Verklärungsgeschichte aber durch alle Arten von Schwie- rigkeiten so unwahrscheinlich gemacht, dass die Entschei- dung nicht zweifelhaft sein kann. Es scheinen demnach, wie oben schon einige Male, so auch hier zwei von ganz verschiedenen Voraussetzungen ausgehende und wohl auch in verschiedenen Zeiten entstandene Erzählungsstücke auf ziemlich ungeschickte Weise zusammengesezt worden zu sein; das die Unterredung enthaltende Stück nämlich geht von der, wahrscheinlich früheren, Ansicht aus, die Weis- sagung in Betreff des Elias sei eben nur in Johannes in Erfüllung gegangen; wogegen das Stück von der Verklä- rung, ohne Zweifel späteren Ursprungs, sich damit nicht begnügt, dass in der messianischen Zeit Jesu Elias unei- gentlich im Täufer aufgetreten sei: er musste auch persön- lich und eigentlich, wenn auch nur in vorübergehender Erscheinung, sich gezeigt haben.
Um nun zu begreifen, wie eine solche Erzählung auf sagenhaftem Wege entstehen konnte, ist der zuerst zu er- wägende Zug, an dessen Betrachtung sich die aller übri- gen am leichtesten anreiht, der sonnenartige Glanz des Angesichts und das helle Leuchten der Kleider Jesu. Das Schöne und Majestätische ist dem Orientalen, und ins- besondere dem Hebräer, ein Leuchtendes; der Dichter des hohen Lieds vergleicht seine Geliebte mit der Morgenröthe, dem Monde, der Sonne (6, 9.); die von Gottes Segen un- terstüzten Frommen werden der Sonne in ihrer Macht verglichen (Richt. 5, 31.), und namentlich das jenseitige Loos der Gerechten wird dem Glanz der Sonne und der Gestirne zur Seite gesezt (Dan. 12, 3. Matth. 13, 43.) 9). Daher erscheint nicht allein Gott im Lichtglanz, und Engel mit glänzendem Angesicht und leuchtenden Gewändern (Ps.
9) Vgl. Jalkut Simeoni P. 2, f. 10, 3. (bei Wetstein, p. 435.): Facies justorum futuro tempore similes erunt soli et lunae, coelo et stellis, fulguri etc.
Zehntes Kapitel. §. 103.
Verklärungsgeschichte aber durch alle Arten von Schwie- rigkeiten so unwahrscheinlich gemacht, daſs die Entschei- dung nicht zweifelhaft sein kann. Es scheinen demnach, wie oben schon einige Male, so auch hier zwei von ganz verschiedenen Voraussetzungen ausgehende und wohl auch in verschiedenen Zeiten entstandene Erzählungsstücke auf ziemlich ungeschickte Weise zusammengesezt worden zu sein; das die Unterredung enthaltende Stück nämlich geht von der, wahrscheinlich früheren, Ansicht aus, die Weis- sagung in Betreff des Elias sei eben nur in Johannes in Erfüllung gegangen; wogegen das Stück von der Verklä- rung, ohne Zweifel späteren Ursprungs, sich damit nicht begnügt, daſs in der messianischen Zeit Jesu Elias unei- gentlich im Täufer aufgetreten sei: er muſste auch persön- lich und eigentlich, wenn auch nur in vorübergehender Erscheinung, sich gezeigt haben.
Um nun zu begreifen, wie eine solche Erzählung auf sagenhaftem Wege entstehen konnte, ist der zuerst zu er- wägende Zug, an dessen Betrachtung sich die aller übri- gen am leichtesten anreiht, der sonnenartige Glanz des Angesichts und das helle Leuchten der Kleider Jesu. Das Schöne und Majestätische ist dem Orientalen, und ins- besondere dem Hebräer, ein Leuchtendes; der Dichter des hohen Lieds vergleicht seine Geliebte mit der Morgenröthe, dem Monde, der Sonne (6, 9.); die von Gottes Segen un- terstüzten Frommen werden der Sonne in ihrer Macht verglichen (Richt. 5, 31.), und namentlich das jenseitige Loos der Gerechten wird dem Glanz der Sonne und der Gestirne zur Seite gesezt (Dan. 12, 3. Matth. 13, 43.) 9). Daher erscheint nicht allein Gott im Lichtglanz, und Engel mit glänzendem Angesicht und leuchtenden Gewändern (Ps.
9) Vgl. Jalkut Simeoni P. 2, f. 10, 3. (bei Wetstein, p. 435.): Facies justorum futuro tempore similes erunt soli et lunae, coelo et stellis, fulguri etc.
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Zehntes Kapitel. §. 103.
Verklärungsgeschichte aber durch alle Arten von Schwie-
rigkeiten so unwahrscheinlich gemacht, daſs die Entschei-
dung nicht zweifelhaft sein kann. Es scheinen demnach,
wie oben schon einige Male, so auch hier zwei von ganz
verschiedenen Voraussetzungen ausgehende und wohl auch
in verschiedenen Zeiten entstandene Erzählungsstücke auf
ziemlich ungeschickte Weise zusammengesezt worden zu
sein; das die Unterredung enthaltende Stück nämlich geht
von der, wahrscheinlich früheren, Ansicht aus, die Weis-
sagung in Betreff des Elias sei eben nur in Johannes in
Erfüllung gegangen; wogegen das Stück von der Verklä-
rung, ohne Zweifel späteren Ursprungs, sich damit nicht
begnügt, daſs in der messianischen Zeit Jesu Elias unei-
gentlich im Täufer aufgetreten sei: er muſste auch persön-
lich und eigentlich, wenn auch nur in vorübergehender
Erscheinung, sich gezeigt haben.
Um nun zu begreifen, wie eine solche Erzählung auf
sagenhaftem Wege entstehen konnte, ist der zuerst zu er-
wägende Zug, an dessen Betrachtung sich die aller übri-
gen am leichtesten anreiht, der sonnenartige Glanz des
Angesichts und das helle Leuchten der Kleider Jesu.
Das Schöne und Majestätische ist dem Orientalen, und ins-
besondere dem Hebräer, ein Leuchtendes; der Dichter des
hohen Lieds vergleicht seine Geliebte mit der Morgenröthe,
dem Monde, der Sonne (6, 9.); die von Gottes Segen un-
terstüzten Frommen werden der Sonne in ihrer Macht
verglichen (Richt. 5, 31.), und namentlich das jenseitige
Loos der Gerechten wird dem Glanz der Sonne und der
Gestirne zur Seite gesezt (Dan. 12, 3. Matth. 13, 43.) 9).
Daher erscheint nicht allein Gott im Lichtglanz, und Engel
mit glänzendem Angesicht und leuchtenden Gewändern (Ps.
9) Vgl. Jalkut Simeoni P. 2, f. 10, 3. (bei Wetstein, p. 435.):
Facies justorum futuro tempore similes erunt soli et lunae,
coelo et stellis, fulguri etc.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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