Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. die grammateis, doch nur von wenigen Versen. Wohlmochte aber Jesus, wie auch die neueste Kritik zuge- steht 22), unter den damaligen Umständen veranlasst sein, sich ausführlicher gegen jene Menschen auszulassen, und es müssen auch wohl solche scharfe Erörterungen der Katastrophe vorausgegangen sein: so dass man also die Darstellung des Matthäus hier wenigstens nicht nach dem was die beiden andern Synoptiker geben, abmessen darf, zumal die von jenem mitgetheilte Rede in sich selber wohl zusammenhängt. Freilich hat auch hier wieder Lukas Man- ches von dem, was Matthäus zusammenstellt, an verschie- dene Orte und Anlässe vertheilt, und hieraus würde fol- gen, dass auch diessmal Matthäus den ursprünglichen Lehr- stoff mit verwandten Elementen aus andrer Zeit verschmol- zen habe 23), wenn es ausgemacht wäre, dass die Stel- lung jener Redestücke bei Lukas die richtige sei, was so- fort zu untersuchen ist. Lukas hat, was er ausser den paar Versen, die er an gleicher Stelle wie Matthaus von der antipharisäischen Rede Jesu beibringt, mit dieser gemein hat, bei zwei pharisäischen Gastmahlen untergebracht, zu welchen er -- eine nur bei ihm sich findende Artigkeit -- Jesum geladen werden lässt (11, 37 ff. 14, 1 ff.), und hier ist unter den jetzigen Auslegern fast nur Eine Stimme darüber, wie natürlich und treu uns Lukas die ursprüng- lichen Veranlassungen dieser Reden aufbewahrt habe 24). Nun nimmt sich wirklich bei dem zweiten der angeführ- ten Pharisäermahle das natürlich genug aus, wie Jesus von dem dabei bemerkbaren Trachten der Geladenen nach den obersten Plätzen Veranlassung nimmt, vor dem Oben- ansitzen bei Gastmahlen schon aus Klugheitsrücksichten 22) Sieffert, über den Ursprung, S. 117 f. 23) Schulz, über das Abendmahl S. 314. Schneckenburger, über den Ursprung, S. 35. 24) Schleiermacher, über den Luk. S. 182. 196 f. Olshausen, S.
617. 655; vgl. die in der vorigen Anm. genannten. Zweiter Abschnitt. die γραμματεῖς, doch nur von wenigen Versen. Wohlmochte aber Jesus, wie auch die neueste Kritik zuge- steht 22), unter den damaligen Umständen veranlaſst sein, sich ausführlicher gegen jene Menschen auszulassen, und es müssen auch wohl solche scharfe Erörterungen der Katastrophe vorausgegangen sein: so daſs man also die Darstellung des Matthäus hier wenigstens nicht nach dem was die beiden andern Synoptiker geben, abmessen darf, zumal die von jenem mitgetheilte Rede in sich selber wohl zusammenhängt. Freilich hat auch hier wieder Lukas Man- ches von dem, was Matthäus zusammenstellt, an verschie- dene Orte und Anlässe vertheilt, und hieraus würde fol- gen, daſs auch dieſsmal Matthäus den ursprünglichen Lehr- stoff mit verwandten Elementen aus andrer Zeit verschmol- zen habe 23), wenn es ausgemacht wäre, daſs die Stel- lung jener Redestücke bei Lukas die richtige sei, was so- fort zu untersuchen ist. Lukas hat, was er ausser den paar Versen, die er an gleicher Stelle wie Matthaus von der antipharisäischen Rede Jesu beibringt, mit dieser gemein hat, bei zwei pharisäischen Gastmahlen untergebracht, zu welchen er — eine nur bei ihm sich findende Artigkeit — Jesum geladen werden läſst (11, 37 ff. 14, 1 ff.), und hier ist unter den jetzigen Auslegern fast nur Eine Stimme darüber, wie natürlich und treu uns Lukas die ursprüng- lichen Veranlassungen dieser Reden aufbewahrt habe 24). Nun nimmt sich wirklich bei dem zweiten der angeführ- ten Pharisäermahle das natürlich genug aus, wie Jesus von dem dabei bemerkbaren Trachten der Geladenen nach den obersten Plätzen Veranlassung nimmt, vor dem Oben- ansitzen bei Gastmahlen schon aus Klugheitsrücksichten 22) Sieffert, über den Ursprung, S. 117 f. 23) Schulz, über das Abendmahl S. 314. Schneckenburger, über den Ursprung, S. 35. 24) Schleiermacher, über den Luk. S. 182. 196 f. Olshausen, S.
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Zweiter Abschnitt.
die γραμματεῖς, doch nur von wenigen Versen. Wohl
mochte aber Jesus, wie auch die neueste Kritik zuge-
steht 22), unter den damaligen Umständen veranlaſst sein,
sich ausführlicher gegen jene Menschen auszulassen, und
es müssen auch wohl solche scharfe Erörterungen der
Katastrophe vorausgegangen sein: so daſs man also die
Darstellung des Matthäus hier wenigstens nicht nach dem
was die beiden andern Synoptiker geben, abmessen darf,
zumal die von jenem mitgetheilte Rede in sich selber wohl
zusammenhängt. Freilich hat auch hier wieder Lukas Man-
ches von dem, was Matthäus zusammenstellt, an verschie-
dene Orte und Anlässe vertheilt, und hieraus würde fol-
gen, daſs auch dieſsmal Matthäus den ursprünglichen Lehr-
stoff mit verwandten Elementen aus andrer Zeit verschmol-
zen habe 23), wenn es ausgemacht wäre, daſs die Stel-
lung jener Redestücke bei Lukas die richtige sei, was so-
fort zu untersuchen ist. Lukas hat, was er ausser den
paar Versen, die er an gleicher Stelle wie Matthaus von
der antipharisäischen Rede Jesu beibringt, mit dieser gemein
hat, bei zwei pharisäischen Gastmahlen untergebracht, zu
welchen er — eine nur bei ihm sich findende Artigkeit —
Jesum geladen werden läſst (11, 37 ff. 14, 1 ff.), und
hier ist unter den jetzigen Auslegern fast nur Eine Stimme
darüber, wie natürlich und treu uns Lukas die ursprüng-
lichen Veranlassungen dieser Reden aufbewahrt habe 24).
Nun nimmt sich wirklich bei dem zweiten der angeführ-
ten Pharisäermahle das natürlich genug aus, wie Jesus
von dem dabei bemerkbaren Trachten der Geladenen nach
den obersten Plätzen Veranlassung nimmt, vor dem Oben-
ansitzen bei Gastmahlen schon aus Klugheitsrücksichten
22) Sieffert, über den Ursprung, S. 117 f.
23) Schulz, über das Abendmahl S. 314. Schneckenburger, über
den Ursprung, S. 35.
24) Schleiermacher, über den Luk. S. 182. 196 f. Olshausen, S.
617. 655; vgl. die in der vorigen Anm. genannten.
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