ekeithen, anthropos u. dgl. liest, wenn man an die zahlrei- chen Angaben in Bausch und Bogen, wie, dass Jesus alle Städte und Flecken durchzogen (9, 35. 11, 1. vgl. 4, 23.), dass man ihm alle Kranke gebracht und er sie alle geheilt habe (4, 24 f. 14, 35 f. vgl. 15, 29 ff.), und endlich an die trockene Kürze auch so mancher einzelnen Erzählungen sich erinnert: so wird man die Behauptung dieser Kritik nicht missbilligen können, das Alles sehe ganz so aus, wie wenn vor geraumer Zeit geschehene Begebenheiten durch lange mündliche Überlieferung sich mehr und mehr ins Allgemeine und Unbestimmte umgeformt hätten.
Nun aber wird von der neueren Kritik Matthäus nicht bloss an diesem reinen Massstab des on einem Augen- zeugen zu Erwartenden, sondern auch an dem gegebenen der Darstellung seiner Mitevangelisten gemessen. Unter diesen findet man nicht nur ohnehin den Johannes, theils in den wenigen Parallelen, theils in seiner ganzen Dar- stellungsweise, dem Matthäus an Anschaulichkeit entschie- den überlegen 2), sondern auch die beiden andern Synop- tiker, vorzüglich Markus, geben, wie man behauptet, in der Regel eine weit klarere und vollständigere Darstel- lung 3). Die Sache verhält sich wirklich so, und man sollte sie nicht mehr leugnen. Was das vierte Evangelium betrifft, so fehlen zwar natürlich auch ihm allgemeine Zu- sammenfassungen, wie dass Jesus während des Festes viele Zeichen gethan, und daher Viele an ihn geglaubt haben (2, 23 f.) und andere dergleichen (3, 22. 7, 1.) nicht, auch die Personen bezeichnet er nicht selten unbe- stimmt: doch einigemale giebt er, wo Matthäus nur von Einem oder Einigen spricht, die Namen an (12, 3. 4. vgl. mit Matth. 26, 7. 8. und 18, 10. vgl. mit Matth. 26, 51;
2)Hug, Einl. in das N. T. 2, S. 212 ff.
3) s. die obengenannten drei Kritiker an mehreren Orten, auch Olshausen a. v. St.
Zweiter Abschnitt.
ἐκεῖϑεν, ἄνϑρωπος u. dgl. liest, wenn man an die zahlrei- chen Angaben in Bausch und Bogen, wie, daſs Jesus alle Städte und Flecken durchzogen (9, 35. 11, 1. vgl. 4, 23.), daſs man ihm alle Kranke gebracht und er sie alle geheilt habe (4, 24 f. 14, 35 f. vgl. 15, 29 ff.), und endlich an die trockene Kürze auch so mancher einzelnen Erzählungen sich erinnert: so wird man die Behauptung dieser Kritik nicht miſsbilligen können, das Alles sehe ganz so aus, wie wenn vor geraumer Zeit geschehene Begebenheiten durch lange mündliche Überlieferung sich mehr und mehr ins Allgemeine und Unbestimmte umgeformt hätten.
Nun aber wird von der neueren Kritik Matthäus nicht bloſs an diesem reinen Maſsstab des on einem Augen- zeugen zu Erwartenden, sondern auch an dem gegebenen der Darstellung seiner Mitevangelisten gemessen. Unter diesen findet man nicht nur ohnehin den Johannes, theils in den wenigen Parallelen, theils in seiner ganzen Dar- stellungsweise, dem Matthäus an Anschaulichkeit entschie- den überlegen 2), sondern auch die beiden andern Synop- tiker, vorzüglich Markus, geben, wie man behauptet, in der Regel eine weit klarere und vollständigere Darstel- lung 3). Die Sache verhält sich wirklich so, und man sollte sie nicht mehr leugnen. Was das vierte Evangelium betrifft, so fehlen zwar natürlich auch ihm allgemeine Zu- sammenfassungen, wie daſs Jesus während des Festes viele Zeichen gethan, und daher Viele an ihn geglaubt haben (2, 23 f.) und andere dergleichen (3, 22. 7, 1.) nicht, auch die Personen bezeichnet er nicht selten unbe- stimmt: doch einigemale giebt er, wo Matthäus nur von Einem oder Einigen spricht, die Namen an (12, 3. 4. vgl. mit Matth. 26, 7. 8. und 18, 10. vgl. mit Matth. 26, 51;
2)Hug, Einl. in das N. T. 2, S. 212 ff.
3) s. die obengenannten drei Kritiker an mehreren Orten, auch Olshausen a. v. St.
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Zweiter Abschnitt.
ἐκεῖϑεν, ἄνϑρωπος u. dgl. liest, wenn man an die zahlrei-
chen Angaben in Bausch und Bogen, wie, daſs Jesus alle
Städte und Flecken durchzogen (9, 35. 11, 1. vgl. 4, 23.),
daſs man ihm alle Kranke gebracht und er sie alle geheilt
habe (4, 24 f. 14, 35 f. vgl. 15, 29 ff.), und endlich an die
trockene Kürze auch so mancher einzelnen Erzählungen
sich erinnert: so wird man die Behauptung dieser Kritik
nicht miſsbilligen können, das Alles sehe ganz so aus,
wie wenn vor geraumer Zeit geschehene Begebenheiten
durch lange mündliche Überlieferung sich mehr und mehr
ins Allgemeine und Unbestimmte umgeformt hätten.
Nun aber wird von der neueren Kritik Matthäus nicht
bloſs an diesem reinen Maſsstab des on einem Augen-
zeugen zu Erwartenden, sondern auch an dem gegebenen
der Darstellung seiner Mitevangelisten gemessen. Unter
diesen findet man nicht nur ohnehin den Johannes, theils
in den wenigen Parallelen, theils in seiner ganzen Dar-
stellungsweise, dem Matthäus an Anschaulichkeit entschie-
den überlegen 2), sondern auch die beiden andern Synop-
tiker, vorzüglich Markus, geben, wie man behauptet, in
der Regel eine weit klarere und vollständigere Darstel-
lung 3). Die Sache verhält sich wirklich so, und man
sollte sie nicht mehr leugnen. Was das vierte Evangelium
betrifft, so fehlen zwar natürlich auch ihm allgemeine Zu-
sammenfassungen, wie daſs Jesus während des Festes
viele Zeichen gethan, und daher Viele an ihn geglaubt
haben (2, 23 f.) und andere dergleichen (3, 22. 7, 1.)
nicht, auch die Personen bezeichnet er nicht selten unbe-
stimmt: doch einigemale giebt er, wo Matthäus nur von
Einem oder Einigen spricht, die Namen an (12, 3. 4. vgl.
mit Matth. 26, 7. 8. und 18, 10. vgl. mit Matth. 26, 51;
2) Hug, Einl. in das N. T. 2, S. 212 ff.
3) s. die obengenannten drei Kritiker an mehreren Orten, auch
Olshausen a. v. St.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/702>, abgerufen am 22.11.2024.
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