räther fortfahren. Noch Andere vermuthen ausgelassene Mittelglieder 7): kaum besser, als wenn Kuinöl an ein Glos- sem aus Matth. 10, 40. denkt, das ursprünglich zu V. 16. gemacht, hierauf aber hieher, an den Schluss des Abschnitts, verwiesen worden sei. Hiebei ist übrigens die Hinweisung auf V. 16. ein brauchbarer Fingerzeig. Auch dieser Vers nämlich, wie der 20te, hat seine Parallele in der Instruk- tionsrede bei Matthäus (10, 24.); waren dem Verfasser des vierten Evangeliums aus dieser einige Stücke auf tra- ditionellem Wege zugekommen: so konnte leicht eines das andere in seiner Erinnerung hervorrufen. V. 16. war von dem aposolos und dem pempsas auton die Rede, ebenso hier, V. 20, von denen, welche Jesus senden werde, und dem, der ihn gesandt habe. Freilich jenes, um Demuth zu empfehlen, dieses um zu ermuthigen, also dem Sinne nach nicht zusammenhängend, sondern nur den Worten nach: so dass wir also den Verfasser des vierten Evangeliums, sobald er traditionelle Aussprüche Jesu aus dem Gedächt- niss berichtet, demselben Gesetze der Ideenassociation fol- gen sehen, wie die Synoptiker. Das Natürlichste wäre hie- bei zwar gewesen, den 20ten Vers unmittelbar nach dem 16ten zu stellen; indess der Gedanke an den Verräther drängte sich vor, und der doch nur lexikalisch in der Er- innerung des Evangelisten wiedererweckte V. 20. konnte ja ebensogut auch etwas später stehen.
Die dritte hier in Betracht kommende Stelle, 14, 31, steht zwar noch tiefer als die zulezt beleuchtete, im Be- reich der Leidensgeschichte: kann aber, da sie sich, wie jene, ganz abgesehen von diesem Zusammenhang untersu- chen lässt, hier ebenso unbedenklich mitgenommen werden. In dieser Stelle erinnern die Worte: egeiresthe agomen en- teuthen an das egeiresthe agomen, durch welches Jesus Matth. 26, 46. Marc. 14, 42. seine Jünger auffordert, mit ihm dem
7)Tholuck, S. 251.
Siebentes Kapitel. §. 78.
räther fortfahren. Noch Andere vermuthen ausgelassene Mittelglieder 7): kaum besser, als wenn Kuinöl an ein Glos- sem aus Matth. 10, 40. denkt, das ursprünglich zu V. 16. gemacht, hierauf aber hieher, an den Schluſs des Abschnitts, verwiesen worden sei. Hiebei ist übrigens die Hinweisung auf V. 16. ein brauchbarer Fingerzeig. Auch dieser Vers nämlich, wie der 20te, hat seine Parallele in der Instruk- tionsrede bei Matthäus (10, 24.); waren dem Verfasser des vierten Evangeliums aus dieser einige Stücke auf tra- ditionellem Wege zugekommen: so konnte leicht eines das andere in seiner Erinnerung hervorrufen. V. 16. war von dem ἀπόςολος und dem πέμψας αὐτὸν die Rede, ebenso hier, V. 20, von denen, welche Jesus senden werde, und dem, der ihn gesandt habe. Freilich jenes, um Demuth zu empfehlen, dieses um zu ermuthigen, also dem Sinne nach nicht zusammenhängend, sondern nur den Worten nach: so daſs wir also den Verfasser des vierten Evangeliums, sobald er traditionelle Aussprüche Jesu aus dem Gedächt- niſs berichtet, demselben Gesetze der Ideenassociation fol- gen sehen, wie die Synoptiker. Das Natürlichste wäre hie- bei zwar gewesen, den 20ten Vers unmittelbar nach dem 16ten zu stellen; indeſs der Gedanke an den Verräther drängte sich vor, und der doch nur lexikalisch in der Er- innerung des Evangelisten wiedererweckte V. 20. konnte ja ebensogut auch etwas später stehen.
Die dritte hier in Betracht kommende Stelle, 14, 31, steht zwar noch tiefer als die zulezt beleuchtete, im Be- reich der Leidensgeschichte: kann aber, da sie sich, wie jene, ganz abgesehen von diesem Zusammenhang untersu- chen läſst, hier ebenso unbedenklich mitgenommen werden. In dieser Stelle erinnern die Worte: ἐγείρεσϑε ἄγωμεν ἐν- τεῦϑεν an das ἐγείρεσϑε ἄγωμεν, durch welches Jesus Matth. 26, 46. Marc. 14, 42. seine Jünger auffordert, mit ihm dem
7)Tholuck, S. 251.
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Siebentes Kapitel. §. 78.
räther fortfahren. Noch Andere vermuthen ausgelassene
Mittelglieder 7): kaum besser, als wenn Kuinöl an ein Glos-
sem aus Matth. 10, 40. denkt, das ursprünglich zu V. 16.
gemacht, hierauf aber hieher, an den Schluſs des Abschnitts,
verwiesen worden sei. Hiebei ist übrigens die Hinweisung
auf V. 16. ein brauchbarer Fingerzeig. Auch dieser Vers
nämlich, wie der 20te, hat seine Parallele in der Instruk-
tionsrede bei Matthäus (10, 24.); waren dem Verfasser
des vierten Evangeliums aus dieser einige Stücke auf tra-
ditionellem Wege zugekommen: so konnte leicht eines das
andere in seiner Erinnerung hervorrufen. V. 16. war von
dem ἀπόςολος und dem πέμψας αὐτὸν die Rede, ebenso
hier, V. 20, von denen, welche Jesus senden werde, und
dem, der ihn gesandt habe. Freilich jenes, um Demuth zu
empfehlen, dieses um zu ermuthigen, also dem Sinne nach
nicht zusammenhängend, sondern nur den Worten nach:
so daſs wir also den Verfasser des vierten Evangeliums,
sobald er traditionelle Aussprüche Jesu aus dem Gedächt-
niſs berichtet, demselben Gesetze der Ideenassociation fol-
gen sehen, wie die Synoptiker. Das Natürlichste wäre hie-
bei zwar gewesen, den 20ten Vers unmittelbar nach dem
16ten zu stellen; indeſs der Gedanke an den Verräther
drängte sich vor, und der doch nur lexikalisch in der Er-
innerung des Evangelisten wiedererweckte V. 20. konnte ja
ebensogut auch etwas später stehen.
Die dritte hier in Betracht kommende Stelle, 14, 31,
steht zwar noch tiefer als die zulezt beleuchtete, im Be-
reich der Leidensgeschichte: kann aber, da sie sich, wie
jene, ganz abgesehen von diesem Zusammenhang untersu-
chen läſst, hier ebenso unbedenklich mitgenommen werden.
In dieser Stelle erinnern die Worte: ἐγείρεσϑε ἄγωμεν ἐν-
τεῦϑεν an das ἐγείρεσϑε ἄγωμεν, durch welches Jesus Matth.
26, 46. Marc. 14, 42. seine Jünger auffordert, mit ihm dem
7) Tholuck, S. 251.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/685>, abgerufen am 16.02.2025.
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