Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Siebentes Kapitel. §. 78. lässt, was ihn gerade hier an jenen Ausspruch erinnernkonnte. In den synoptischen Parallelen steht die Auffor- derung: egeiresthe agomen mit der Ankündigung im Zusam- menhang: idou eggiken e ora, kai o uios t. a. paradidotai eis kheiras amartolon -- idou eggiken o paradidous me, also mit der Verkündigung des Nahens der feindlichen Macht, vor welcher sich jedoch Jesus nicht fürchtet, sondern mit jener entschlossenen Aufforderung der Gefahr entgegengeht. Von dem Herannahen einer feindlichen Macht hatte Jesus auch im Zusammenhang der johanneischen Stelle gespro- chen, wenn er sagte: erkhetai o tou kosmou arkhon, kai en emoi ouk ekhei ouden. Hiebei kann es keinen Unterschied be- gründen, dass hier die in dem Verräther und den von ihm Geführten wirksame Macht, dort aber der von derselben getriebene Verräther als das sich Nähernde namhaft gemacht ist: sondern, wusste der Verfasser aus der Überlieferung, dass Jesus mit der Hinweisung auf die nahende Gefahr ein entschlossenes egeiresthe agomen verbunden hatte, so musste ihm diess bei der Erwähnung des feindlich nahen- den arkhon tou kosmou einfallen, und er fügte, weil er Jesum und seine Jünger noch in der Stadt und im Hause hatte, sie also bis zum Zusammentreffen mit der feindseligen Macht noch eine bedeutende Ortsveränderung vornehmen lassen musste, dem agomen noch das enteuthen hinzu. Wie ihm aber dieses traditionelle Diktum nur unwillkührlich in den Gang derjenigen Gedanken, welche er Jesu als Abschieds- reden in den Mund zu legen gedachte, zwischeneingeschlüpft war, so wurde es auch alsbald wieder ignorirt, und dem noch nicht erschöpften Strome der Abschiedsreden nach- wie vorher freier Lauf gelassen. Sehen wir von hier aus auf die oben noch ausgesezte Siebentes Kapitel. §. 78. läſst, was ihn gerade hier an jenen Ausspruch erinnernkonnte. In den synoptischen Parallelen steht die Auffor- derung: ἐγείρεσϑε ἄγωμεν mit der Ankündigung im Zusam- menhang: ἰδοὺ ἤγγικεν ἡ ὥρα, καὶ ὁ υἱὸς τ. ἀ. παραδίδοται εἰς χεῖρας ἁμαρτωλῶν — ἰδοὺ ἤγγικεν ὁ παραδιδούς με, also mit der Verkündigung des Nahens der feindlichen Macht, vor welcher sich jedoch Jesus nicht fürchtet, sondern mit jener entschlossenen Aufforderung der Gefahr entgegengeht. Von dem Herannahen einer feindlichen Macht hatte Jesus auch im Zusammenhang der johanneischen Stelle gespro- chen, wenn er sagte: ἔρχεται ὁ τοῦ κόσμου ἄρχων, καὶ ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν. Hiebei kann es keinen Unterschied be- gründen, daſs hier die in dem Verräther und den von ihm Geführten wirksame Macht, dort aber der von derselben getriebene Verräther als das sich Nähernde namhaft gemacht ist: sondern, wuſste der Verfasser aus der Überlieferung, daſs Jesus mit der Hinweisung auf die nahende Gefahr ein entschlossenes ἐγείρεσϑε ἄγωμεν verbunden hatte, so muſste ihm dieſs bei der Erwähnung des feindlich nahen- den ἄρχων τοῦ κόσμου einfallen, und er fügte, weil er Jesum und seine Jünger noch in der Stadt und im Hause hatte, sie also bis zum Zusammentreffen mit der feindseligen Macht noch eine bedeutende Ortsveränderung vornehmen lassen muſste, dem ἄγωμεν noch das ἐντεῦϑεν hinzu. Wie ihm aber dieses traditionelle Diktum nur unwillkührlich in den Gang derjenigen Gedanken, welche er Jesu als Abschieds- reden in den Mund zu legen gedachte, zwischeneingeschlüpft war, so wurde es auch alsbald wieder ignorirt, und dem noch nicht erschöpften Strome der Abschiedsreden nach- wie vorher freier Lauf gelassen. Sehen wir von hier aus auf die oben noch ausgesezte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0687" n="663"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Kapitel</hi>. §. 78.</fw><lb/> läſst, was ihn gerade hier an jenen Ausspruch erinnern<lb/> konnte. 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Siebentes Kapitel. §. 78.
läſst, was ihn gerade hier an jenen Ausspruch erinnern
konnte. In den synoptischen Parallelen steht die Auffor-
derung: ἐγείρεσϑε ἄγωμεν mit der Ankündigung im Zusam-
menhang: ἰδοὺ ἤγγικεν ἡ ὥρα, καὶ ὁ υἱὸς τ. ἀ. παραδίδοται
εἰς χεῖρας ἁμαρτωλῶν — ἰδοὺ ἤγγικεν ὁ παραδιδούς με, also
mit der Verkündigung des Nahens der feindlichen Macht,
vor welcher sich jedoch Jesus nicht fürchtet, sondern mit
jener entschlossenen Aufforderung der Gefahr entgegengeht.
Von dem Herannahen einer feindlichen Macht hatte Jesus
auch im Zusammenhang der johanneischen Stelle gespro-
chen, wenn er sagte: ἔρχεται ὁ τοῦ κόσμου ἄρχων, καὶ ἐν
ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν. Hiebei kann es keinen Unterschied be-
gründen, daſs hier die in dem Verräther und den von ihm
Geführten wirksame Macht, dort aber der von derselben
getriebene Verräther als das sich Nähernde namhaft gemacht
ist: sondern, wuſste der Verfasser aus der Überlieferung,
daſs Jesus mit der Hinweisung auf die nahende Gefahr
ein entschlossenes ἐγείρεσϑε ἄγωμεν verbunden hatte, so
muſste ihm dieſs bei der Erwähnung des feindlich nahen-
den ἄρχων τοῦ κόσμου einfallen, und er fügte, weil er Jesum
und seine Jünger noch in der Stadt und im Hause hatte,
sie also bis zum Zusammentreffen mit der feindseligen Macht
noch eine bedeutende Ortsveränderung vornehmen lassen
muſste, dem ἄγωμεν noch das ἐντεῦϑεν hinzu. Wie ihm
aber dieses traditionelle Diktum nur unwillkührlich in den
Gang derjenigen Gedanken, welche er Jesu als Abschieds-
reden in den Mund zu legen gedachte, zwischeneingeschlüpft
war, so wurde es auch alsbald wieder ignorirt, und dem
noch nicht erschöpften Strome der Abschiedsreden nach-
wie vorher freier Lauf gelassen.
Sehen wir von hier aus auf die oben noch ausgesezte
Stelle 4, 44. zurück, so zeigt sich nunmehr leicht, wie
der Evangelist veranlaſst sein konnte, das Zeugniſs von
der Miſsachtung des Propheten im Vaterland an so wenig
passender Stelle einzurücken. Es war ihm aus der Über-
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Zitationshilfe: | Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/687>, abgerufen am 16.07.2024. |