Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. se, von welcher doch die Evangelisten sprechen: so dassalso diese Scene zu keiner in sich zusammenstimmenden Anschauung gebracht werden kann, wofern man nicht et- wa mit Olshausen beides verbunden, Jesum sowohl strah- lend als bestrahlt, sich denken will. Aber war dieser Glanz auch möglich: immer bleibt doch die Frage, wozu er denn gedient haben soll? Sagt man, was am nächsten liegt: um Jesum zu verherrlichen, so war der geistigen Verherr- lichung gegenüber, welche Jesus durch Rede und That sich selber gab, diese physische durch glänzende Beleuch- tung eine sehr unwesentliche, und fast kindisch zu nen- nen; soll sie aber dennoch zur Erhaltung des allzuschwa- chen Glaubens nöthig gewesen sein, so müsste sie vor der Menge, oder doch vor dem weiteren Kreise der Jünger, nicht aber vor dem engsten Ausschluss der kräftigsten vor- genommen, mindestens den wenigen Augenzeugen nicht die Mittheilung gerade für die am meisten kritische Zeit, bis zur Auferstehung, untersagt worden sein. -- Mit ver- stärkter Kraft kehren diese beiden Fragen bei dem zweiten Moment in unserer Geschichte, bei der Erscheinung der beiden Verstorbenen, wieder. Können abgeschiedene See- len den Lebenden erscheinen? und wenn, wie es scheint, die beiden Gottesmänner mit ihrem vormaligen, nur ver- klärten, Leibe sich zeigten, woher nahmen sie diesen -- nach biblischer Vorstellung -- vor der allgemeinen Auf- erstehung? Zwar bei Elias, der ohne Ablegung des Kör- pers gen Himmel fuhr, macht diess weniger Schwierig- keit: allein Moses war doch gestorben, und sein Leich- nam begraben worden. Vollends aber zu welchem Zweck sollten die beiden grossen Todten erschienen sein? Die evangelische Darstellung, indem sie die beiden Gestal- ten als sullalountes to I. darstellt, scheint den Zweck der Erscheinung in Jesum zu setzen; näher, wenn Lukas recht hat, bezog sich dieselbe auf das Jesu bevorstehende Lei- den und Sterben. Aber angekündigt können sie ihm diess Zweiter Abschnitt. se, von welcher doch die Evangelisten sprechen: so daſsalso diese Scene zu keiner in sich zusammenstimmenden Anschauung gebracht werden kann, wofern man nicht et- wa mit Olshausen beides verbunden, Jesum sowohl strah- lend als bestrahlt, sich denken will. Aber war dieser Glanz auch möglich: immer bleibt doch die Frage, wozu er denn gedient haben soll? Sagt man, was am nächsten liegt: um Jesum zu verherrlichen, so war der geistigen Verherr- lichung gegenüber, welche Jesus durch Rede und That sich selber gab, diese physische durch glänzende Beleuch- tung eine sehr unwesentliche, und fast kindisch zu nen- nen; soll sie aber dennoch zur Erhaltung des allzuschwa- chen Glaubens nöthig gewesen sein, so müſste sie vor der Menge, oder doch vor dem weiteren Kreise der Jünger, nicht aber vor dem engsten Ausschluſs der kräftigsten vor- genommen, mindestens den wenigen Augenzeugen nicht die Mittheilung gerade für die am meisten kritische Zeit, bis zur Auferstehung, untersagt worden sein. — Mit ver- stärkter Kraft kehren diese beiden Fragen bei dem zweiten Moment in unserer Geschichte, bei der Erscheinung der beiden Verstorbenen, wieder. Können abgeschiedene See- len den Lebenden erscheinen? und wenn, wie es scheint, die beiden Gottesmänner mit ihrem vormaligen, nur ver- klärten, Leibe sich zeigten, woher nahmen sie diesen — nach biblischer Vorstellung — vor der allgemeinen Auf- erstehung? Zwar bei Elias, der ohne Ablegung des Kör- pers gen Himmel fuhr, macht dieſs weniger Schwierig- keit: allein Moses war doch gestorben, und sein Leich- nam begraben worden. Vollends aber zu welchem Zweck sollten die beiden groſsen Todten erschienen sein? Die evangelische Darstellung, indem sie die beiden Gestal- ten als συλλαλοῦντες τῷ Ἰ. darstellt, scheint den Zweck der Erscheinung in Jesum zu setzen; näher, wenn Lukas recht hat, bezog sich dieselbe auf das Jesu bevorstehende Lei- den und Sterben. 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Zweiter Abschnitt.
se, von welcher doch die Evangelisten sprechen: so daſs
also diese Scene zu keiner in sich zusammenstimmenden
Anschauung gebracht werden kann, wofern man nicht et-
wa mit Olshausen beides verbunden, Jesum sowohl strah-
lend als bestrahlt, sich denken will. Aber war dieser Glanz
auch möglich: immer bleibt doch die Frage, wozu er denn
gedient haben soll? Sagt man, was am nächsten liegt:
um Jesum zu verherrlichen, so war der geistigen Verherr-
lichung gegenüber, welche Jesus durch Rede und That
sich selber gab, diese physische durch glänzende Beleuch-
tung eine sehr unwesentliche, und fast kindisch zu nen-
nen; soll sie aber dennoch zur Erhaltung des allzuschwa-
chen Glaubens nöthig gewesen sein, so müſste sie vor der
Menge, oder doch vor dem weiteren Kreise der Jünger,
nicht aber vor dem engsten Ausschluſs der kräftigsten vor-
genommen, mindestens den wenigen Augenzeugen nicht
die Mittheilung gerade für die am meisten kritische Zeit,
bis zur Auferstehung, untersagt worden sein. — Mit ver-
stärkter Kraft kehren diese beiden Fragen bei dem zweiten
Moment in unserer Geschichte, bei der Erscheinung der
beiden Verstorbenen, wieder. Können abgeschiedene See-
len den Lebenden erscheinen? und wenn, wie es scheint,
die beiden Gottesmänner mit ihrem vormaligen, nur ver-
klärten, Leibe sich zeigten, woher nahmen sie diesen —
nach biblischer Vorstellung — vor der allgemeinen Auf-
erstehung? Zwar bei Elias, der ohne Ablegung des Kör-
pers gen Himmel fuhr, macht dieſs weniger Schwierig-
keit: allein Moses war doch gestorben, und sein Leich-
nam begraben worden. Vollends aber zu welchem Zweck
sollten die beiden groſsen Todten erschienen sein? Die
evangelische Darstellung, indem sie die beiden Gestal-
ten als συλλαλοῦντες τῷ Ἰ. darstellt, scheint den Zweck der
Erscheinung in Jesum zu setzen; näher, wenn Lukas recht
hat, bezog sich dieselbe auf das Jesu bevorstehende Lei-
den und Sterben. Aber angekündigt können sie ihm dieſs
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