wissen die Lobpreisungen hinnehmen, welche dem Bericht zufolge die zuschauende Menge dieser That wegen ihm als grossem Propheten zollte? Nach Paulus war er selber un- gewiss, wie er den Erfolg anzusehen habe; aber eben wenn er nicht überzeugt war, den Erfolg sich selber zu- schreiben zu dürfen, so erwuchs ihm die Pflicht, alles Lob in Bezug auf denselben abzulehnen, und er kommt, wenn er diess nicht that, in ein zweideutiges Licht, in welchem er nach der übrigen evangelischen Geschichte, sofern sie unbefangen aufgefasst wird, keineswegs steht. Auch hier also müssen wir anerkennen, dass der Evan- gelist uns eine wunderbare Todtenerweckung erzählen will, und dass nach ihm auch Jesus seine That als ein Wunder angesehen haben muss 16).
Je weniger bei der dritten Todtenerweckungsgeschich- te, welche dem johanneischen Evangelium (Kap. 11.) ei- genthümlich ist, weil wir an Lazarus keinen eben Gestor- benen, oder auf dem Weg zum Grabe Befindlichen, son- dern einen schon mehrere Tage Begrabenen vor uns ha- ben, an eine natürliche Erklärung gedacht werden zu kön- nen scheint: desto künstlicher und ausführlicher hat sie sich gerade in Bezug auf diese Erzählung ausgebildet. Und zwar ist hier neben der streng und consequent rationali- stischen Auslegungsweise, welche den evangelischen Be- richt durchaus als geschichtlich festhaltend, alle Theile des- selben natürlich zu deuten sich anheischig macht, auch noch jene andere aufgetreten, welche einzelne Züge des Berichts als solche ausscheidet, die erst nach dem Erfolg hinzugesezt seien, womit also schon ein Schritt in die my- thische Erklärung hinüber gemacht worden ist.
Auf die nämlichen Prämissen wie bei der vorigen Er- zählung gestüzt, dass sowohl an sich als wegen der jüdi- schen Sitten ein Begrabener wohl nach viertägigem Auf-
16) vgl. Schleiermacher, a. a. O. S. 103 f.
Zweiter Abschnitt.
wissen die Lobpreisungen hinnehmen, welche dem Bericht zufolge die zuschauende Menge dieser That wegen ihm als groſsem Propheten zollte? Nach Paulus war er selber un- gewiſs, wie er den Erfolg anzusehen habe; aber eben wenn er nicht überzeugt war, den Erfolg sich selber zu- schreiben zu dürfen, so erwuchs ihm die Pflicht, alles Lob in Bezug auf denselben abzulehnen, und er kommt, wenn er dieſs nicht that, in ein zweideutiges Licht, in welchem er nach der übrigen evangelischen Geschichte, sofern sie unbefangen aufgefaſst wird, keineswegs steht. Auch hier also müssen wir anerkennen, daſs der Evan- gelist uns eine wunderbare Todtenerweckung erzählen will, und daſs nach ihm auch Jesus seine That als ein Wunder angesehen haben muſs 16).
Je weniger bei der dritten Todtenerweckungsgeschich- te, welche dem johanneischen Evangelium (Kap. 11.) ei- genthümlich ist, weil wir an Lazarus keinen eben Gestor- benen, oder auf dem Weg zum Grabe Befindlichen, son- dern einen schon mehrere Tage Begrabenen vor uns ha- ben, an eine natürliche Erklärung gedacht werden zu kön- nen scheint: desto künstlicher und ausführlicher hat sie sich gerade in Bezug auf diese Erzählung ausgebildet. Und zwar ist hier neben der streng und consequent rationali- stischen Auslegungsweise, welche den evangelischen Be- richt durchaus als geschichtlich festhaltend, alle Theile des- selben natürlich zu deuten sich anheischig macht, auch noch jene andere aufgetreten, welche einzelne Züge des Berichts als solche ausscheidet, die erst nach dem Erfolg hinzugesezt seien, womit also schon ein Schritt in die my- thische Erklärung hinüber gemacht worden ist.
Auf die nämlichen Prämissen wie bei der vorigen Er- zählung gestüzt, daſs sowohl an sich als wegen der jüdi- schen Sitten ein Begrabener wohl nach viertägigem Auf-
16) vgl. Schleiermacher, a. a. O. S. 103 f.
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Zweiter Abschnitt.
wissen die Lobpreisungen hinnehmen, welche dem Bericht
zufolge die zuschauende Menge dieser That wegen ihm als
groſsem Propheten zollte? Nach Paulus war er selber un-
gewiſs, wie er den Erfolg anzusehen habe; aber eben
wenn er nicht überzeugt war, den Erfolg sich selber zu-
schreiben zu dürfen, so erwuchs ihm die Pflicht, alles
Lob in Bezug auf denselben abzulehnen, und er kommt,
wenn er dieſs nicht that, in ein zweideutiges Licht, in
welchem er nach der übrigen evangelischen Geschichte,
sofern sie unbefangen aufgefaſst wird, keineswegs steht.
Auch hier also müssen wir anerkennen, daſs der Evan-
gelist uns eine wunderbare Todtenerweckung erzählen
will, und daſs nach ihm auch Jesus seine That als ein
Wunder angesehen haben muſs 16).
Je weniger bei der dritten Todtenerweckungsgeschich-
te, welche dem johanneischen Evangelium (Kap. 11.) ei-
genthümlich ist, weil wir an Lazarus keinen eben Gestor-
benen, oder auf dem Weg zum Grabe Befindlichen, son-
dern einen schon mehrere Tage Begrabenen vor uns ha-
ben, an eine natürliche Erklärung gedacht werden zu kön-
nen scheint: desto künstlicher und ausführlicher hat sie
sich gerade in Bezug auf diese Erzählung ausgebildet. Und
zwar ist hier neben der streng und consequent rationali-
stischen Auslegungsweise, welche den evangelischen Be-
richt durchaus als geschichtlich festhaltend, alle Theile des-
selben natürlich zu deuten sich anheischig macht, auch
noch jene andere aufgetreten, welche einzelne Züge des
Berichts als solche ausscheidet, die erst nach dem Erfolg
hinzugesezt seien, womit also schon ein Schritt in die my-
thische Erklärung hinüber gemacht worden ist.
Auf die nämlichen Prämissen wie bei der vorigen Er-
zählung gestüzt, daſs sowohl an sich als wegen der jüdi-
schen Sitten ein Begrabener wohl nach viertägigem Auf-
16) vgl. Schleiermacher, a. a. O. S. 103 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/161>, abgerufen am 22.11.2024.
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