14. Matth. 12, 22. ist der daimonizomenos kophos zugleich tuphlos), und an gichtischer Verkrümmung des Körpers Leidende (Luc. 13, 11. ff.) werden mehr oder minder be- stimmt als Dämonische bezeichnet.
Die in den Evangelien vorausgesezte, auch von de- ren Verfassern getheilte Vorstellung von diesen Leidenden ist die, dass ein böser, unreiner Geist (daimonion, pneuma akatharton) oder mehrere, sich ihrer bemächtigt haben (da- her ihr Zustand durch daimonion ekhein, daimonizesthai be- zeichnet wird), welche nun aus ihnen reden (so Matth. 8, 31. oi daimones parekaloun auton legontes), und ihre Glied- massen nach Belieben in Bewegung setzen (so Marc. 9, 20. to pneuma esparaxen auton), bis sie bei der Heilung, mit Gewalt ausgetrieben, den Menschen verlassen (ekballein, exerkhesthai). Nach der evangelischen Darstellung hatte auch Jesus diese Ansicht von der Sache. Zwar, wenn er zum Behuf der Heilung von Besessenen den in ihnen befindli- chen Dämon anredet (wie Marc. 9, 25. Matth. 8, 32. Luc. 4, 35.): so könnte man diess allerdings mit Paulus4) als Eingehen in die fixe Idee dieser mehr oder minder verrück- ten Personen ansehen, wozu der psychische Arzt, um wir- ken zu können, sich bequemen muss, so sehr er von dem Ungrund jener Vorstellung überzeugt sein mag. Allein wenn nun Jesus auch in Privatunterhaltungen mit seinen Jüngern diesen nicht allein niemals etwas zur Untergrabung jener Vorstellung sagt, sondern vielmehr wiederholt aus der Vor- aussetzung eines dämonischen Grundes jener Zustände heraus spricht (so, ausser dem Auftrag: daimonia ekbal- lete Matth. 10, 8. noch Luc. 10, 18. ff. und besonders Matth. 17, 21. parall.: touto to genos, sc. daimonion, ouk ekporeue- tai k. t. l.), wenn er in einer rein theoretischen Ausfüh- rung, vielleicht ebenfalls im engeren Kreise seiner Jünger, eine ganz den damaligen Volksvorstellungen sich anschlies-
4) ex. Handb. 1, b, S. 475; vgl. Hase, L. J., §. 60. 2te Auflage.
Bogen 1. ist S. 7 u. 8 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
Neuntes Kapitel. §. 88.
14. Matth. 12, 22. ist der δαιμονιζόμενος κωφὸς zugleich τυφλὸς), und an gichtischer Verkrümmung des Körpers Leidende (Luc. 13, 11. ff.) werden mehr oder minder be- stimmt als Dämonische bezeichnet.
Die in den Evangelien vorausgesezte, auch von de- ren Verfassern getheilte Vorstellung von diesen Leidenden ist die, daſs ein böser, unreiner Geist (δαιμόνιον, πνεῦμα ἀκάϑαρτον) oder mehrere, sich ihrer bemächtigt haben (da- her ihr Zustand durch δαιμόνιον ἔχειν, δαιμονίζεσϑαι be- zeichnet wird), welche nun aus ihnen reden (so Matth. 8, 31. οἱ δαίμονες παρεκάλουν αὐτὸν λέγοντες), und ihre Glied- maſsen nach Belieben in Bewegung setzen (so Marc. 9, 20. τὸ πνεῦμα ἐσπάραξεν αὐτὸν), bis sie bei der Heilung, mit Gewalt ausgetrieben, den Menschen verlassen (ἐκβάλλειν, ἐξέρχεσϑαι). Nach der evangelischen Darstellung hatte auch Jesus diese Ansicht von der Sache. Zwar, wenn er zum Behuf der Heilung von Besessenen den in ihnen befindli- chen Dämon anredet (wie Marc. 9, 25. Matth. 8, 32. Luc. 4, 35.): so könnte man dieſs allerdings mit Paulus4) als Eingehen in die fixe Idee dieser mehr oder minder verrück- ten Personen ansehen, wozu der psychische Arzt, um wir- ken zu können, sich bequemen muſs, so sehr er von dem Ungrund jener Vorstellung überzeugt sein mag. Allein wenn nun Jesus auch in Privatunterhaltungen mit seinen Jüngern diesen nicht allein niemals etwas zur Untergrabung jener Vorstellung sagt, sondern vielmehr wiederholt aus der Vor- aussetzung eines dämonischen Grundes jener Zustände heraus spricht (so, ausser dem Auftrag: δαιμόνια ἐκβάλ- λετε Matth. 10, 8. noch Luc. 10, 18. ff. und besonders Matth. 17, 21. parall.: τοῦτο τὸ γένος, sc. δαιμονίων, οὺκ ἐκπορεύε- ται κ. τ. λ.), wenn er in einer rein theoretischen Ausfüh- rung, vielleicht ebenfalls im engeren Kreise seiner Jünger, eine ganz den damaligen Volksvorstellungen sich anschlies-
4) ex. Handb. 1, b, S. 475; vgl. Hase, L. J., §. 60. 2te Auflage.
Bogen 1. ist S. 7 u. 8 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
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Neuntes Kapitel. §. 88.
14. Matth. 12, 22. ist der δαιμονιζόμενος κωφὸς zugleich
τυφλὸς), und an gichtischer Verkrümmung des Körpers
Leidende (Luc. 13, 11. ff.) werden mehr oder minder be-
stimmt als Dämonische bezeichnet.
Die in den Evangelien vorausgesezte, auch von de-
ren Verfassern getheilte Vorstellung von diesen Leidenden
ist die, daſs ein böser, unreiner Geist (δαιμόνιον, πνεῦμα
ἀκάϑαρτον) oder mehrere, sich ihrer bemächtigt haben (da-
her ihr Zustand durch δαιμόνιον ἔχειν, δαιμονίζεσϑαι be-
zeichnet wird), welche nun aus ihnen reden (so Matth. 8,
31. οἱ δαίμονες παρεκάλουν αὐτὸν λέγοντες), und ihre Glied-
maſsen nach Belieben in Bewegung setzen (so Marc. 9, 20.
τὸ πνεῦμα ἐσπάραξεν αὐτὸν), bis sie bei der Heilung, mit
Gewalt ausgetrieben, den Menschen verlassen (ἐκβάλλειν,
ἐξέρχεσϑαι). Nach der evangelischen Darstellung hatte auch
Jesus diese Ansicht von der Sache. Zwar, wenn er zum
Behuf der Heilung von Besessenen den in ihnen befindli-
chen Dämon anredet (wie Marc. 9, 25. Matth. 8, 32. Luc.
4, 35.): so könnte man dieſs allerdings mit Paulus 4) als
Eingehen in die fixe Idee dieser mehr oder minder verrück-
ten Personen ansehen, wozu der psychische Arzt, um wir-
ken zu können, sich bequemen muſs, so sehr er von dem
Ungrund jener Vorstellung überzeugt sein mag. Allein wenn
nun Jesus auch in Privatunterhaltungen mit seinen Jüngern
diesen nicht allein niemals etwas zur Untergrabung jener
Vorstellung sagt, sondern vielmehr wiederholt aus der Vor-
aussetzung eines dämonischen Grundes jener Zustände
heraus spricht (so, ausser dem Auftrag: δαιμόνια ἐκβάλ-
λετε Matth. 10, 8. noch Luc. 10, 18. ff. und besonders Matth.
17, 21. parall.: τοῦτο τὸ γένος, sc. δαιμονίων, οὺκ ἐκπορεύε-
ται κ. τ. λ.), wenn er in einer rein theoretischen Ausfüh-
rung, vielleicht ebenfalls im engeren Kreise seiner Jünger,
eine ganz den damaligen Volksvorstellungen sich anschlies-
4) ex. Handb. 1, b, S. 475; vgl. Hase, L. J., §. 60. 2te Auflage.
Bogen 1. ist S. 7 u. 8 auszuschneiden u. dieses Blatt einzubinden.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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