Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiter Abschnitt.
dige Auslegung der zweiten geben zu lassen. Hiedurch ent-
stand ein Conflikt in dem Referenten zwischen den Para-
beln, die ihm noch im Sinne lagen, und der Auslegung,
deren Rückstand ihn drängte: sobald in seiner Erinnerung
an jene die mindeste Stockung entstand, musste er mit die-
[s]er und also mit Schlussformel und Heimkehr bei der Hand
sein, und fielen ihm hierauf noch einige weitere Gleich-
nisse ein, so musste er sie eben nachher noch beisetzen.
So ist es dem Matthäus mit den 3 lezten Parabeln begeg-
net, die er nun fast wider Willen den Jüngern allein muss
vorgetragen werden lassen, für welche doch nicht besondere
Parabeln, sondern nur Auslegungen derselben gehörten; wie
denn auch Markus (V. 33 f.) offenbar voraussezt, die wei-
teren Gleichnisse, die er auf die Auslegung des ersten fol-
gen lässt, seien wieder dem Volke vorgetragen worden 7).

Markus, welcher 4, 1. dieselbe Scene am See malt,
wie Matthäus, stellt nur drei Parabeln zusammen, von wel-
chen die erste der ersten, die dritte (vom Senfkorn) der
dritten bei Matthäus entspricht, die mittlere aber gewöhn-
lich für eine dem Markus ganz eigenthümliche Gleichniss-
rede gehalten wird 8). Matthäus hat hier die Parabel, in
welcher das Himmelreich einem Manne verglichen wird,
der guten Samen in seinen Acker säet; während aber die
Leute schlafen, kommt der Feind, und säet Unkraut darun-
ter, welches sofort mit dem Waizen aufgeht, ohne dass die
Knechte wissen, woher es komme? Sie wollen es ausrau-
fen: aber der Herr giebt ihnen die Weisung, beides mit
einander bis zur Ernte wachsen zu lassen, wo es Zeit ge-
nug sein werde, es zu sondern. Bei Markus vergleicht Je-
sus das Himmelreich einem Manne, der Samen in die Erde
säet, und während er schläft und wieder aufsteht, wächst die

7) Fritzsche, Comm. in Marc. S. 120. 128. 134.
8) Saunier, über die Quellen des Markus, S. 74; Fritzsche,
a. zulezt a. O.

Zweiter Abschnitt.
dige Auslegung der zweiten geben zu lassen. Hiedurch ent-
stand ein Conflikt in dem Referenten zwischen den Para-
beln, die ihm noch im Sinne lagen, und der Auslegung,
deren Rückstand ihn drängte: sobald in seiner Erinnerung
an jene die mindeste Stockung entstand, muſste er mit die-
[s]er und also mit Schluſsformel und Heimkehr bei der Hand
sein, und fielen ihm hierauf noch einige weitere Gleich-
nisse ein, so muſste er sie eben nachher noch beisetzen.
So ist es dem Matthäus mit den 3 lezten Parabeln begeg-
net, die er nun fast wider Willen den Jüngern allein muſs
vorgetragen werden lassen, für welche doch nicht besondere
Parabeln, sondern nur Auslegungen derselben gehörten; wie
denn auch Markus (V. 33 f.) offenbar voraussezt, die wei-
teren Gleichnisse, die er auf die Auslegung des ersten fol-
gen läſst, seien wieder dem Volke vorgetragen worden 7).

Markus, welcher 4, 1. dieselbe Scene am See malt,
wie Matthäus, stellt nur drei Parabeln zusammen, von wel-
chen die erste der ersten, die dritte (vom Senfkorn) der
dritten bei Matthäus entspricht, die mittlere aber gewöhn-
lich für eine dem Markus ganz eigenthümliche Gleichniſs-
rede gehalten wird 8). Matthäus hat hier die Parabel, in
welcher das Himmelreich einem Manne verglichen wird,
der guten Samen in seinen Acker säet; während aber die
Leute schlafen, kommt der Feind, und säet Unkraut darun-
ter, welches sofort mit dem Waizen aufgeht, ohne daſs die
Knechte wissen, woher es komme? Sie wollen es ausrau-
fen: aber der Herr giebt ihnen die Weisung, beides mit
einander bis zur Ernte wachsen zu lassen, wo es Zeit ge-
nug sein werde, es zu sondern. Bei Markus vergleicht Je-
sus das Himmelreich einem Manne, der Samen in die Erde
säet, und während er schläft und wieder aufsteht, wächst die

7) Fritzsche, Comm. in Marc. S. 120. 128. 134.
8) Saunier, über die Quellen des Markus, S. 74; Fritzsche,
a. zulezt a. O.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0620" n="596"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
dige Auslegung der zweiten geben zu lassen. Hiedurch ent-<lb/>
stand ein Conflikt in dem Referenten zwischen den Para-<lb/>
beln, die ihm noch im Sinne lagen, und der Auslegung,<lb/>
deren Rückstand ihn drängte: sobald in seiner Erinnerung<lb/>
an jene die mindeste Stockung entstand, mu&#x017F;ste er mit die-<lb/><supplied>s</supplied>er und also mit Schlu&#x017F;sformel und Heimkehr bei der Hand<lb/>
sein, und fielen ihm hierauf noch einige weitere Gleich-<lb/>
nisse ein, so mu&#x017F;ste er sie eben nachher noch beisetzen.<lb/>
So ist es dem Matthäus mit den 3 lezten Parabeln begeg-<lb/>
net, die er nun fast wider Willen den Jüngern allein mu&#x017F;s<lb/>
vorgetragen werden lassen, für welche doch nicht besondere<lb/>
Parabeln, sondern nur Auslegungen derselben gehörten; wie<lb/>
denn auch Markus (V. 33 f.) offenbar voraussezt, die wei-<lb/>
teren Gleichnisse, die er auf die Auslegung des ersten fol-<lb/>
gen lä&#x017F;st, seien wieder dem Volke vorgetragen worden <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#k">Fritzsche</hi>, Comm. in Marc. S. 120. 128. 134.</note>.</p><lb/>
            <p>Markus, welcher 4, 1. dieselbe Scene am See malt,<lb/>
wie Matthäus, stellt nur drei Parabeln zusammen, von wel-<lb/>
chen die erste der ersten, die dritte (vom Senfkorn) der<lb/>
dritten bei Matthäus entspricht, die mittlere aber gewöhn-<lb/>
lich für eine dem Markus ganz eigenthümliche Gleichni&#x017F;s-<lb/>
rede gehalten wird <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#k">Saunier</hi>, über die Quellen des Markus, S. 74; <hi rendition="#k">Fritzsche</hi>,<lb/>
a. zulezt a. O.</note>. Matthäus hat hier die Parabel, in<lb/>
welcher das Himmelreich einem Manne verglichen wird,<lb/>
der guten Samen in seinen Acker säet; während aber die<lb/>
Leute schlafen, kommt der Feind, und säet Unkraut darun-<lb/>
ter, welches sofort mit dem Waizen aufgeht, ohne da&#x017F;s die<lb/>
Knechte wissen, woher es komme? Sie wollen es ausrau-<lb/>
fen: aber der Herr giebt ihnen die Weisung, beides mit<lb/>
einander bis zur Ernte wachsen zu lassen, wo es Zeit ge-<lb/>
nug sein werde, es zu sondern. Bei Markus vergleicht Je-<lb/>
sus das Himmelreich einem Manne, der Samen in die Erde<lb/>
säet, und während er schläft und wieder aufsteht, wächst die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[596/0620] Zweiter Abschnitt. dige Auslegung der zweiten geben zu lassen. Hiedurch ent- stand ein Conflikt in dem Referenten zwischen den Para- beln, die ihm noch im Sinne lagen, und der Auslegung, deren Rückstand ihn drängte: sobald in seiner Erinnerung an jene die mindeste Stockung entstand, muſste er mit die- ser und also mit Schluſsformel und Heimkehr bei der Hand sein, und fielen ihm hierauf noch einige weitere Gleich- nisse ein, so muſste er sie eben nachher noch beisetzen. So ist es dem Matthäus mit den 3 lezten Parabeln begeg- net, die er nun fast wider Willen den Jüngern allein muſs vorgetragen werden lassen, für welche doch nicht besondere Parabeln, sondern nur Auslegungen derselben gehörten; wie denn auch Markus (V. 33 f.) offenbar voraussezt, die wei- teren Gleichnisse, die er auf die Auslegung des ersten fol- gen läſst, seien wieder dem Volke vorgetragen worden 7). Markus, welcher 4, 1. dieselbe Scene am See malt, wie Matthäus, stellt nur drei Parabeln zusammen, von wel- chen die erste der ersten, die dritte (vom Senfkorn) der dritten bei Matthäus entspricht, die mittlere aber gewöhn- lich für eine dem Markus ganz eigenthümliche Gleichniſs- rede gehalten wird 8). Matthäus hat hier die Parabel, in welcher das Himmelreich einem Manne verglichen wird, der guten Samen in seinen Acker säet; während aber die Leute schlafen, kommt der Feind, und säet Unkraut darun- ter, welches sofort mit dem Waizen aufgeht, ohne daſs die Knechte wissen, woher es komme? Sie wollen es ausrau- fen: aber der Herr giebt ihnen die Weisung, beides mit einander bis zur Ernte wachsen zu lassen, wo es Zeit ge- nug sein werde, es zu sondern. Bei Markus vergleicht Je- sus das Himmelreich einem Manne, der Samen in die Erde säet, und während er schläft und wieder aufsteht, wächst die 7) Fritzsche, Comm. in Marc. S. 120. 128. 134. 8) Saunier, über die Quellen des Markus, S. 74; Fritzsche, a. zulezt a. O.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/620
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/620>, abgerufen am 28.11.2024.