Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. war das Herkommen), endlich auf den unwiderstehlichenEindruck von Jesu Persönlichkeit 17) (auf Wucherer und Viehhändler, auf Thiermenschen, wie sie Paulus nennt?), sagen, was man will: von einem einzelnen Manne hätte sich diese Überzahl, welche des Schutzes der Priesterschaft gewiss sein konnte, nicht ohne Weiteres aus dem Tempel werfen lassen. Daher nimmt nun Paulus an, dass mit Je- su eine grosse Zahl Andrer, welche gleichfalls durch den Marktunfug sich gestört fanden, gemeinschaftliche Sache gemacht, und ihren vereinigten Kräften die Käufer und Verkäufer haben weichen müssen 18). Allein dadurch wird die Sache erst vollends misslich. Denn nun wird, was Je- sus veranlasst, ein offener Tumult, und man begreift we- der, wie man diess mit seiner sonstigen Abneigung gegen alles Revolutionäre vereinigen, noch auch, wie man sich erklären soll, dass die Feinde Jesu es nicht zur Anklage gegen ihn benüzt haben. Denn dass sie im Gewissen sollten gehalten gewesen sein, ihm hierin Recht zu geben, ist um so weniger anzunehmen, da, einer rabbinischen Nachricht zufolge 19), die Juden an einem solchen Markt im Vorhof der Heiden (und dieser ist doch unter dem ieron nur zu verstehen 20)) so wenig Anstoss genommen zu haben schei- nen, dass ihnen das Fehlen desselben als eine traurige Ver- ödung des Tempels erschien. Diesemnach ist es nicht zu verwundern, dass Origenes den historischen Werth dieser Erzählung durch ein e[i]ge kai aute gegenetai in Zweifel zieht, und höchstens zugiebt, dass der Evangelist, um ei- nen Gedanken allegorisch darzustellen, kai gegenemeno sun- ekhresato pragmati 21). 17) Olshausen, 1, S. 785. 18) Comm. 4, S. 164. 19) Hieros. Jom tobh f. 61, 3, bei Lightfoot, S. 411. 20) Lüche, Comm. 1, S. 410. 21) a. a. O. Vgl. auch Woolston, Disc. 1.
Zweiter Abschnitt. war das Herkommen), endlich auf den unwiderstehlichenEindruck von Jesu Persönlichkeit 17) (auf Wucherer und Viehhändler, auf Thiermenschen, wie sie Paulus nennt?), sagen, was man will: von einem einzelnen Manne hätte sich diese Überzahl, welche des Schutzes der Priesterschaft gewiſs sein konnte, nicht ohne Weiteres aus dem Tempel werfen lassen. Daher nimmt nun Paulus an, daſs mit Je- su eine groſse Zahl Andrer, welche gleichfalls durch den Marktunfug sich gestört fanden, gemeinschaftliche Sache gemacht, und ihren vereinigten Kräften die Käufer und Verkäufer haben weichen müssen 18). Allein dadurch wird die Sache erst vollends miſslich. Denn nun wird, was Je- sus veranlaſst, ein offener Tumult, und man begreift we- der, wie man dieſs mit seiner sonstigen Abneigung gegen alles Revolutionäre vereinigen, noch auch, wie man sich erklären soll, daſs die Feinde Jesu es nicht zur Anklage gegen ihn benüzt haben. Denn daſs sie im Gewissen sollten gehalten gewesen sein, ihm hierin Recht zu geben, ist um so weniger anzunehmen, da, einer rabbinischen Nachricht zufolge 19), die Juden an einem solchen Markt im Vorhof der Heiden (und dieser ist doch unter dem ἱερὸν nur zu verstehen 20)) so wenig Anstoſs genommen zu haben schei- nen, daſs ihnen das Fehlen desselben als eine traurige Ver- ödung des Tempels erschien. Diesemnach ist es nicht zu verwundern, daſs Origenes den historischen Werth dieser Erzählung durch ein ε[ἵ]γε καὶ αὐτὴ γεγένηται in Zweifel zieht, und höchstens zugiebt, daſs der Evangelist, um ei- nen Gedanken allegorisch darzustellen, καὶ γεγενημένῳ συν- εχρήσατο πράγματι 21). 17) Olshausen, 1, S. 785. 18) Comm. 4, S. 164. 19) Hieros. Jom tobh f. 61, 3, bei Lightfoot, S. 411. 20) Lüche, Comm. 1, S. 410. 21) a. a. O. Vgl. auch Woolston, Disc. 1.
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Zweiter Abschnitt.
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Eindruck von Jesu Persönlichkeit 17) (auf Wucherer und
Viehhändler, auf Thiermenschen, wie sie Paulus nennt?),
sagen, was man will: von einem einzelnen Manne hätte
sich diese Überzahl, welche des Schutzes der Priesterschaft
gewiſs sein konnte, nicht ohne Weiteres aus dem Tempel
werfen lassen. Daher nimmt nun Paulus an, daſs mit Je-
su eine groſse Zahl Andrer, welche gleichfalls durch den
Marktunfug sich gestört fanden, gemeinschaftliche Sache
gemacht, und ihren vereinigten Kräften die Käufer und
Verkäufer haben weichen müssen 18). Allein dadurch wird
die Sache erst vollends miſslich. Denn nun wird, was Je-
sus veranlaſst, ein offener Tumult, und man begreift we-
der, wie man dieſs mit seiner sonstigen Abneigung gegen
alles Revolutionäre vereinigen, noch auch, wie man sich
erklären soll, daſs die Feinde Jesu es nicht zur Anklage
gegen ihn benüzt haben. Denn daſs sie im Gewissen sollten
gehalten gewesen sein, ihm hierin Recht zu geben, ist um
so weniger anzunehmen, da, einer rabbinischen Nachricht
zufolge 19), die Juden an einem solchen Markt im Vorhof
der Heiden (und dieser ist doch unter dem ἱερὸν nur zu
verstehen 20)) so wenig Anstoſs genommen zu haben schei-
nen, daſs ihnen das Fehlen desselben als eine traurige Ver-
ödung des Tempels erschien. Diesemnach ist es nicht zu
verwundern, daſs Origenes den historischen Werth dieser
Erzählung durch ein εἵγε καὶ αὐτὴ γεγένηται in Zweifel
zieht, und höchstens zugiebt, daſs der Evangelist, um ei-
nen Gedanken allegorisch darzustellen, καὶ γεγενημένῳ συν-
εχρήσατο πράγματι 21).
17) Olshausen, 1, S. 785.
18) Comm. 4, S. 164.
19) Hieros. Jom tobh f. 61, 3, bei Lightfoot, S. 411.
20) Lüche, Comm. 1, S. 410.
21) a. a. O. Vgl. auch Woolston, Disc. 1.
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