beiden ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, welche die Jugendgeschichte enthalten, als unächt und spätere Zu- sätze zu verwerfen 2).
Wie den ersten Anfang, so fassten aber bald einige Theologen auch das letzte Ende der Lebensgeschichte Jesu, seine Himmelfahrt, mythisch auf 3), so dass dieselbe nun an ihren beiden äussersten Rändern von kritischen Zwei- feln angefressen wurde, während ihr eigentlicher Kern, die Periode von der Taufe bis zur Auferstehung, immer noch unangetastet bleiben sollte, oder dass man, wie ein Recensent von Greiling's Leben Jesu sich ausdrückt 4), durch das Prachtthor der Mythe in die evangelische Ge- schichte hinein, und durch ein ähnliches wieder hinaus- fuhr, für das Dazwischenliegende aber mit den krummen und mühseligen Pfaden der natürlichen Erklärung sich be- gnügte.
Etwas mehr erweitert findet sich die Anwendung des mythischen Gesichtspunktes bei Gabler5), wenn er den Unterschied zwischen Wundern, die Jesus that, und sol- chen, die an ihm vorgiengen, in der Art geltend macht, dass zwar die letzteren mythisch, die ersteren aber natür- lich erklärt werden sollen. Gleich nachher übrigens spricht Gabler wieder so, als ob er mit den oben erwähnten The- ologen blos die Wunder aus der Kindheit Jesu mythisch zu fassen gesonnen wäre, was eine Beschränkung des vo- rigen Gesichtspunktes ist, da zwar alle Kindheitswunder in unsern Evangelien an ihm vorgegangene (nicht von ihm gethane) sind, dergleichen aber auch in seinem folgenden Leben manche vorkommen. Ungefähr nach der Gabler'-
2) Vgl. Kuinöl, Prolegom. in Matthaeum, §. 3. in Lucam §. 6.
3) z. B. Ammon, in der Diss.: Ascensus J. C. in coelum hi- storia biblica, in seinen Opusc. nov.
4) In Bertholdt's krit. Journ. 5. Bd. S. 248.
5)Gabler's neuestes theol. Journal Bd. 7. S. 395.
Einleitung. §. 11.
beiden ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, welche die Jugendgeschichte enthalten, als unächt und spätere Zu- sätze zu verwerfen 2).
Wie den ersten Anfang, so fassten aber bald einige Theologen auch das letzte Ende der Lebensgeschichte Jesu, seine Himmelfahrt, mythisch auf 3), so daſs dieselbe nun an ihren beiden äussersten Rändern von kritischen Zwei- feln angefressen wurde, während ihr eigentlicher Kern, die Periode von der Taufe bis zur Auferstehung, immer noch unangetastet bleiben sollte, oder daſs man, wie ein Recensent von Greiling's Leben Jesu sich ausdrückt 4), durch das Prachtthor der Mythe in die evangelische Ge- schichte hinein, und durch ein ähnliches wieder hinaus- fuhr, für das Dazwischenliegende aber mit den krummen und mühseligen Pfaden der natürlichen Erklärung sich be- gnügte.
Etwas mehr erweitert findet sich die Anwendung des mythischen Gesichtspunktes bei Gabler5), wenn er den Unterschied zwischen Wundern, die Jesus that, und sol- chen, die an ihm vorgiengen, in der Art geltend macht, daſs zwar die letzteren mythisch, die ersteren aber natür- lich erklärt werden sollen. Gleich nachher übrigens spricht Gabler wieder so, als ob er mit den oben erwähnten The- ologen blos die Wunder aus der Kindheit Jesu mythisch zu fassen gesonnen wäre, was eine Beschränkung des vo- rigen Gesichtspunktes ist, da zwar alle Kindheitswunder in unsern Evangelien an ihm vorgegangene (nicht von ihm gethane) sind, dergleichen aber auch in seinem folgenden Leben manche vorkommen. Ungefähr nach der Gabler'-
2) Vgl. Kuinöl, Prolegom. in Matthaeum, §. 3. in Lucam §. 6.
3) z. B. Ammon, in der Diss.: Ascensus J. C. in coelum hi- storia biblica, in seinen Opusc. nov.
4) In Bertholdt's krit. Journ. 5. Bd. S. 248.
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Einleitung. §. 11.
beiden ersten Kapitel des Matthäus und Lukas, welche die
Jugendgeschichte enthalten, als unächt und spätere Zu-
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Wie den ersten Anfang, so fassten aber bald einige
Theologen auch das letzte Ende der Lebensgeschichte Jesu,
seine Himmelfahrt, mythisch auf 3), so daſs dieselbe nun
an ihren beiden äussersten Rändern von kritischen Zwei-
feln angefressen wurde, während ihr eigentlicher Kern,
die Periode von der Taufe bis zur Auferstehung, immer
noch unangetastet bleiben sollte, oder daſs man, wie ein
Recensent von Greiling's Leben Jesu sich ausdrückt 4),
durch das Prachtthor der Mythe in die evangelische Ge-
schichte hinein, und durch ein ähnliches wieder hinaus-
fuhr, für das Dazwischenliegende aber mit den krummen
und mühseligen Pfaden der natürlichen Erklärung sich be-
gnügte.
Etwas mehr erweitert findet sich die Anwendung des
mythischen Gesichtspunktes bei Gabler 5), wenn er den
Unterschied zwischen Wundern, die Jesus that, und sol-
chen, die an ihm vorgiengen, in der Art geltend macht,
daſs zwar die letzteren mythisch, die ersteren aber natür-
lich erklärt werden sollen. Gleich nachher übrigens spricht
Gabler wieder so, als ob er mit den oben erwähnten The-
ologen blos die Wunder aus der Kindheit Jesu mythisch
zu fassen gesonnen wäre, was eine Beschränkung des vo-
rigen Gesichtspunktes ist, da zwar alle Kindheitswunder
in unsern Evangelien an ihm vorgegangene (nicht von
ihm gethane) sind, dergleichen aber auch in seinem folgenden
Leben manche vorkommen. Ungefähr nach der Gabler'-
2) Vgl. Kuinöl, Prolegom. in Matthaeum, §. 3. in Lucam §. 6.
3) z. B. Ammon, in der Diss.: Ascensus J. C. in coelum hi-
storia biblica, in seinen Opusc. nov.
4) In Bertholdt's krit. Journ. 5. Bd. S. 248.
5) Gabler's neuestes theol. Journal Bd. 7. S. 395.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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