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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
ter schreibenden Evangelisten, nicht aber des im ersten An-
fang seiner Thätigkeit stehenden Jesus. Überhaupt lautet
diese ganze angebliche Rede Jesu mit ihrer fortwährend
zu seiner Bezeichnung gebrauchten dritten Person, mit den
dogmatischen terminis von monogenes, phos, u. dgl., unter
welchen sie Jesum betrachtet, mit ihrem Überblick über
die durch Jesu Erscheinung herbeigeführte Krisis und de-
ren Resultate, viel zu objektiv und gegenständlich, als dass
wir glauben könnten, eigene Worte Jesu in derselben zu
vernehmen: so konnte nicht Jesus, aus sich heraus, sondern
nur ein Dritter über Jesum sprechen. Demnach soll nun,
wie in einem früher betrachteten Falle der Täufer, so hier
Jesus nur bis zu V. 16. reden, von da an aber der Evan-
gelist seine eigenen dogmatischen Reflexionen anknüpfen 19).
Aber hier so wenig wie dort findet sich im Text hievon
eine Andeutung, vielmehr scheint das anknüpfende gar V.
16. eine Fortsetzung derselben Rede zu bezeichnen. So
streut kein Schriftsteller, und namentlich nicht der Ver-
fasser des vierten Evangeliums (vgl. 7, 39. 11, 51 f. 12, 16.
33. 37 ff.), eigene Bemerkungen ein, er müsste denn absicht-
lich Missverständnisse veranlassen wollen. Bleibt es sonach
gleicherweise dabei, dass der Evangelist auch von hier an
noch Worte Jesu geben will, und dass Jesus so nicht ge-
sprochen haben kann: so werden wir uns auch hier nicht
mit der halben Massregel Lücke's beruhigen können, wenn
er von der bezeichneten Stelle an zwar Jesum fortsprechen,
doch aber zugleich die erläuternde und erweiternde Hand
des Evangelisten stärker als bis dahin dazwischentreten
lässt 20). Denn mit diesem Zugeständniss verliert man alle
Sicherheit, wie weit die Rede Jesu oder dem Referenten
angehöre, und da sie überdiess durch die genaueste Gleich-
förmigkeit der Gedanken und des Tones sich auszeichnet,

19) So Paulus und Olshausen z. d. St.
20) a. a. O. S. 479.

Zweiter Abschnitt.
ter schreibenden Evangelisten, nicht aber des im ersten An-
fang seiner Thätigkeit stehenden Jesus. Überhaupt lautet
diese ganze angebliche Rede Jesu mit ihrer fortwährend
zu seiner Bezeichnung gebrauchten dritten Person, mit den
dogmatischen terminis von μονογενὴς, φῶς, u. dgl., unter
welchen sie Jesum betrachtet, mit ihrem Überblick über
die durch Jesu Erscheinung herbeigeführte Krisis und de-
ren Resultate, viel zu objektiv und gegenständlich, als daſs
wir glauben könnten, eigene Worte Jesu in derselben zu
vernehmen: so konnte nicht Jesus, aus sich heraus, sondern
nur ein Dritter über Jesum sprechen. Demnach soll nun,
wie in einem früher betrachteten Falle der Täufer, so hier
Jesus nur bis zu V. 16. reden, von da an aber der Evan-
gelist seine eigenen dogmatischen Reflexionen anknüpfen 19).
Aber hier so wenig wie dort findet sich im Text hievon
eine Andeutung, vielmehr scheint das anknüpfende γὰρ V.
16. eine Fortsetzung derselben Rede zu bezeichnen. So
streut kein Schriftsteller, und namentlich nicht der Ver-
fasser des vierten Evangeliums (vgl. 7, 39. 11, 51 f. 12, 16.
33. 37 ff.), eigene Bemerkungen ein, er müſste denn absicht-
lich Miſsverständnisse veranlassen wollen. Bleibt es sonach
gleicherweise dabei, daſs der Evangelist auch von hier an
noch Worte Jesu geben will, und daſs Jesus so nicht ge-
sprochen haben kann: so werden wir uns auch hier nicht
mit der halben Maſsregel Lücke's beruhigen können, wenn
er von der bezeichneten Stelle an zwar Jesum fortsprechen,
doch aber zugleich die erläuternde und erweiternde Hand
des Evangelisten stärker als bis dahin dazwischentreten
läſst 20). Denn mit diesem Zugeständniſs verliert man alle
Sicherheit, wie weit die Rede Jesu oder dem Referenten
angehöre, und da sie überdieſs durch die genaueste Gleich-
förmigkeit der Gedanken und des Tones sich auszeichnet,

19) So Paulus und Olshausen z. d. St.
20) a. a. O. S. 479.
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[644/0668] Zweiter Abschnitt. ter schreibenden Evangelisten, nicht aber des im ersten An- fang seiner Thätigkeit stehenden Jesus. Überhaupt lautet diese ganze angebliche Rede Jesu mit ihrer fortwährend zu seiner Bezeichnung gebrauchten dritten Person, mit den dogmatischen terminis von μονογενὴς, φῶς, u. dgl., unter welchen sie Jesum betrachtet, mit ihrem Überblick über die durch Jesu Erscheinung herbeigeführte Krisis und de- ren Resultate, viel zu objektiv und gegenständlich, als daſs wir glauben könnten, eigene Worte Jesu in derselben zu vernehmen: so konnte nicht Jesus, aus sich heraus, sondern nur ein Dritter über Jesum sprechen. Demnach soll nun, wie in einem früher betrachteten Falle der Täufer, so hier Jesus nur bis zu V. 16. reden, von da an aber der Evan- gelist seine eigenen dogmatischen Reflexionen anknüpfen 19). Aber hier so wenig wie dort findet sich im Text hievon eine Andeutung, vielmehr scheint das anknüpfende γὰρ V. 16. eine Fortsetzung derselben Rede zu bezeichnen. So streut kein Schriftsteller, und namentlich nicht der Ver- fasser des vierten Evangeliums (vgl. 7, 39. 11, 51 f. 12, 16. 33. 37 ff.), eigene Bemerkungen ein, er müſste denn absicht- lich Miſsverständnisse veranlassen wollen. Bleibt es sonach gleicherweise dabei, daſs der Evangelist auch von hier an noch Worte Jesu geben will, und daſs Jesus so nicht ge- sprochen haben kann: so werden wir uns auch hier nicht mit der halben Maſsregel Lücke's beruhigen können, wenn er von der bezeichneten Stelle an zwar Jesum fortsprechen, doch aber zugleich die erläuternde und erweiternde Hand des Evangelisten stärker als bis dahin dazwischentreten läſst 20). Denn mit diesem Zugeständniſs verliert man alle Sicherheit, wie weit die Rede Jesu oder dem Referenten angehöre, und da sie überdieſs durch die genaueste Gleich- förmigkeit der Gedanken und des Tones sich auszeichnet, 19) So Paulus und Olshausen z. d. St. 20) a. a. O. S. 479.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/668>, abgerufen am 25.11.2024.