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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Achtes Kapitel. §. 85.
als Tadler der Salbung nicht den Judas, sondern die
Jünger oder die Umstehenden überhaupt nennen, da sie
doch, wenn sie die Scene bei der Salbung lediglich als
Motiv der Verrätherei des Judas hier nachholten, diesen
namentlich hervorheben mussten 11). Folglich bleibt hier
ein chronologischer Widerspruch zwischen den beiden er-
sten Synoptikern und Johannes, welchen auch Olshausen
anerkennt 12).

Der weiteren Differenz, rücksichtlich der Person des
Gastgebers, hat man auf verschiedene Weise auszuwei-
chen gesucht. Da Matthäus und Markus nur von der
oikia Simonos tou leprou sprechen, so haben Einige den
Hauseigenthümer Simon von dem Gastgeber, welcher ohne
Zweifel Lazarus gewesen sei, unterschieden, und ange-
nommen, dass nun beiderseits ohne Irrthum der vierte
Evangelist diesen, die zwei ersten jenen namhaft ma-
chen 13). Allein wer bezeichnet denn ein Gastmahl durch
den Namen des Hauseigenthümers, wenn dieser nicht ir-
gendwie zugleich der Gastgeber ist? Weil übrigens Johannes
den Lazarus nicht ausdrücklich als den Wirth, sondern als
einen der sunanakeimenon bezeichnet, und, dass er zugleich
der Gastgeber gewesen, lediglich daraus geschlossen wird,
dass seine Schwester, Martha, diekonei: so haben Andre
den Simon als den entweder wegen Aussatzes abgeson-
derten, oder bereits verstorbenen Gatten der Martha be-
trachtet, bei welcher sich damals auch ihr Bruder Laza-
rus aufgehalten habe 14). Doch dieses Verhältniss ist so
rein fingirt, dass selbst der Verfasser der natürlichen Ge-
schichte es nicht hat aufnehmen mögen, sondern lieber
den Simon zum reichen Vetter des Lazarus macht, in

11) Sieffert, über den Ursprung, S. 125 f.
12) bibl. Comm. 2, S. 277.
13) s. bei Kuinöl, a. a. O. S. 688, auch Tholuck, S. 219.
14) Paulus, ex. Handb. 2, S. 582. 3, b, S. 466.

Achtes Kapitel. §. 85.
als Tadler der Salbung nicht den Judas, sondern die
Jünger oder die Umstehenden überhaupt nennen, da sie
doch, wenn sie die Scene bei der Salbung lediglich als
Motiv der Verrätherei des Judas hier nachholten, diesen
namentlich hervorheben muſsten 11). Folglich bleibt hier
ein chronologischer Widerspruch zwischen den beiden er-
sten Synoptikern und Johannes, welchen auch Olshausen
anerkennt 12).

Der weiteren Differenz, rücksichtlich der Person des
Gastgebers, hat man auf verschiedene Weise auszuwei-
chen gesucht. Da Matthäus und Markus nur von der
οἰκία Σίμωνος τοῦ λεπροῦ sprechen, so haben Einige den
Hauseigenthümer Simon von dem Gastgeber, welcher ohne
Zweifel Lazarus gewesen sei, unterschieden, und ange-
nommen, daſs nun beiderseits ohne Irrthum der vierte
Evangelist diesen, die zwei ersten jenen namhaft ma-
chen 13). Allein wer bezeichnet denn ein Gastmahl durch
den Namen des Hauseigenthümers, wenn dieser nicht ir-
gendwie zugleich der Gastgeber ist? Weil übrigens Johannes
den Lazarus nicht ausdrücklich als den Wirth, sondern als
einen der συνανακειμένων bezeichnet, und, daſs er zugleich
der Gastgeber gewesen, lediglich daraus geschlossen wird,
daſs seine Schwester, Martha, διηκονει: so haben Andre
den Simon als den entweder wegen Aussatzes abgeson-
derten, oder bereits verstorbenen Gatten der Martha be-
trachtet, bei welcher sich damals auch ihr Bruder Laza-
rus aufgehalten habe 14). Doch dieses Verhältniſs ist so
rein fingirt, daſs selbst der Verfasser der natürlichen Ge-
schichte es nicht hat aufnehmen mögen, sondern lieber
den Simon zum reichen Vetter des Lazarus macht, in

11) Sieffert, über den Ursprung, S. 125 f.
12) bibl. Comm. 2, S. 277.
13) s. bei Kuinöl, a. a. O. S. 688, auch Tholuck, S. 219.
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[715/0739] Achtes Kapitel. §. 85. als Tadler der Salbung nicht den Judas, sondern die Jünger oder die Umstehenden überhaupt nennen, da sie doch, wenn sie die Scene bei der Salbung lediglich als Motiv der Verrätherei des Judas hier nachholten, diesen namentlich hervorheben muſsten 11). Folglich bleibt hier ein chronologischer Widerspruch zwischen den beiden er- sten Synoptikern und Johannes, welchen auch Olshausen anerkennt 12). Der weiteren Differenz, rücksichtlich der Person des Gastgebers, hat man auf verschiedene Weise auszuwei- chen gesucht. Da Matthäus und Markus nur von der οἰκία Σίμωνος τοῦ λεπροῦ sprechen, so haben Einige den Hauseigenthümer Simon von dem Gastgeber, welcher ohne Zweifel Lazarus gewesen sei, unterschieden, und ange- nommen, daſs nun beiderseits ohne Irrthum der vierte Evangelist diesen, die zwei ersten jenen namhaft ma- chen 13). Allein wer bezeichnet denn ein Gastmahl durch den Namen des Hauseigenthümers, wenn dieser nicht ir- gendwie zugleich der Gastgeber ist? Weil übrigens Johannes den Lazarus nicht ausdrücklich als den Wirth, sondern als einen der συνανακειμένων bezeichnet, und, daſs er zugleich der Gastgeber gewesen, lediglich daraus geschlossen wird, daſs seine Schwester, Martha, διηκονει: so haben Andre den Simon als den entweder wegen Aussatzes abgeson- derten, oder bereits verstorbenen Gatten der Martha be- trachtet, bei welcher sich damals auch ihr Bruder Laza- rus aufgehalten habe 14). Doch dieses Verhältniſs ist so rein fingirt, daſs selbst der Verfasser der natürlichen Ge- schichte es nicht hat aufnehmen mögen, sondern lieber den Simon zum reichen Vetter des Lazarus macht, in 11) Sieffert, über den Ursprung, S. 125 f. 12) bibl. Comm. 2, S. 277. 13) s. bei Kuinöl, a. a. O. S. 688, auch Tholuck, S. 219. 14) Paulus, ex. Handb. 2, S. 582. 3, b, S. 466.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/739>, abgerufen am 25.11.2024.