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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
dessen verwandtem Hause die geschäftige Martha es sich
nicht habe nehmen lassen, für Küche und Keller zu sor-
gen 15). Hiegegen indess ist mit Recht bemerkt worden,
dass in einem fremden, wenn auch verwandten Hause
Martha schwerlich aufgewartet haben würde, dass also
durch diesen Zug Martha, und sofern von einem Gemahl
derselben nichts bekannt ist, ihr Bruder, als Geber des
Mahls bezeichnet seien, welcher leztere nur desswegen als
anakeimenos aufgeführt werde, um die Realität seiner Wie-
derbelebung durch Jesum in volles Licht zu setzen 16)
Wir haben also hier einen zweiten Widerspruch anzu-
erkennen.

Die Abweichung in Bezug auf die Art der Salbung,
welche den zwei ersten Evangelisten zufolge das Haupt,
nach dem vierten die Füsse Jesu betraf, hat man nach
der älteren trivialen Ausgleichung, dass vielleicht beides
der Fall gewesen sei, neuestens durch die Annahme bei-
zulegen versucht, dass Maria zwar wirklich nur die Ab-
sicht gehabt haben soll, Jesu die Füsse zu salben (Johan-
nes), dass aber, da sie zufällig das Gefäss zerbrach (sun-
tripsasa, Mark.), auch das Haupt Jesu mit Salbe über-
gossen worden sei (Matth.) 17); eine Ausgleichung, wel-

15) 3. Band, S. 547; ebenso Olshausen, a. a. O.
16) Lücke, 2, S. 417; Tholuck, S. 220.
17) Schneckenbuager, über den Ursprung u. s. f. S. 60. So wenig übri-
gens in der Darstellung bei Markus eine Spur ist, dass das
suntripsasa to alabasron ein unabsichtliches Zerbrechen be-
zeichne, so wenig kann es doch mit Paulus (ex. Handb. 3, b, S.
471.) und Fritzsche (in Marc. p. 602.) ohne die härteste Ellipse
von dem blossen Aufbrechen des Verschlusses der Mündung
verstanden werden, sondern es kann, ungezwungen erklärt,
nur ein Zerbrechen des Gefässes selbst bedeuten. Fragt man
hiegegen mit Paulus: wozu das (kostbare) Gefäss verder-
ben? oder mit Fritzsche: wozu eine Verletzung der eige-
nen Hand und vielleicht auch des Hauptes Jesu riskiren? so

Zweiter Abschnitt.
dessen verwandtem Hause die geschäftige Martha es sich
nicht habe nehmen lassen, für Küche und Keller zu sor-
gen 15). Hiegegen indeſs ist mit Recht bemerkt worden,
daſs in einem fremden, wenn auch verwandten Hause
Martha schwerlich aufgewartet haben würde, daſs also
durch diesen Zug Martha, und sofern von einem Gemahl
derselben nichts bekannt ist, ihr Bruder, als Geber des
Mahls bezeichnet seien, welcher leztere nur deſswegen als
ἀνακείμενος aufgeführt werde, um die Realität seiner Wie-
derbelebung durch Jesum in volles Licht zu setzen 16)
Wir haben also hier einen zweiten Widerspruch anzu-
erkennen.

Die Abweichung in Bezug auf die Art der Salbung,
welche den zwei ersten Evangelisten zufolge das Haupt,
nach dem vierten die Füſse Jesu betraf, hat man nach
der älteren trivialen Ausgleichung, daſs vielleicht beides
der Fall gewesen sei, neuestens durch die Annahme bei-
zulegen versucht, daſs Maria zwar wirklich nur die Ab-
sicht gehabt haben soll, Jesu die Füſse zu salben (Johan-
nes), daſs aber, da sie zufällig das Gefäſs zerbrach (συν-
τρίψασα, Mark.), auch das Haupt Jesu mit Salbe über-
gossen worden sei (Matth.) 17); eine Ausgleichung, wel-

15) 3. Band, S. 547; ebenso Olshausen, a. a. O.
16) Lücke, 2, S. 417; Tholuck, S. 220.
17) Schneckenbuager, über den Ursprung u. s. f. S. 60. So wenig übri-
gens in der Darstellung bei Markus eine Spur ist, dass das
συντρίψασα τὸ ἀλάβαςρον ein unabsichtliches Zerbrechen be-
zeichne, so wenig kann es doch mit Paulus (ex. Handb. 3, b, S.
471.) und Fritzsche (in Marc. p. 602.) ohne die härteste Ellipse
von dem blossen Aufbrechen des Verschlusses der Mündung
verstanden werden, sondern es kann, ungezwungen erklärt,
nur ein Zerbrechen des Gefässes selbst bedeuten. Fragt man
hiegegen mit Paulus: wozu das (kostbare) Gefäss verder-
ben? oder mit Fritzsche: wozu eine Verletzung der eige-
nen Hand und vielleicht auch des Hauptes Jesu riskiren? so
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[716/0740] Zweiter Abschnitt. dessen verwandtem Hause die geschäftige Martha es sich nicht habe nehmen lassen, für Küche und Keller zu sor- gen 15). Hiegegen indeſs ist mit Recht bemerkt worden, daſs in einem fremden, wenn auch verwandten Hause Martha schwerlich aufgewartet haben würde, daſs also durch diesen Zug Martha, und sofern von einem Gemahl derselben nichts bekannt ist, ihr Bruder, als Geber des Mahls bezeichnet seien, welcher leztere nur deſswegen als ἀνακείμενος aufgeführt werde, um die Realität seiner Wie- derbelebung durch Jesum in volles Licht zu setzen 16) Wir haben also hier einen zweiten Widerspruch anzu- erkennen. Die Abweichung in Bezug auf die Art der Salbung, welche den zwei ersten Evangelisten zufolge das Haupt, nach dem vierten die Füſse Jesu betraf, hat man nach der älteren trivialen Ausgleichung, daſs vielleicht beides der Fall gewesen sei, neuestens durch die Annahme bei- zulegen versucht, daſs Maria zwar wirklich nur die Ab- sicht gehabt haben soll, Jesu die Füſse zu salben (Johan- nes), daſs aber, da sie zufällig das Gefäſs zerbrach (συν- τρίψασα, Mark.), auch das Haupt Jesu mit Salbe über- gossen worden sei (Matth.) 17); eine Ausgleichung, wel- 15) 3. Band, S. 547; ebenso Olshausen, a. a. O. 16) Lücke, 2, S. 417; Tholuck, S. 220. 17) Schneckenbuager, über den Ursprung u. s. f. S. 60. So wenig übri- gens in der Darstellung bei Markus eine Spur ist, dass das συντρίψασα τὸ ἀλάβαςρον ein unabsichtliches Zerbrechen be- zeichne, so wenig kann es doch mit Paulus (ex. Handb. 3, b, S. 471.) und Fritzsche (in Marc. p. 602.) ohne die härteste Ellipse von dem blossen Aufbrechen des Verschlusses der Mündung verstanden werden, sondern es kann, ungezwungen erklärt, nur ein Zerbrechen des Gefässes selbst bedeuten. Fragt man hiegegen mit Paulus: wozu das (kostbare) Gefäss verder- ben? oder mit Fritzsche: wozu eine Verletzung der eige- nen Hand und vielleicht auch des Hauptes Jesu riskiren? so

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/740>, abgerufen am 25.11.2024.