und vom hochzeitlichen Gewande an, wo sie auch wirklich Matthäus wiederholt (22, 14.). Sie eignete sich aber ganz dazu, auch abgerissen als isolirte Gnome zu cursiren, und da es passend schien, an das Ende einer Gleichnissrede ei- ne oder mehrere dergleichen kurze Sentenzen zu stellen: so mag diese hier wegen einiger äusserlichen Ähnlichkeit mit der andern ihr vom Referenten beigesellt worden sein. Weiter ist dem Matthäus die Parabel von den zwei in den Weinberg geschickten Söhnen (21, 28 ff.) eigenthümlich, wel- che sich an eine Verhandlung mit den Hohenpriestern und Ältesten nicht übel lehnt, und deren antipharisäische Be- deutung durch die Zusätze V. 31 f. auf erwünschte Wei- se in's Licht gestellt ist.
Unter den dem Lukas eigenthümlichen Parabeln ha- ben die von den zwei Schuldnern (7, 41 ff.) die vom barm- herzigen Samariter (10, 30 ff.), die von dem Manne, den im Sammeln irdischer Schätze der Tod unterbricht (12, 16 ff. vrgl. Sir. 11, 17 ff.), so wie die beiden, welche die Wirksamkeit des anhaltenden Gebets versinnlichen (11, 5 ff. 18, 2 ff.) 13) ihren unverkennbaren Sinn, und bis auf die lezte, welche abgebrochen eintritt, auch leidlichen Zusam- menhang; zugleich kann man an den beiden lezten lernen, wie in den Parabeln Jesu oft von einem Zug ganz abstra- hirt werden muss, indem in der einen derselben Gott mit einem trägen Freunde, in der andern mit einem ungerech- ten Richter in Parallele gestellt ist. An die zulezt ge- nannte Parabel schliesst sich die vom Pharisäer und Zöll- ner 14) an (V. 9--14), von welcher nur Schleiermacher, einem selbstgemachten Zusammenhang mit dem Vorherge- henden zulieb, die antipharisäische Tendenz leugnen kann 15). Eine ähnliche Tendenz haben die Gleichnisse
13) Ähnliche rabbinische Aussprüche s. bei Schöttgen, z. d. St.
14) Eine ähnliche Sentenz aus Pirke Aboth s. bei Schöttgen, 1, S. 306 f.
15) Über den Lukas, S. 220.
Sechstes Kapitel. §. 74.
und vom hochzeitlichen Gewande an, wo sie auch wirklich Matthäus wiederholt (22, 14.). Sie eignete sich aber ganz dazu, auch abgerissen als isolirte Gnome zu cursiren, und da es passend schien, an das Ende einer Gleichniſsrede ei- ne oder mehrere dergleichen kurze Sentenzen zu stellen: so mag diese hier wegen einiger äusserlichen Ähnlichkeit mit der andern ihr vom Referenten beigesellt worden sein. Weiter ist dem Matthäus die Parabel von den zwei in den Weinberg geschickten Söhnen (21, 28 ff.) eigenthümlich, wel- che sich an eine Verhandlung mit den Hohenpriestern und Ältesten nicht übel lehnt, und deren antipharisäische Be- deutung durch die Zusätze V. 31 f. auf erwünschte Wei- se in's Licht gestellt ist.
Unter den dem Lukas eigenthümlichen Parabeln ha- ben die von den zwei Schuldnern (7, 41 ff.) die vom barm- herzigen Samariter (10, 30 ff.), die von dem Manne, den im Sammeln irdischer Schätze der Tod unterbricht (12, 16 ff. vrgl. Sir. 11, 17 ff.), so wie die beiden, welche die Wirksamkeit des anhaltenden Gebets versinnlichen (11, 5 ff. 18, 2 ff.) 13) ihren unverkennbaren Sinn, und bis auf die lezte, welche abgebrochen eintritt, auch leidlichen Zusam- menhang; zugleich kann man an den beiden lezten lernen, wie in den Parabeln Jesu oft von einem Zug ganz abstra- hirt werden muſs, indem in der einen derselben Gott mit einem trägen Freunde, in der andern mit einem ungerech- ten Richter in Parallele gestellt ist. An die zulezt ge- nannte Parabel schlieſst sich die vom Pharisäer und Zöll- ner 14) an (V. 9—14), von welcher nur Schleiermacher, einem selbstgemachten Zusammenhang mit dem Vorherge- henden zulieb, die antipharisäische Tendenz leugnen kann 15). Eine ähnliche Tendenz haben die Gleichnisse
13) Ähnliche rabbinische Aussprüche s. bei Schöttgen, z. d. St.
14) Eine ähnliche Sentenz aus Pirke Aboth s. bei Schöttgen, 1, S. 306 f.
15) Über den Lukas, S. 220.
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Sechstes Kapitel. §. 74.
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dazu, auch abgerissen als isolirte Gnome zu cursiren, und
da es passend schien, an das Ende einer Gleichniſsrede ei-
ne oder mehrere dergleichen kurze Sentenzen zu stellen:
so mag diese hier wegen einiger äusserlichen Ähnlichkeit
mit der andern ihr vom Referenten beigesellt worden sein.
Weiter ist dem Matthäus die Parabel von den zwei in den
Weinberg geschickten Söhnen (21, 28 ff.) eigenthümlich, wel-
che sich an eine Verhandlung mit den Hohenpriestern und
Ältesten nicht übel lehnt, und deren antipharisäische Be-
deutung durch die Zusätze V. 31 f. auf erwünschte Wei-
se in's Licht gestellt ist.
Unter den dem Lukas eigenthümlichen Parabeln ha-
ben die von den zwei Schuldnern (7, 41 ff.) die vom barm-
herzigen Samariter (10, 30 ff.), die von dem Manne, den
im Sammeln irdischer Schätze der Tod unterbricht (12,
16 ff. vrgl. Sir. 11, 17 ff.), so wie die beiden, welche die
Wirksamkeit des anhaltenden Gebets versinnlichen (11, 5 ff.
18, 2 ff.) 13) ihren unverkennbaren Sinn, und bis auf die
lezte, welche abgebrochen eintritt, auch leidlichen Zusam-
menhang; zugleich kann man an den beiden lezten lernen,
wie in den Parabeln Jesu oft von einem Zug ganz abstra-
hirt werden muſs, indem in der einen derselben Gott mit
einem trägen Freunde, in der andern mit einem ungerech-
ten Richter in Parallele gestellt ist. An die zulezt ge-
nannte Parabel schlieſst sich die vom Pharisäer und Zöll-
ner 14) an (V. 9—14), von welcher nur Schleiermacher,
einem selbstgemachten Zusammenhang mit dem Vorherge-
henden zulieb, die antipharisäische Tendenz leugnen
kann 15). Eine ähnliche Tendenz haben die Gleichnisse
13) Ähnliche rabbinische Aussprüche s. bei Schöttgen, z. d. St.
14) Eine ähnliche Sentenz aus Pirke Aboth s. bei Schöttgen, 1,
S. 306 f.
15) Über den Lukas, S. 220.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/623>, abgerufen am 24.11.2024.
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