geklärt haben würden, wenn er nämlich zu dem eipe logo, eni ton matheton sou oder dergleichen etwas gesezt hätte? Vollends aber am Schlusse der Erzählung, wo der Erfolg ge- meldet wird, kommt diese Deutung nicht blos durch das Stillschweigen der Referenten, sondern durch einen positi- ven Zug bei Lukas in die übelste Verlegenheit. Lukas schliesst nämlich mit der Notiz, dass die Freunde des Haupt- manns bei ihrer Rückkehr in dessen Haus den Knecht be- reits gesund gefunden haben. Soll ihn nun Jesus dadurch wiederhergestellt haben, dass er den Abgesandten einen oder mehrere seiner Jünger mitgab, so konnte es mit dem Kranken erst von da an, als die Abgesandten mit den Jüngern im Hause ankamen, allmählig besser werden, nicht aber konnten sie ihn bei ihrer Ankunft schon her- gestellt finden. Paulus freilich sezt voraus, die Abgesandten haben sich bei den Reden Jesu noch etwas verweilt, und so seien die Jünger vor ihnen angekommen: aber wie sich jene so unnöthig haben verweilen mögen, und wie der Evangelist neben der Absendung der Jünger nun auch noch das Zurückbleiben der Abgesandten habe verschwei- gen können, enthält er sich zu erklären. Mag man nun statt dessen als dasjenige, was den Soldaten des Haupt- manns auf Seiten Jesu entspricht, Krankheitsdämonen 13), oder dienstbare Engel 14), oder blos das Wort und die Heilkräfte Jesu 15) denken: jedenfalls bleibt uns eine wunderbare Wirksamkeit in die Ferne.
Diese Art des Wirkens Jesu nun hat nach dem Zuge- ständniss selbst solcher Ausleger, welche sonst das Wun- derbare nicht scheuen, darin etwas besonders Schwieri- ges, dass durch den Mangel der persönlichen Gegenwart Jesu und ihres wohlthätigen Eindrucks auf den Kranken
13) so schon Clem. homil. 9, 21; jezt Fritzsche, in Matth. 313.
14)Wetstein, N. T. 1, p. 349; vgl. Olshausen, 1, S. 269.
15)Köster, Immanuel, S. 195. Anm.
Neuntes Kapitel. §. 94.
geklärt haben würden, wenn er nämlich zu dem εἰπὲ λόγῳ, ἑνὶ τῶν μαϑητῶν σου oder dergleichen etwas gesezt hätte? Vollends aber am Schlusse der Erzählung, wo der Erfolg ge- meldet wird, kommt diese Deutung nicht blos durch das Stillschweigen der Referenten, sondern durch einen positi- ven Zug bei Lukas in die übelste Verlegenheit. Lukas schlieſst nämlich mit der Notiz, daſs die Freunde des Haupt- manns bei ihrer Rückkehr in dessen Haus den Knecht be- reits gesund gefunden haben. Soll ihn nun Jesus dadurch wiederhergestellt haben, daſs er den Abgesandten einen oder mehrere seiner Jünger mitgab, so konnte es mit dem Kranken erst von da an, als die Abgesandten mit den Jüngern im Hause ankamen, allmählig besser werden, nicht aber konnten sie ihn bei ihrer Ankunft schon her- gestellt finden. Paulus freilich sezt voraus, die Abgesandten haben sich bei den Reden Jesu noch etwas verweilt, und so seien die Jünger vor ihnen angekommen: aber wie sich jene so unnöthig haben verweilen mögen, und wie der Evangelist neben der Absendung der Jünger nun auch noch das Zurückbleiben der Abgesandten habe verschwei- gen können, enthält er sich zu erklären. Mag man nun statt dessen als dasjenige, was den Soldaten des Haupt- manns auf Seiten Jesu entspricht, Krankheitsdämonen 13), oder dienstbare Engel 14), oder blos das Wort und die Heilkräfte Jesu 15) denken: jedenfalls bleibt uns eine wunderbare Wirksamkeit in die Ferne.
Diese Art des Wirkens Jesu nun hat nach dem Zuge- ständniſs selbst solcher Ausleger, welche sonst das Wun- derbare nicht scheuen, darin etwas besonders Schwieri- ges, daſs durch den Mangel der persönlichen Gegenwart Jesu und ihres wohlthätigen Eindrucks auf den Kranken
13) so schon Clem. homil. 9, 21; jezt Fritzsche, in Matth. 313.
14)Wetstein, N. T. 1, p. 349; vgl. Olshausen, 1, S. 269.
15)Köster, Immanuel, S. 195. Anm.
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Neuntes Kapitel. §. 94.
geklärt haben würden, wenn er nämlich zu dem εἰπὲ λόγῳ,
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Vollends aber am Schlusse der Erzählung, wo der Erfolg ge-
meldet wird, kommt diese Deutung nicht blos durch das
Stillschweigen der Referenten, sondern durch einen positi-
ven Zug bei Lukas in die übelste Verlegenheit. Lukas
schlieſst nämlich mit der Notiz, daſs die Freunde des Haupt-
manns bei ihrer Rückkehr in dessen Haus den Knecht be-
reits gesund gefunden haben. Soll ihn nun Jesus dadurch
wiederhergestellt haben, daſs er den Abgesandten einen
oder mehrere seiner Jünger mitgab, so konnte es mit dem
Kranken erst von da an, als die Abgesandten mit den
Jüngern im Hause ankamen, allmählig besser werden,
nicht aber konnten sie ihn bei ihrer Ankunft schon her-
gestellt finden. Paulus freilich sezt voraus, die Abgesandten
haben sich bei den Reden Jesu noch etwas verweilt, und so
seien die Jünger vor ihnen angekommen: aber wie sich
jene so unnöthig haben verweilen mögen, und wie der
Evangelist neben der Absendung der Jünger nun auch
noch das Zurückbleiben der Abgesandten habe verschwei-
gen können, enthält er sich zu erklären. Mag man nun
statt dessen als dasjenige, was den Soldaten des Haupt-
manns auf Seiten Jesu entspricht, Krankheitsdämonen 13),
oder dienstbare Engel 14), oder blos das Wort und die
Heilkräfte Jesu 15) denken: jedenfalls bleibt uns eine
wunderbare Wirksamkeit in die Ferne.
Diese Art des Wirkens Jesu nun hat nach dem Zuge-
ständniſs selbst solcher Ausleger, welche sonst das Wun-
derbare nicht scheuen, darin etwas besonders Schwieri-
ges, daſs durch den Mangel der persönlichen Gegenwart
Jesu und ihres wohlthätigen Eindrucks auf den Kranken
13) so schon Clem. homil. 9, 21; jezt Fritzsche, in Matth. 313.
14) Wetstein, N. T. 1, p. 349; vgl. Olshausen, 1, S. 269.
15) Köster, Immanuel, S. 195. Anm.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/138>, abgerufen am 22.07.2024.
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