachen Au-
ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei

1) Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541.
2) Olshausen, 1, S. 776.

Zweiter Abschnitt.
und dann erst die kurze Angabe folgen läſst, daſs Jesus
einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha-
be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein
ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als
er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage
und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei-
ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit
der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie — und
nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül-
len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem
noch Niemand gesessen habe, angebunden — finden, das
(die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein-
wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung,
der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; dieſs sei
so geschehen, und die Jünger haben — auf die Thiere
nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine
Thier —, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.

Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die
Angabe des Matthäus, daſs Jesus nicht bloſs, da doch nur
er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern daſs
er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar,
wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er-
stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das
Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei-
gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun-
ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder
soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge-
laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter
gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten
her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die
einen dadurch zu beseitigen, daſs sie sehr schwachen Au-
ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei

1) Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541.
2) Olshausen, 1, S. 776.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="288"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
und dann erst die kurze Angabe folgen lä&#x017F;st, da&#x017F;s Jesus<lb/>
einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha-<lb/>
be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein<lb/>
ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als<lb/>
er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage<lb/>
und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei-<lb/>
ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit<lb/>
der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie &#x2014; und<lb/>
nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül-<lb/>
len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem<lb/>
noch Niemand gesessen habe, angebunden &#x2014; finden, das<lb/>
(die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein-<lb/>
wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung,<lb/>
der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; die&#x017F;s sei<lb/>
so geschehen, und die Jünger haben &#x2014; auf die Thiere<lb/>
nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine<lb/>
Thier &#x2014;, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt.</p><lb/>
          <p>Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die<lb/>
Angabe des Matthäus, da&#x017F;s Jesus nicht blo&#x017F;s, da doch nur<lb/>
er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern da&#x017F;s<lb/>
er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar,<lb/>
wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er-<lb/>
stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das<lb/>
Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei-<lb/>
gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun-<lb/>
ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#k">Paulus</hi>, 3, a, S. 115; <hi rendition="#k">Kuinöl</hi>, in Matth. p. 541.</note>, oder<lb/>
soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge-<lb/>
laufen sein <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#k">Olshausen</hi>, 1, S. 776.</note>; allein ein noch durch Saugen an die Mutter<lb/>
gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten<lb/>
her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die<lb/>
einen dadurch zu beseitigen, da&#x017F;s sie sehr schwachen Au-<lb/>
ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0307] Zweiter Abschnitt. und dann erst die kurze Angabe folgen läſst, daſs Jesus einen jungen Esel, dessen er habhaft wurde, bestiegen ha- be: ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, ein ausführlicher Bericht, wie Jesus zu dem Esel kam. Als er nämlich in die Nähe von Jerusalem, gegen Bethphage und Bethanien am Ölberg hingekommen, habe er zwei sei- ner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf geschickt, mit der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie — und nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, und ein Fül- len bei ihr, die beiden andern, ein Füllen, auf welchem noch Niemand gesessen habe, angebunden — finden, das (die) sollen sie losbinden und ihm bringen, etwaige Ein- wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung, der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; dieſs sei so geschehen, und die Jünger haben — auf die Thiere nach Matthäus, nach den beiden andern auf das Eine Thier —, ihre Kleider unterbreitend, Jesum gesezt. Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar die Angabe des Matthäus, daſs Jesus nicht bloſs, da doch nur er allein reiten wollte, zwei Esel requirirt, sondern daſs er auch wirklich auf beide sich gesezt haben soll. Zwar, wie natürlich, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Er- stere zu erklären, und das Leztere zu beseitigen. Das Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welchem er ei- gentlich reiten wollte, haben holen lassen, damit das jun- ge, noch saugende Thier desto eher gehen möchte 1), oder soll die an das Junge gewöhnte Mutter von selbst nachge- laufen sein 2); allein ein noch durch Saugen an die Mutter gewöhntes Thier gab der Eigner schwerlich zum Reiten her. Das noch üblere Reiten auf zwei Thieren suchen die einen dadurch zu beseitigen, daſs sie sehr schwachen Au- ctoritäten zufolge und gegen alle kritischen Grundsätze bei 1) Paulus, 3, a, S. 115; Kuinöl, in Matth. p. 541. 2) Olshausen, 1, S. 776.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/307
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/307>, abgerufen am 27.11.2024.