zeichnet zu werden scheinen könnte, wie er 8, 48. Sama- reites gescholten wird -- aber auch in Samarien hatte er nach 4, 39. eine günstige Aufnahme gefunden. Überdiess haben wir schon oben gesehen, dass das vierte Evangelium von einer Geburt Jesu in Bethlehem nichts weiss, sondern ihn allenthalben als Galiläer und Nazaretaner voraussezt 4). Ergiebt sich aus der bisherigen Betrachtung nur das ne- gative Resultat, dass für das besprochene Diktum ein pas- sender Zusammenhang nicht zu finden ist: so wird das Po- sitive, wie es dessen unerachtet hieher verschlagen werden konnte, sich vielleicht ergeben, wenn wir erst die beiden andern hier noch in Frage kommenden Stellen erwogen haben werden.
Der Ausspruch 13, 20: o lambanon ean tina pempso, eme lambanei; o de eme lambanon lambanei ton pempsanta me hat Matth. 10, 40. eine fast wörtliche Parallele. Vor- angegangen war bei Johannes die Vorherverkündigung des Verraths und die Erklärung Jesu gegen die Jünger, dass er ihnen diess im Voraus habe sagen wollen, damit sie, wenn sich seine Vorhersage erfülle, an ihn als Messias glauben möch- ten. Wie hängt nun damit jener Ausspruch zusammen? und wie mit dem Folgenden, wo alsbald wieder vom Verräther die Rede wird? Man sagt, Jesus wolle auf die hohe Würde eines messianischen Lehrgesandten aufmerksam machen, wel- che der Verräther verscherze 5): aber eben dieser negati- ve Gedanke des Verlierens, auf welchen hier Alles an- kommt, ist im Texte durch nichts angedeutet. Andere neh- men an, durch die Schilderung ihres hohen Werthes habe Jesus den durch die Erwähnung des Verräthers niederge- schlagenen Jüngern neuen Muth machen wollen 6): aber dann durfte er nicht unmittelbar darauf wieder vom Ver-
4) s. oben, S. 275 f.
5)Paulus, L. J. 1, b, S. 158.
6)Lücke, 2, S. 478.
Zweiter Abschnitt.
zeichnet zu werden scheinen könnte, wie er 8, 48. Σαμα- ρείτης gescholten wird — aber auch in Samarien hatte er nach 4, 39. eine günstige Aufnahme gefunden. Überdieſs haben wir schon oben gesehen, daſs das vierte Evangelium von einer Geburt Jesu in Bethlehem nichts weiſs, sondern ihn allenthalben als Galiläer und Nazaretaner voraussezt 4). Ergiebt sich aus der bisherigen Betrachtung nur das ne- gative Resultat, daſs für das besprochene Diktum ein pas- sender Zusammenhang nicht zu finden ist: so wird das Po- sitive, wie es dessen unerachtet hieher verschlagen werden konnte, sich vielleicht ergeben, wenn wir erst die beiden andern hier noch in Frage kommenden Stellen erwogen haben werden.
Der Ausspruch 13, 20: ὁ λαμβάνων ἐάν τινα πέμψω, ἐμὲ λαμβάνει· ὁ δὲ ἐμὲ λαμβάνων λαμβάνει τὸν πέμψαντά με hat Matth. 10, 40. eine fast wörtliche Parallele. Vor- angegangen war bei Johannes die Vorherverkündigung des Verraths und die Erklärung Jesu gegen die Jünger, daſs er ihnen dieſs im Voraus habe sagen wollen, damit sie, wenn sich seine Vorhersage erfülle, an ihn als Messias glauben möch- ten. Wie hängt nun damit jener Ausspruch zusammen? und wie mit dem Folgenden, wo alsbald wieder vom Verräther die Rede wird? Man sagt, Jesus wolle auf die hohe Würde eines messianischen Lehrgesandten aufmerksam machen, wel- che der Verräther verscherze 5): aber eben dieser negati- ve Gedanke des Verlierens, auf welchen hier Alles an- kommt, ist im Texte durch nichts angedeutet. Andere neh- men an, durch die Schilderung ihres hohen Werthes habe Jesus den durch die Erwähnung des Verräthers niederge- schlagenen Jüngern neuen Muth machen wollen 6): aber dann durfte er nicht unmittelbar darauf wieder vom Ver-
4) s. oben, S. 275 f.
5)Paulus, L. J. 1, b, S. 158.
6)Lücke, 2, S. 478.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0684"n="660"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
zeichnet zu werden scheinen könnte, wie er 8, 48. Σαμα-<lb/>ρείτης gescholten wird — aber auch in Samarien hatte er<lb/>
nach 4, 39. eine günstige Aufnahme gefunden. Überdieſs<lb/>
haben wir schon oben gesehen, daſs das vierte Evangelium<lb/>
von einer Geburt Jesu in Bethlehem nichts weiſs, sondern<lb/>
ihn allenthalben als Galiläer und Nazaretaner voraussezt <noteplace="foot"n="4)">s. oben, S. 275 f.</note>.<lb/>
Ergiebt sich aus der bisherigen Betrachtung nur das ne-<lb/>
gative Resultat, daſs für das besprochene Diktum ein pas-<lb/>
sender Zusammenhang nicht zu finden ist: so wird das Po-<lb/>
sitive, wie es dessen unerachtet hieher verschlagen werden<lb/>
konnte, sich vielleicht ergeben, wenn wir erst die beiden<lb/>
andern hier noch in Frage kommenden Stellen erwogen<lb/>
haben werden.</p><lb/><p>Der Ausspruch 13, 20: <foreignxml:lang="ell">ὁλαμβάνωνἐάντιναπέμψω,<lb/>ἐμὲλαμβάνει·ὁδὲἐμὲλαμβάνωνλαμβάνειτὸνπέμψαντά<lb/>με</foreign> hat Matth. 10, 40. eine fast wörtliche Parallele. Vor-<lb/>
angegangen war bei Johannes die Vorherverkündigung des<lb/>
Verraths und die Erklärung Jesu gegen die Jünger, daſs er<lb/>
ihnen dieſs im Voraus habe sagen wollen, damit sie, wenn sich<lb/>
seine Vorhersage erfülle, an ihn als Messias glauben möch-<lb/>
ten. Wie hängt nun damit jener Ausspruch zusammen? und<lb/>
wie mit dem Folgenden, wo alsbald wieder vom Verräther<lb/>
die Rede wird? Man sagt, Jesus wolle auf die hohe Würde<lb/>
eines messianischen Lehrgesandten aufmerksam machen, wel-<lb/>
che der Verräther verscherze <noteplace="foot"n="5)"><hirendition="#k">Paulus</hi>, L. J. 1, b, S. 158.</note>: aber eben dieser negati-<lb/>
ve Gedanke des Verlierens, auf welchen hier Alles an-<lb/>
kommt, ist im Texte durch nichts angedeutet. Andere neh-<lb/>
men an, durch die Schilderung ihres hohen Werthes habe<lb/>
Jesus den durch die Erwähnung des Verräthers niederge-<lb/>
schlagenen Jüngern neuen Muth machen wollen <noteplace="foot"n="6)"><hirendition="#k">Lücke</hi>, 2, S. 478.</note>: aber<lb/>
dann durfte er nicht unmittelbar darauf wieder vom Ver-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[660/0684]
Zweiter Abschnitt.
zeichnet zu werden scheinen könnte, wie er 8, 48. Σαμα-
ρείτης gescholten wird — aber auch in Samarien hatte er
nach 4, 39. eine günstige Aufnahme gefunden. Überdieſs
haben wir schon oben gesehen, daſs das vierte Evangelium
von einer Geburt Jesu in Bethlehem nichts weiſs, sondern
ihn allenthalben als Galiläer und Nazaretaner voraussezt 4).
Ergiebt sich aus der bisherigen Betrachtung nur das ne-
gative Resultat, daſs für das besprochene Diktum ein pas-
sender Zusammenhang nicht zu finden ist: so wird das Po-
sitive, wie es dessen unerachtet hieher verschlagen werden
konnte, sich vielleicht ergeben, wenn wir erst die beiden
andern hier noch in Frage kommenden Stellen erwogen
haben werden.
Der Ausspruch 13, 20: ὁ λαμβάνων ἐάν τινα πέμψω,
ἐμὲ λαμβάνει· ὁ δὲ ἐμὲ λαμβάνων λαμβάνει τὸν πέμψαντά
με hat Matth. 10, 40. eine fast wörtliche Parallele. Vor-
angegangen war bei Johannes die Vorherverkündigung des
Verraths und die Erklärung Jesu gegen die Jünger, daſs er
ihnen dieſs im Voraus habe sagen wollen, damit sie, wenn sich
seine Vorhersage erfülle, an ihn als Messias glauben möch-
ten. Wie hängt nun damit jener Ausspruch zusammen? und
wie mit dem Folgenden, wo alsbald wieder vom Verräther
die Rede wird? Man sagt, Jesus wolle auf die hohe Würde
eines messianischen Lehrgesandten aufmerksam machen, wel-
che der Verräther verscherze 5): aber eben dieser negati-
ve Gedanke des Verlierens, auf welchen hier Alles an-
kommt, ist im Texte durch nichts angedeutet. Andere neh-
men an, durch die Schilderung ihres hohen Werthes habe
Jesus den durch die Erwähnung des Verräthers niederge-
schlagenen Jüngern neuen Muth machen wollen 6): aber
dann durfte er nicht unmittelbar darauf wieder vom Ver-
4) s. oben, S. 275 f.
5) Paulus, L. J. 1, b, S. 158.
6) Lücke, 2, S. 478.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/684>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.