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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
ter folgt, das epitimen te thalasse, welches Markus wie-
der mit seiner bekannten Vorliebe für solche Machtworte
mit den angeblich eigenen Ausdrücken Jesu nach griechi-
scher Übersetzung (siopa, pephimoso!) wiedergiebt, der
Erfolg und der Eindruck, könnte in der Sage hinzugefügt
worden sein. Dass ein solches epitiman te thalasse Jesu
angedichtet werden konnte, dazu lag die Veranlassung im
A. T. Hier wird in poetischen Darstellungen des Durch-
gangs der Israeliten durch das rothe Meer Jehova als der-
jenige bezeichnet, welcher epetimese te eruthra thalasse
(Ps. 106, 9. LXX. vgl. Nahum 1, 4.), dass sie zurückwei-
chen sollte. Da nun das Werkzeug dieser Zurückweisung
des rothen Meers Moses gewesen war (2 Mos. 14, 16. 21.),
so lag es nahe, seinem grossen Nachfolger, dem Messias,
eine ähnliche Funktion zuzuschreiben, wie denn wirklich
nach rabbinischen Stellen in der messianischen Zeit ein
ähnliches Austrocknen des Meeres, von Gott -- ohne Zwei-
fel durch den Messias -- bewirkt, erwartet wurde, wie
einst Moses eines herbeigeführt hatte 4). Dass Jesu hier
statt des Austrocknens nur ein Stillen des Meers zuge-
schrieben wird, erklärt sich, wenn man den Sturm und
die dabei von Jesu bewiesene Fassung historisch nimmt,
eben aus dem Anknüpfen des Mythischen an diese ge-
schichtliche Grundlage, wo ein Austrocknen des Sees, da
sie ja zu Schiffe waren, nicht an der Stelle gewesen wäre.

Immerhin indess ist es ohne sicheres Beispiel, und
auch an sich unwahrscheinlich, dass auf den Stamm eines
wirklichen Vorfalls ein mythischer Zusaz in der Art ge-
pfropft worden wäre, dass jener völlig unverändert blieb.
Und Ein Zug ist schon in jenem bisher als historisch vor-
ausgesezten Stücke, welcher, näher angesehen, sich doch
eher dafür giebt, in der Sage gedichtet, als wirklich so
vorgefallen zu sein. Dass nämlich Jesus vor dem Aus-

4) s. Band 1, S. 73, Anmerk.

Zweiter Abschnitt.
ter folgt, das ἐπιτιμῆν τῇ ϑαλάσσῃ, welches Markus wie-
der mit seiner bekannten Vorliebe für solche Machtworte
mit den angeblich eigenen Ausdrücken Jesu nach griechi-
scher Übersetzung (σιώπα, πεφίμωσο!) wiedergiebt, der
Erfolg und der Eindruck, könnte in der Sage hinzugefügt
worden sein. Daſs ein solches ἐπιτιμᾷν τῇ ϑαλάσσῃ Jesu
angedichtet werden konnte, dazu lag die Veranlassung im
A. T. Hier wird in poëtischen Darstellungen des Durch-
gangs der Israëliten durch das rothe Meer Jehova als der-
jenige bezeichnet, welcher ἐπετίμησε τῇ ἐρυϑρᾷ ϑαλάσσῃ
(Ps. 106, 9. LXX. vgl. Nahum 1, 4.), daſs sie zurückwei-
chen sollte. Da nun das Werkzeug dieser Zurückweisung
des rothen Meers Moses gewesen war (2 Mos. 14, 16. 21.),
so lag es nahe, seinem groſsen Nachfolger, dem Messias,
eine ähnliche Funktion zuzuschreiben, wie denn wirklich
nach rabbinischen Stellen in der messianischen Zeit ein
ähnliches Austrocknen des Meeres, von Gott — ohne Zwei-
fel durch den Messias — bewirkt, erwartet wurde, wie
einst Moses eines herbeigeführt hatte 4). Daſs Jesu hier
statt des Austrocknens nur ein Stillen des Meers zuge-
schrieben wird, erklärt sich, wenn man den Sturm und
die dabei von Jesu bewiesene Fassung historisch nimmt,
eben aus dem Anknüpfen des Mythischen an diese ge-
schichtliche Grundlage, wo ein Austrocknen des Sees, da
sie ja zu Schiffe waren, nicht an der Stelle gewesen wäre.

Immerhin indeſs ist es ohne sicheres Beispiel, und
auch an sich unwahrscheinlich, daſs auf den Stamm eines
wirklichen Vorfalls ein mythischer Zusaz in der Art ge-
pfropft worden wäre, daſs jener völlig unverändert blieb.
Und Ein Zug ist schon in jenem bisher als historisch vor-
ausgesezten Stücke, welcher, näher angesehen, sich doch
eher dafür giebt, in der Sage gedichtet, als wirklich so
vorgefallen zu sein. Daſs nämlich Jesus vor dem Aus-

4) s. Band 1, S. 73, Anmerk.
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[178/0197] Zweiter Abschnitt. ter folgt, das ἐπιτιμῆν τῇ ϑαλάσσῃ, welches Markus wie- der mit seiner bekannten Vorliebe für solche Machtworte mit den angeblich eigenen Ausdrücken Jesu nach griechi- scher Übersetzung (σιώπα, πεφίμωσο!) wiedergiebt, der Erfolg und der Eindruck, könnte in der Sage hinzugefügt worden sein. Daſs ein solches ἐπιτιμᾷν τῇ ϑαλάσσῃ Jesu angedichtet werden konnte, dazu lag die Veranlassung im A. T. Hier wird in poëtischen Darstellungen des Durch- gangs der Israëliten durch das rothe Meer Jehova als der- jenige bezeichnet, welcher ἐπετίμησε τῇ ἐρυϑρᾷ ϑαλάσσῃ (Ps. 106, 9. LXX. vgl. Nahum 1, 4.), daſs sie zurückwei- chen sollte. Da nun das Werkzeug dieser Zurückweisung des rothen Meers Moses gewesen war (2 Mos. 14, 16. 21.), so lag es nahe, seinem groſsen Nachfolger, dem Messias, eine ähnliche Funktion zuzuschreiben, wie denn wirklich nach rabbinischen Stellen in der messianischen Zeit ein ähnliches Austrocknen des Meeres, von Gott — ohne Zwei- fel durch den Messias — bewirkt, erwartet wurde, wie einst Moses eines herbeigeführt hatte 4). Daſs Jesu hier statt des Austrocknens nur ein Stillen des Meers zuge- schrieben wird, erklärt sich, wenn man den Sturm und die dabei von Jesu bewiesene Fassung historisch nimmt, eben aus dem Anknüpfen des Mythischen an diese ge- schichtliche Grundlage, wo ein Austrocknen des Sees, da sie ja zu Schiffe waren, nicht an der Stelle gewesen wäre. Immerhin indeſs ist es ohne sicheres Beispiel, und auch an sich unwahrscheinlich, daſs auf den Stamm eines wirklichen Vorfalls ein mythischer Zusaz in der Art ge- pfropft worden wäre, daſs jener völlig unverändert blieb. Und Ein Zug ist schon in jenem bisher als historisch vor- ausgesezten Stücke, welcher, näher angesehen, sich doch eher dafür giebt, in der Sage gedichtet, als wirklich so vorgefallen zu sein. Daſs nämlich Jesus vor dem Aus- 4) s. Band 1, S. 73, Anmerk.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/197>, abgerufen am 24.11.2024.