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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Achtes Kapitel. §. 84.
an noch weit mehr auf gütliche Weise mit seinen Volks-
genossen zusammen, wesswegen kaum zu glauben ist, dass
er gleich Anfangs, ohne in Güte einen Versuch zu machen,
so kriegerisch aufgetreten sein sollte. In die lezte Woche
seines Lebens hingegen passt ein solcher Auftritt vollkom-
men. Damals, nach seinem messianischen Einzug in Jeru-
salem, legte er es absichtlich darauf an, durch Alles, was
er that und sprach, dem Widerspruch seiner Feinde zum
Troz, sich als den Messias zu geben; damals stand Alles
schon so auf der Spitze, dass durch einen solchen Schritt
nichts mehr zu verlieren war.

Was die Begebenheit an sich betrifft, so hat schon
Origenes unglaublich gefunden, dass dem einzelnen Manne
von noch immer sehr bestrittenem Ansehen eine solche
Menge von Menschen so ohne Widerstand sollte gewichen
sein, wobei er sich nur dadurch zu helfen wusste, dass er
sich auf die höhere Macht Jesu berief, vermöge deren er
den Grimm seiner Gegner plözlich zu dämpfen oder doch
unschädlich zu machen im Stande gewesen sei, wesswegen
denn Origenes diese Austreibung den grössten Wundern
Jesu an die Seite sezt 13). Wenn neuere Ausleger das
Wunder ablehnen 14), so hat doch nur Paulus die Bemer-
kung des Origenes gehörig erwogen, dass einer einzelnen
Person nach dem gewöhnlichen Gang solcher Dinge die
Menge sich entgegengesezt haben würde. Man mag von
der Überraschung durch das Plözliche des Auftretens Je-
su 15) (wenn er nach Johannes vorher eine Geissel aus Stri-
cken sich zurecht machte, brauchte er schon einige Zeit zur
Vorbereitung), auf die Gewalt des auf seiner Seite stehen-
den Rechts 16) (aber auf der Seite derer, die er angriff,

13) Comm. in Joh. Tom. 10, 16. p. 321 f. ed. Lommatzsch.
14) Lücke, z. d. St.
15) Lücke, S. 413.
16) Ders. ebend. und Tholuck, S. 70.
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Achtes Kapitel. §. 84.
an noch weit mehr auf gütliche Weise mit seinen Volks-
genossen zusammen, weſswegen kaum zu glauben ist, daſs
er gleich Anfangs, ohne in Güte einen Versuch zu machen,
so kriegerisch aufgetreten sein sollte. In die lezte Woche
seines Lebens hingegen passt ein solcher Auftritt vollkom-
men. Damals, nach seinem messianischen Einzug in Jeru-
salem, legte er es absichtlich darauf an, durch Alles, was
er that und sprach, dem Widerspruch seiner Feinde zum
Troz, sich als den Messias zu geben; damals stand Alles
schon so auf der Spitze, daſs durch einen solchen Schritt
nichts mehr zu verlieren war.

Was die Begebenheit an sich betrifft, so hat schon
Origenes unglaublich gefunden, daſs dem einzelnen Manne
von noch immer sehr bestrittenem Ansehen eine solche
Menge von Menschen so ohne Widerstand sollte gewichen
sein, wobei er sich nur dadurch zu helfen wuſste, daſs er
sich auf die höhere Macht Jesu berief, vermöge deren er
den Grimm seiner Gegner plözlich zu dämpfen oder doch
unschädlich zu machen im Stande gewesen sei, weſswegen
denn Origenes diese Austreibung den gröſsten Wundern
Jesu an die Seite sezt 13). Wenn neuere Ausleger das
Wunder ablehnen 14), so hat doch nur Paulus die Bemer-
kung des Origenes gehörig erwogen, daſs einer einzelnen
Person nach dem gewöhnlichen Gang solcher Dinge die
Menge sich entgegengesezt haben würde. Man mag von
der Überraschung durch das Plözliche des Auftretens Je-
su 15) (wenn er nach Johannes vorher eine Geiſsel aus Stri-
cken sich zurecht machte, brauchte er schon einige Zeit zur
Vorbereitung), auf die Gewalt des auf seiner Seite stehen-
den Rechts 16) (aber auf der Seite derer, die er angriff,

13) Comm. in Joh. Tom. 10, 16. p. 321 f. ed. Lommatzsch.
14) Lücke, z. d. St.
15) Lücke, S. 413.
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[707/0731] Achtes Kapitel. §. 84. an noch weit mehr auf gütliche Weise mit seinen Volks- genossen zusammen, weſswegen kaum zu glauben ist, daſs er gleich Anfangs, ohne in Güte einen Versuch zu machen, so kriegerisch aufgetreten sein sollte. In die lezte Woche seines Lebens hingegen passt ein solcher Auftritt vollkom- men. Damals, nach seinem messianischen Einzug in Jeru- salem, legte er es absichtlich darauf an, durch Alles, was er that und sprach, dem Widerspruch seiner Feinde zum Troz, sich als den Messias zu geben; damals stand Alles schon so auf der Spitze, daſs durch einen solchen Schritt nichts mehr zu verlieren war. Was die Begebenheit an sich betrifft, so hat schon Origenes unglaublich gefunden, daſs dem einzelnen Manne von noch immer sehr bestrittenem Ansehen eine solche Menge von Menschen so ohne Widerstand sollte gewichen sein, wobei er sich nur dadurch zu helfen wuſste, daſs er sich auf die höhere Macht Jesu berief, vermöge deren er den Grimm seiner Gegner plözlich zu dämpfen oder doch unschädlich zu machen im Stande gewesen sei, weſswegen denn Origenes diese Austreibung den gröſsten Wundern Jesu an die Seite sezt 13). Wenn neuere Ausleger das Wunder ablehnen 14), so hat doch nur Paulus die Bemer- kung des Origenes gehörig erwogen, daſs einer einzelnen Person nach dem gewöhnlichen Gang solcher Dinge die Menge sich entgegengesezt haben würde. Man mag von der Überraschung durch das Plözliche des Auftretens Je- su 15) (wenn er nach Johannes vorher eine Geiſsel aus Stri- cken sich zurecht machte, brauchte er schon einige Zeit zur Vorbereitung), auf die Gewalt des auf seiner Seite stehen- den Rechts 16) (aber auf der Seite derer, die er angriff, 13) Comm. in Joh. Tom. 10, 16. p. 321 f. ed. Lommatzsch. 14) Lücke, z. d. St. 15) Lücke, S. 413. 16) Ders. ebend. und Tholuck, S. 70. 45*

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/731>, abgerufen am 26.11.2024.