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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zehntes Kapitel. §. 103.
die ersten Christen theils von Juden hören, theils sich
selber machen mussten, konnten nicht anders, als in der
ältesten Gemeinde eine Tendenz erzeugen, jenen Zug aus
dem Leben des Moses im Leben Jesu nachzubilden, ja zu
überbieten, und statt eines leuchtenden Angesichts, das
sich mit einem Tuche verdecken liess, ihm einen auch über
die Gewänder sich ergiessenden Strahlenglanz, wenn auch
nur vorübergehend, zuzuschreiben.

Dass die Verklärung des Angesichts von Moses zum
Vorbild für Jesu Verklärung gedient habe, beweist aber
überdiess eine Reihe einzelner Züge. Moses bekam seinen
Glanz auf dem Berge Sinai: auch von Jesu Verklärung ist
ein Berg der Schauplaz; Moses hatte bei einer früheren
Besteigung des Bergs, welche mit der späteren, nach der
sein Angesicht glänzend wurde, leicht zusammenfliessen
konnte, ausser den 70 Ältesten besonders noch drei Ver-
traute, Aaron, Nadab und Abihu, zur Theilnahme an der
Anschauung Jehova's mit sich auf den Berg genommen
(2. Mos. 24, 1. 9--11.): so nimmt nun auch Jesus seine
drei vertrautesten Jünger mit sich, um, so viel ihre Kräfte
es vermöchten, Zeugen des erhabenen Schauspiels zu sein,
und ihre nächste Absicht war nach Luc. V. 28. proseu-
xasthai: gerade wie Jehova den Moses mit den Dreien und
den Ältesten auf den Berg kommen heisst, um von ferne
anzubeten. Wie hernach, als Moses mit Josua den Sinai
bestieg, die doxa Kuriou als nephele den Berg bedeckte
(V. 15 f. LXX), wie Jehova aus der Wolke heraus dem

Moses magister noster felicis memoriae, qui homo merus erat,
quia Deus de facie ad faciem cum eo locutus est, vultum tam
lucentem retulit, ut Judaei vererentur accedere: quanto igi-
tur magis de ipsa divinitate hoc tenere oportet, atque Jesu
faciem ab uno orbis cardine ad alterum fulgorem diffundere
conveniebat? At non praeditus fuit ullo splendore, sed re-
liquis mortalibus fuit simillimus. Quapropter constat, non
esse in eum credendum.

Zehntes Kapitel. §. 103.
die ersten Christen theils von Juden hören, theils sich
selber machen muſsten, konnten nicht anders, als in der
ältesten Gemeinde eine Tendenz erzeugen, jenen Zug aus
dem Leben des Moses im Leben Jesu nachzubilden, ja zu
überbieten, und statt eines leuchtenden Angesichts, das
sich mit einem Tuche verdecken lieſs, ihm einen auch über
die Gewänder sich ergieſsenden Strahlenglanz, wenn auch
nur vorübergehend, zuzuschreiben.

Daſs die Verklärung des Angesichts von Moses zum
Vorbild für Jesu Verklärung gedient habe, beweist aber
überdieſs eine Reihe einzelner Züge. Moses bekam seinen
Glanz auf dem Berge Sinai: auch von Jesu Verklärung ist
ein Berg der Schauplaz; Moses hatte bei einer früheren
Besteigung des Bergs, welche mit der späteren, nach der
sein Angesicht glänzend wurde, leicht zusammenflieſsen
konnte, ausser den 70 Ältesten besonders noch drei Ver-
traute, Aaron, Nadab und Abihu, zur Theilnahme an der
Anschauung Jehova's mit sich auf den Berg genommen
(2. Mos. 24, 1. 9—11.): so nimmt nun auch Jesus seine
drei vertrautesten Jünger mit sich, um, so viel ihre Kräfte
es vermöchten, Zeugen des erhabenen Schauspiels zu sein,
und ihre nächste Absicht war nach Luc. V. 28. προσεύ-
ξασϑαι: gerade wie Jehova den Moses mit den Dreien und
den Ältesten auf den Berg kommen heiſst, um von ferne
anzubeten. Wie hernach, als Moses mit Josua den Sinai
bestieg, die δόξα Κυρίου als νεφέλη den Berg bedeckte
(V. 15 f. LXX), wie Jehova aus der Wolke heraus dem

Moses magister noster felicis memoriae, qui homo merus erat,
quia Deus de facie ad faciem cum eo locutus est, vultum tam
lucentem retulit, ut Judaei vererentur accedere: quanto igi-
tur magis de ipsa divinitate hoc tenere oportet, atque Jesu
faciem ab uno orbis cardine ad alterum fulgorem diffundere
conveniebat? At non praeditus fuit ullo splendore, sed re-
liquis mortalibus fuit simillimus. Quapropter constat, non
esse in eum credendum.
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[271/0290] Zehntes Kapitel. §. 103. die ersten Christen theils von Juden hören, theils sich selber machen muſsten, konnten nicht anders, als in der ältesten Gemeinde eine Tendenz erzeugen, jenen Zug aus dem Leben des Moses im Leben Jesu nachzubilden, ja zu überbieten, und statt eines leuchtenden Angesichts, das sich mit einem Tuche verdecken lieſs, ihm einen auch über die Gewänder sich ergieſsenden Strahlenglanz, wenn auch nur vorübergehend, zuzuschreiben. Daſs die Verklärung des Angesichts von Moses zum Vorbild für Jesu Verklärung gedient habe, beweist aber überdieſs eine Reihe einzelner Züge. Moses bekam seinen Glanz auf dem Berge Sinai: auch von Jesu Verklärung ist ein Berg der Schauplaz; Moses hatte bei einer früheren Besteigung des Bergs, welche mit der späteren, nach der sein Angesicht glänzend wurde, leicht zusammenflieſsen konnte, ausser den 70 Ältesten besonders noch drei Ver- traute, Aaron, Nadab und Abihu, zur Theilnahme an der Anschauung Jehova's mit sich auf den Berg genommen (2. Mos. 24, 1. 9—11.): so nimmt nun auch Jesus seine drei vertrautesten Jünger mit sich, um, so viel ihre Kräfte es vermöchten, Zeugen des erhabenen Schauspiels zu sein, und ihre nächste Absicht war nach Luc. V. 28. προσεύ- ξασϑαι: gerade wie Jehova den Moses mit den Dreien und den Ältesten auf den Berg kommen heiſst, um von ferne anzubeten. Wie hernach, als Moses mit Josua den Sinai bestieg, die δόξα Κυρίου als νεφέλη den Berg bedeckte (V. 15 f. LXX), wie Jehova aus der Wolke heraus dem 12) 12) Moses magister noster felicis memoriae, qui homo merus erat, quia Deus de facie ad faciem cum eo locutus est, vultum tam lucentem retulit, ut Judaei vererentur accedere: quanto igi- tur magis de ipsa divinitate hoc tenere oportet, atque Jesu faciem ab uno orbis cardine ad alterum fulgorem diffundere conveniebat? At non praeditus fuit ullo splendore, sed re- liquis mortalibus fuit simillimus. Quapropter constat, non esse in eum credendum.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/290>, abgerufen am 25.11.2024.