Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Vorrede. Ischariotismus unsrer Tage. Diese Ausgeburt der le-gitimen Ehe zwischen theologischer Ignoranz und reli- giöser Intoleranz, eingesegnet von einer schlafwan- delnden Philosophie, fällt so sehr durch sich selbst in's Lächerliche, dass sie jedes Wort der Vertheidi- gung überflüssig macht. Ihr Titel überdiess ist mir zu einer fast gar zu stolzen Erinnerung Anlass gewor- den. An Lessing nämlich, den auch einmal Wie- ner Blätter als zweiten Judas Ischariot verklatsch- ten, weil er -- freilich eine noch massivere Beschul- digung, als sie Herr E. gegen mich erhebt -- für die Herausgabe der Fragmente seines Ungenannten von der Amsterdamer Judenschaft sich 1000 Dukaten soll- te haben bezahlen lassen. An ihn hätte mich übri- gens schon Herrn Dr. Steudel's Vorläufig zu Be- herzigendes erinnern können, wenn ich es mit Vor- bildern und Weissagungen leichter nähme, denn auch gegen Lessing war "Etwas Vorläufiges" erschienen vom Hauptpastor Göze, gottseligen Andenkens, was der heitere Mann, der Geschmeidigkeit wegen, lieber das vorläufige Etwas nannte. Und so will ich denn die Vorrede zu diesem zweiten Bande meines Vorrede. Ischariotismus unsrer Tage. Diese Ausgeburt der le-gitimen Ehe zwischen theologischer Ignoranz und reli- giöser Intoleranz, eingesegnet von einer schlafwan- delnden Philosophie, fällt so sehr durch sich selbst in's Lächerliche, dass sie jedes Wort der Vertheidi- gung überflüssig macht. Ihr Titel überdiess ist mir zu einer fast gar zu stolzen Erinnerung Anlass gewor- den. An Lessing nämlich, den auch einmal Wie- ner Blätter als zweiten Judas Ischariot verklatsch- ten, weil er — freilich eine noch massivere Beschul- digung, als sie Herr E. gegen mich erhebt — für die Herausgabe der Fragmente seines Ungenannten von der Amsterdamer Judenschaft sich 1000 Dukaten soll- te haben bezahlen lassen. An ihn hätte mich übri- gens schon Herrn Dr. Steudel's Vorläufig zu Be- herzigendes erinnern können, wenn ich es mit Vor- bildern und Weissagungen leichter nähme, denn auch gegen Lessing war „Etwas Vorläufiges“ erschienen vom Hauptpastor Göze, gottseligen Andenkens, was der heitere Mann, der Geschmeidigkeit wegen, lieber das vorläufige Etwas nannte. Und so will ich denn die Vorrede zu diesem zweiten Bande meines <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="VII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> Ischariotismus unsrer Tage. Diese Ausgeburt der le-<lb/> gitimen Ehe <choice><sic>zwisehen</sic><corr>zwischen</corr></choice> theologischer Ignoranz und reli-<lb/> giöser Intoleranz, eingesegnet von einer schlafwan-<lb/> delnden Philosophie, fällt so sehr durch sich selbst<lb/> in's Lächerliche, dass sie jedes Wort der Vertheidi-<lb/> gung überflüssig macht. Ihr Titel überdiess ist mir<lb/> zu einer fast gar zu stolzen Erinnerung Anlass gewor-<lb/> den. An <hi rendition="#k">Lessing</hi> nämlich, den auch einmal Wie-<lb/> ner Blätter als zweiten Judas Ischariot verklatsch-<lb/> ten, weil er — freilich eine noch massivere Beschul-<lb/> digung, als sie Herr E. gegen mich erhebt — für die<lb/> Herausgabe der Fragmente seines Ungenannten von<lb/> der Amsterdamer Judenschaft sich 1000 Dukaten soll-<lb/> te haben bezahlen lassen. An ihn hätte mich übri-<lb/> gens schon Herrn Dr. <hi rendition="#k">Steudel</hi>'s Vorläufig zu Be-<lb/> herzigendes erinnern können, wenn ich es mit Vor-<lb/> bildern und Weissagungen leichter nähme, denn auch<lb/> gegen <hi rendition="#k">Lessing</hi> war „Etwas Vorläufiges“ erschienen<lb/> vom Hauptpastor <hi rendition="#k">Göze</hi>, gottseligen Andenkens, was<lb/> der heitere Mann, der Geschmeidigkeit wegen,<lb/> lieber das vorläufige Etwas nannte. Und so will ich<lb/> denn die Vorrede zu diesem zweiten Bande meines<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [VII/0014]
Vorrede.
Ischariotismus unsrer Tage. Diese Ausgeburt der le-
gitimen Ehe zwischen theologischer Ignoranz und reli-
giöser Intoleranz, eingesegnet von einer schlafwan-
delnden Philosophie, fällt so sehr durch sich selbst
in's Lächerliche, dass sie jedes Wort der Vertheidi-
gung überflüssig macht. Ihr Titel überdiess ist mir
zu einer fast gar zu stolzen Erinnerung Anlass gewor-
den. An Lessing nämlich, den auch einmal Wie-
ner Blätter als zweiten Judas Ischariot verklatsch-
ten, weil er — freilich eine noch massivere Beschul-
digung, als sie Herr E. gegen mich erhebt — für die
Herausgabe der Fragmente seines Ungenannten von
der Amsterdamer Judenschaft sich 1000 Dukaten soll-
te haben bezahlen lassen. An ihn hätte mich übri-
gens schon Herrn Dr. Steudel's Vorläufig zu Be-
herzigendes erinnern können, wenn ich es mit Vor-
bildern und Weissagungen leichter nähme, denn auch
gegen Lessing war „Etwas Vorläufiges“ erschienen
vom Hauptpastor Göze, gottseligen Andenkens, was
der heitere Mann, der Geschmeidigkeit wegen,
lieber das vorläufige Etwas nannte. Und so will ich
denn die Vorrede zu diesem zweiten Bande meines
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/14 |
Zitationshilfe: | Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/14>, abgerufen am 16.07.2024. |