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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
sten, so zu sagen, polemisch. Zwar berichten auch die drei
ersten Evangelisten nicht selten schliesslich von dem Anstoss,
den Jesus bei Engherzigen erregt, und von den Anschlägen,
welche seine Feinde gegen ihn gemacht haben (Matth. 8, 34. 12,
14. 21, 46. 26, 3f. Luc. 4, 28f. 11, 53 f.), und umgekehrt schliesst
auch der vierte einige Rede- und Wunderakte mit der Be-
merkung, dass dadurch Viele an ihn glaubig geworden seien
(2, 23. 4, 39. 53. 7, 31. 40 f. 8, 30. 10, 42. 11, 45.). Doch
aber herrschen bei jenen für die Zeit vor dem jerusalemi-
schen Aufenthalt Jesu im Ganzen Formeln vor, wie, dass
weit und breit der Ruf Jesu erschollen sei (Matth. 4, 24.
9, 26. 31. Marc. 1, 28. 45. 5, 20. 7, 36. Luc. 4, 37. 5, 15.
7, 17. 8, 39.), dass das Volk seine Lehre bewundert (Matth.
7, 28. Marc. 1, 22. 11, 18. Luc. 19, 48. u. s.), seine Wun-
derthaten angestaunt habe (Matth. 8, 27. 9, 8. 14, 33. 15,
31. u. s.) und desswegen ihm allenthalben nachgezogen sei
(Matth. 4, 25. 8, 1. 9, 36. 12, 15. 13, 2. 14, 13. u. s.): im
vierten Evangelium dagegen findet sich häufiger die Be-
merkung, die Juden haben Jesu nach dem Leben getrach-
tet (5, 18. 7, 1.); die Pharisäer haben ihn festnehmen wol-
len, oder Diener ausgesendet, ihn zu greifen (7, 30. 32. 44.
vgl. 8, 20. 10, 39.); es seien Steine gegen ihn aufgehoben
worden (8, 59. 10, 31.), und selbst in den meisten jener
Stellen, wo von einer günstigen Stimmung des Volks be-
richtet wird, stellt diess der vierte Evangelist so dar, dass
nur ein Theil des Volks so gestimmt gewesen sei, ein an-
drer aber auf die entgegengesezte, feindselige Weise. Be-
sonders gerne aber macht er bemerklich, wie vor der lez-
ten Katastrophe alle List und Gewalt der Feinde Jesu ver-
geblich gewesen sei, weil e ora autou noch nicht gekom-
men war (7, 30. 8, 20.); dass die mehrmals gegen ihn aus-
geschickten Schergen, überwältigt von der Macht seiner
Rede und der Erhabenheit seiner Person, jedesmal wieder
unverrichteter Sache abgezogen seien (7, 32. 44 ff.); dass
Jesus durch die erbitterten Rotten unversehrt hindurchge-

Zweiter Abschnitt.
sten, so zu sagen, polemisch. Zwar berichten auch die drei
ersten Evangelisten nicht selten schlieſslich von dem Anstoſs,
den Jesus bei Engherzigen erregt, und von den Anschlägen,
welche seine Feinde gegen ihn gemacht haben (Matth. 8, 34. 12,
14. 21, 46. 26, 3f. Luc. 4, 28f. 11, 53 f.), und umgekehrt schlieſst
auch der vierte einige Rede- und Wunderakte mit der Be-
merkung, daſs dadurch Viele an ihn glaubig geworden seien
(2, 23. 4, 39. 53. 7, 31. 40 f. 8, 30. 10, 42. 11, 45.). Doch
aber herrschen bei jenen für die Zeit vor dem jerusalemi-
schen Aufenthalt Jesu im Ganzen Formeln vor, wie, daſs
weit und breit der Ruf Jesu erschollen sei (Matth. 4, 24.
9, 26. 31. Marc. 1, 28. 45. 5, 20. 7, 36. Luc. 4, 37. 5, 15.
7, 17. 8, 39.), daſs das Volk seine Lehre bewundert (Matth.
7, 28. Marc. 1, 22. 11, 18. Luc. 19, 48. u. s.), seine Wun-
derthaten angestaunt habe (Matth. 8, 27. 9, 8. 14, 33. 15,
31. u. s.) und deſswegen ihm allenthalben nachgezogen sei
(Matth. 4, 25. 8, 1. 9, 36. 12, 15. 13, 2. 14, 13. u. s.): im
vierten Evangelium dagegen findet sich häufiger die Be-
merkung, die Juden haben Jesu nach dem Leben getrach-
tet (5, 18. 7, 1.); die Pharisäer haben ihn festnehmen wol-
len, oder Diener ausgesendet, ihn zu greifen (7, 30. 32. 44.
vgl. 8, 20. 10, 39.); es seien Steine gegen ihn aufgehoben
worden (8, 59. 10, 31.), und selbst in den meisten jener
Stellen, wo von einer günstigen Stimmung des Volks be-
richtet wird, stellt dieſs der vierte Evangelist so dar, daſs
nur ein Theil des Volks so gestimmt gewesen sei, ein an-
drer aber auf die entgegengesezte, feindselige Weise. Be-
sonders gerne aber macht er bemerklich, wie vor der lez-
ten Katastrophe alle List und Gewalt der Feinde Jesu ver-
geblich gewesen sei, weil ἡ ὥρα αὐτοῦ noch nicht gekom-
men war (7, 30. 8, 20.); daſs die mehrmals gegen ihn aus-
geschickten Schergen, überwältigt von der Macht seiner
Rede und der Erhabenheit seiner Person, jedesmal wieder
unverrichteter Sache abgezogen seien (7, 32. 44 ff.); daſs
Jesus durch die erbitterten Rotten unversehrt hindurchge-

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[684/0708] Zweiter Abschnitt. sten, so zu sagen, polemisch. Zwar berichten auch die drei ersten Evangelisten nicht selten schlieſslich von dem Anstoſs, den Jesus bei Engherzigen erregt, und von den Anschlägen, welche seine Feinde gegen ihn gemacht haben (Matth. 8, 34. 12, 14. 21, 46. 26, 3f. Luc. 4, 28f. 11, 53 f.), und umgekehrt schlieſst auch der vierte einige Rede- und Wunderakte mit der Be- merkung, daſs dadurch Viele an ihn glaubig geworden seien (2, 23. 4, 39. 53. 7, 31. 40 f. 8, 30. 10, 42. 11, 45.). Doch aber herrschen bei jenen für die Zeit vor dem jerusalemi- schen Aufenthalt Jesu im Ganzen Formeln vor, wie, daſs weit und breit der Ruf Jesu erschollen sei (Matth. 4, 24. 9, 26. 31. Marc. 1, 28. 45. 5, 20. 7, 36. Luc. 4, 37. 5, 15. 7, 17. 8, 39.), daſs das Volk seine Lehre bewundert (Matth. 7, 28. Marc. 1, 22. 11, 18. Luc. 19, 48. u. s.), seine Wun- derthaten angestaunt habe (Matth. 8, 27. 9, 8. 14, 33. 15, 31. u. s.) und deſswegen ihm allenthalben nachgezogen sei (Matth. 4, 25. 8, 1. 9, 36. 12, 15. 13, 2. 14, 13. u. s.): im vierten Evangelium dagegen findet sich häufiger die Be- merkung, die Juden haben Jesu nach dem Leben getrach- tet (5, 18. 7, 1.); die Pharisäer haben ihn festnehmen wol- len, oder Diener ausgesendet, ihn zu greifen (7, 30. 32. 44. vgl. 8, 20. 10, 39.); es seien Steine gegen ihn aufgehoben worden (8, 59. 10, 31.), und selbst in den meisten jener Stellen, wo von einer günstigen Stimmung des Volks be- richtet wird, stellt dieſs der vierte Evangelist so dar, daſs nur ein Theil des Volks so gestimmt gewesen sei, ein an- drer aber auf die entgegengesezte, feindselige Weise. Be- sonders gerne aber macht er bemerklich, wie vor der lez- ten Katastrophe alle List und Gewalt der Feinde Jesu ver- geblich gewesen sei, weil ἡ ὥρα αὐτοῦ noch nicht gekom- men war (7, 30. 8, 20.); daſs die mehrmals gegen ihn aus- geschickten Schergen, überwältigt von der Macht seiner Rede und der Erhabenheit seiner Person, jedesmal wieder unverrichteter Sache abgezogen seien (7, 32. 44 ff.); daſs Jesus durch die erbitterten Rotten unversehrt hindurchge-

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/708>, abgerufen am 28.11.2024.