auch Olshausen räumt ein, dass die Zerstörung der oberen, mit Ziegeln bedeckten Fläche etwas Abenteuerliches ha- be 11). Diesem auszuweichen nehmen manche Erklärer an, Jesus habe entweder im inneren Hofe 12), oder vor dem Hause 13) unter freiem Himmel gelehrt, und die Träger ha- ben nur von der Brustwehr des Daches ein Stück heraus- gebrochen, um den Kranken bequemer herunterlassen zu können. Allein sowohl die Bezeichnung: dia ton keramon bei Lukas, als die Ausdrücke des Markus machen diese Auffassung unmöglich, indem hier weder sege Brustwehr des Dachs, noch aposegazo das Durchbrechen von dieser, exorutto aber doch nur das Aufgraben eines Loches be- deuten kann. Bleibt hiemit das Aufbrechen des oberen Dachbodens, so wird diess auch noch desswegen unwahr- scheinlich, weil es bei der in jedem Dache befindlichen Thüre völlig überflüssig war. Daher hat man sich durch die Annahme zu helfen gesucht, dass die Träger zwar die im Dache schon vorher befindliche Thüre benüzt, diese aber, weil sie für die Lagerstatt des Kranken zu eng ge- wesen, durch Wegbrechen der umgebenden Ziegellagen er- weitert haben 14); allein auch hiebei bleibt das Gefährli- che, und die Worte lauten von einer eigens gemachten, nicht blos erweiterten Öffnung im Dache.
So gefährlich und überflüssig aber ein solches Begin- nen in der Wirklichkeit war, so leicht lässt sich erklären, wie Markus, in weiterer Ausmalung des Berichtes von Lukas begriffen, auf diesen Zug verfallen konnte. Lukas hatte gesagt, man habe den Kranken hinabgelassen, so dass er emprosthen touIesou herunterkam. Wie konnten die Leute ge-
11) 1, S. 310 f.
12)Köster, Immanuel, S. 166. Anm. 66.
13) So scheint es Paulus zu meinen, L. J. 1, a. S. 238. Anders ex. Handb. 1, b, S. 505.
14) So Lightfoot, Ruinöl, Olshausen z. d. St.
Neuntes Kapitel. §. 92.
auch Olshausen räumt ein, daſs die Zerstörung der oberen, mit Ziegeln bedeckten Fläche etwas Abenteuerliches ha- be 11). Diesem auszuweichen nehmen manche Erklärer an, Jesus habe entweder im inneren Hofe 12), oder vor dem Hause 13) unter freiem Himmel gelehrt, und die Träger ha- ben nur von der Brustwehr des Daches ein Stück heraus- gebrochen, um den Kranken bequemer herunterlassen zu können. Allein sowohl die Bezeichnung: διὰ τῶν κεράμων bei Lukas, als die Ausdrücke des Markus machen diese Auffassung unmöglich, indem hier weder ςέγη Brustwehr des Dachs, noch ἀποςεγάζω das Durchbrechen von dieser, ἐξορύττω aber doch nur das Aufgraben eines Loches be- deuten kann. Bleibt hiemit das Aufbrechen des oberen Dachbodens, so wird dieſs auch noch deſswegen unwahr- scheinlich, weil es bei der in jedem Dache befindlichen Thüre völlig überflüssig war. Daher hat man sich durch die Annahme zu helfen gesucht, daſs die Träger zwar die im Dache schon vorher befindliche Thüre benüzt, diese aber, weil sie für die Lagerstatt des Kranken zu eng ge- wesen, durch Wegbrechen der umgebenden Ziegellagen er- weitert haben 14); allein auch hiebei bleibt das Gefährli- che, und die Worte lauten von einer eigens gemachten, nicht blos erweiterten Öffnung im Dache.
So gefährlich und überflüssig aber ein solches Begin- nen in der Wirklichkeit war, so leicht läſst sich erklären, wie Markus, in weiterer Ausmalung des Berichtes von Lukas begriffen, auf diesen Zug verfallen konnte. Lukas hatte gesagt, man habe den Kranken hinabgelassen, so daſs er ἔμπροσϑεν τοῦἸησοῦ herunterkam. Wie konnten die Leute ge-
11) 1, S. 310 f.
12)Köster, Immanuel, S. 166. Anm. 66.
13) So scheint es Paulus zu meinen, L. J. 1, a. S. 238. Anders ex. Handb. 1, b, S. 505.
14) So Lightfoot, Ruinöl, Olshausen z. d. St.
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[91/0110]
Neuntes Kapitel. §. 92.
auch Olshausen räumt ein, daſs die Zerstörung der oberen,
mit Ziegeln bedeckten Fläche etwas Abenteuerliches ha-
be 11). Diesem auszuweichen nehmen manche Erklärer an,
Jesus habe entweder im inneren Hofe 12), oder vor dem
Hause 13) unter freiem Himmel gelehrt, und die Träger ha-
ben nur von der Brustwehr des Daches ein Stück heraus-
gebrochen, um den Kranken bequemer herunterlassen zu
können. Allein sowohl die Bezeichnung: διὰ τῶν κεράμων
bei Lukas, als die Ausdrücke des Markus machen diese
Auffassung unmöglich, indem hier weder ςέγη Brustwehr
des Dachs, noch ἀποςεγάζω das Durchbrechen von dieser,
ἐξορύττω aber doch nur das Aufgraben eines Loches be-
deuten kann. Bleibt hiemit das Aufbrechen des oberen
Dachbodens, so wird dieſs auch noch deſswegen unwahr-
scheinlich, weil es bei der in jedem Dache befindlichen
Thüre völlig überflüssig war. Daher hat man sich durch
die Annahme zu helfen gesucht, daſs die Träger zwar die
im Dache schon vorher befindliche Thüre benüzt, diese
aber, weil sie für die Lagerstatt des Kranken zu eng ge-
wesen, durch Wegbrechen der umgebenden Ziegellagen er-
weitert haben 14); allein auch hiebei bleibt das Gefährli-
che, und die Worte lauten von einer eigens gemachten,
nicht blos erweiterten Öffnung im Dache.
So gefährlich und überflüssig aber ein solches Begin-
nen in der Wirklichkeit war, so leicht läſst sich erklären,
wie Markus, in weiterer Ausmalung des Berichtes von
Lukas begriffen, auf diesen Zug verfallen konnte. Lukas
hatte gesagt, man habe den Kranken hinabgelassen, so daſs er
ἔμπροσϑεν τοῦἸησοῦ herunterkam. Wie konnten die Leute ge-
11) 1, S. 310 f.
12) Köster, Immanuel, S. 166. Anm. 66.
13) So scheint es Paulus zu meinen, L. J. 1, a. S. 238. Anders
ex. Handb. 1, b, S. 505.
14) So Lightfoot, Ruinöl, Olshausen z. d. St.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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