aus späterem Erfolg auf das Verhältniss des Mannes zu Jesu einen unhistorischen Glanz zurückzutragen: so ist kein Grund vorhanden, die Nachricht von der ausgezeich- neten Stellung, welche Jakobus sammt Petrus und Johan- nes zu Jesu gehabt haben soll, in Zweifel zu ziehen.
Um so mehr muss man sich wundern, im vierten Evangelium das Triumvirat dieser Männer beinahe zur Monarchie umgewandelt zu sehen, indem Jakobus, gleich- sam als ein Lepidus, geradezu entlassen ist, zwischen Petrus aber und Johannes, wie zwischen Antonius und Octavian, die Sache so steht, dass der leztere nahe daran ist, den ersteren aus allen Ansprüchen an höheren oder auch nur gleichen Rang mit ihm verdrängt zu haben. Von Jakobus wird selbst der Name im vierten Evangelium nicht genannt, nur im Anhang (21, 2.) kommen einmal oi tou Zebedaiou zusammen vor; während mehrere Berufungs- geschichten, wahrscheinlich auch die des Johannes, mit- getheilt werden, ist von der des Jakobus nicht die Rede; auch tritt er nirgends, wie manche einzelne Apostel in diesem Evangelium, redend auf. Ein anderes ist das Verfahren des vierten Evangelisten mit Petrus. Er lässt ihn gleichfalls unter den ersten in die Gesellschaft Jesu kommen, auch nicht seltener als die Synoptiker bedeutend hervortreten; er verbirgt es nicht, dass Jesus ihm einen ehrenden Bei- namen ertheilt habe (1, 43); er legt ihm (6. 68 f.) ein Be- kenntniss in den Mund, welches nur als Variation des berühmten, Matth. 16, 16, erscheint; auch nach ihm wirft sich Petrus einmal, um schneller zu Jesu zu kommen, in das Meer (21, 7.); bei dem lezten Mahle und im Garten Gethsemane lässt er den Petrus selbst noch thätiger sein, als die Synoptiker (13, 6 ff. 18, 10 f.); er nimmt ihm die Ehre nicht, Jesu in den hohenpriesterlichen Palast ge- folgt (18, 15.) und nach der Auferstehung unter den er- sten zum Grabe Jesu gegangen zu sein (20, 3 ff.); ja selbst noch eine besondre Unterredung des Auferstandenen mit
Zweiter Abschnitt.
aus späterem Erfolg auf das Verhältniſs des Mannes zu Jesu einen unhistorischen Glanz zurückzutragen: so ist kein Grund vorhanden, die Nachricht von der ausgezeich- neten Stellung, welche Jakobus sammt Petrus und Johan- nes zu Jesu gehabt haben soll, in Zweifel zu ziehen.
Um so mehr muſs man sich wundern, im vierten Evangelium das Triumvirat dieser Männer beinahe zur Monarchie umgewandelt zu sehen, indem Jakobus, gleich- sam als ein Lepidus, geradezu entlassen ist, zwischen Petrus aber und Johannes, wie zwischen Antonius und Octavian, die Sache so steht, daſs der leztere nahe daran ist, den ersteren aus allen Ansprüchen an höheren oder auch nur gleichen Rang mit ihm verdrängt zu haben. Von Jakobus wird selbst der Name im vierten Evangelium nicht genannt, nur im Anhang (21, 2.) kommen einmal οἱ τοῦ Ζεβεδαίοῦ zusammen vor; während mehrere Berufungs- geschichten, wahrscheinlich auch die des Johannes, mit- getheilt werden, ist von der des Jakobus nicht die Rede; auch tritt er nirgends, wie manche einzelne Apostel in diesem Evangelium, redend auf. Ein anderes ist das Verfahren des vierten Evangelisten mit Petrus. Er läſst ihn gleichfalls unter den ersten in die Gesellschaft Jesu kommen, auch nicht seltener als die Synoptiker bedeutend hervortreten; er verbirgt es nicht, daſs Jesus ihm einen ehrenden Bei- namen ertheilt habe (1, 43); er legt ihm (6. 68 f.) ein Be- kenntniſs in den Mund, welches nur als Variation des berühmten, Matth. 16, 16, erscheint; auch nach ihm wirft sich Petrus einmal, um schneller zu Jesu zu kommen, in das Meer (21, 7.); bei dem lezten Mahle und im Garten Gethsemane läſst er den Petrus selbst noch thätiger sein, als die Synoptiker (13, 6 ff. 18, 10 f.); er nimmt ihm die Ehre nicht, Jesu in den hohenpriesterlichen Palast ge- folgt (18, 15.) und nach der Auferstehung unter den er- sten zum Grabe Jesu gegangen zu sein (20, 3 ff.); ja selbst noch eine besondre Unterredung des Auferstandenen mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0582"n="558"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
aus späterem Erfolg auf das Verhältniſs des Mannes zu<lb/>
Jesu einen unhistorischen Glanz zurückzutragen: so ist<lb/>
kein Grund vorhanden, die Nachricht von der ausgezeich-<lb/>
neten Stellung, welche Jakobus sammt Petrus und Johan-<lb/>
nes zu Jesu gehabt haben soll, in Zweifel zu ziehen.</p><lb/><p>Um so mehr muſs man sich wundern, im vierten<lb/>
Evangelium das Triumvirat dieser Männer beinahe zur<lb/>
Monarchie umgewandelt zu sehen, indem Jakobus, gleich-<lb/>
sam als ein Lepidus, geradezu entlassen ist, zwischen<lb/>
Petrus aber und Johannes, wie zwischen Antonius und<lb/>
Octavian, die Sache so steht, daſs der leztere nahe daran<lb/>
ist, den ersteren aus allen Ansprüchen an höheren oder<lb/>
auch nur gleichen Rang mit ihm verdrängt zu haben. Von<lb/>
Jakobus wird selbst der Name im vierten Evangelium<lb/>
nicht genannt, nur im Anhang (21, 2.) kommen einmal<lb/><foreignxml:lang="ell">οἱτοῦΖεβεδαίοῦ</foreign> zusammen vor; während mehrere Berufungs-<lb/>
geschichten, wahrscheinlich auch die des Johannes, mit-<lb/>
getheilt werden, ist von der des Jakobus nicht die Rede;<lb/>
auch tritt er nirgends, wie manche einzelne Apostel in<lb/>
diesem Evangelium, redend auf. Ein anderes ist das Verfahren<lb/>
des vierten Evangelisten mit Petrus. Er läſst ihn gleichfalls<lb/>
unter den ersten in die Gesellschaft Jesu kommen, auch<lb/>
nicht seltener als die Synoptiker bedeutend hervortreten;<lb/>
er verbirgt es nicht, daſs Jesus ihm einen ehrenden Bei-<lb/>
namen ertheilt habe (1, 43); er legt ihm (6. 68 f.) ein Be-<lb/>
kenntniſs in den Mund, welches nur als Variation des<lb/>
berühmten, Matth. 16, 16, erscheint; auch nach ihm wirft<lb/>
sich Petrus einmal, um schneller zu Jesu zu kommen, in<lb/>
das Meer (21, 7.); bei dem lezten Mahle und im Garten<lb/>
Gethsemane läſst er den Petrus selbst noch thätiger sein,<lb/>
als die Synoptiker (13, 6 ff. 18, 10 f.); er nimmt ihm die<lb/>
Ehre nicht, Jesu in den hohenpriesterlichen Palast ge-<lb/>
folgt (18, 15.) und nach der Auferstehung unter den er-<lb/>
sten zum Grabe Jesu gegangen zu sein (20, 3 ff.); ja selbst<lb/>
noch eine besondre Unterredung des Auferstandenen mit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[558/0582]
Zweiter Abschnitt.
aus späterem Erfolg auf das Verhältniſs des Mannes zu
Jesu einen unhistorischen Glanz zurückzutragen: so ist
kein Grund vorhanden, die Nachricht von der ausgezeich-
neten Stellung, welche Jakobus sammt Petrus und Johan-
nes zu Jesu gehabt haben soll, in Zweifel zu ziehen.
Um so mehr muſs man sich wundern, im vierten
Evangelium das Triumvirat dieser Männer beinahe zur
Monarchie umgewandelt zu sehen, indem Jakobus, gleich-
sam als ein Lepidus, geradezu entlassen ist, zwischen
Petrus aber und Johannes, wie zwischen Antonius und
Octavian, die Sache so steht, daſs der leztere nahe daran
ist, den ersteren aus allen Ansprüchen an höheren oder
auch nur gleichen Rang mit ihm verdrängt zu haben. Von
Jakobus wird selbst der Name im vierten Evangelium
nicht genannt, nur im Anhang (21, 2.) kommen einmal
οἱ τοῦ Ζεβεδαίοῦ zusammen vor; während mehrere Berufungs-
geschichten, wahrscheinlich auch die des Johannes, mit-
getheilt werden, ist von der des Jakobus nicht die Rede;
auch tritt er nirgends, wie manche einzelne Apostel in
diesem Evangelium, redend auf. Ein anderes ist das Verfahren
des vierten Evangelisten mit Petrus. Er läſst ihn gleichfalls
unter den ersten in die Gesellschaft Jesu kommen, auch
nicht seltener als die Synoptiker bedeutend hervortreten;
er verbirgt es nicht, daſs Jesus ihm einen ehrenden Bei-
namen ertheilt habe (1, 43); er legt ihm (6. 68 f.) ein Be-
kenntniſs in den Mund, welches nur als Variation des
berühmten, Matth. 16, 16, erscheint; auch nach ihm wirft
sich Petrus einmal, um schneller zu Jesu zu kommen, in
das Meer (21, 7.); bei dem lezten Mahle und im Garten
Gethsemane läſst er den Petrus selbst noch thätiger sein,
als die Synoptiker (13, 6 ff. 18, 10 f.); er nimmt ihm die
Ehre nicht, Jesu in den hohenpriesterlichen Palast ge-
folgt (18, 15.) und nach der Auferstehung unter den er-
sten zum Grabe Jesu gegangen zu sein (20, 3 ff.); ja selbst
noch eine besondre Unterredung des Auferstandenen mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/582>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.