Vorzügen bleibt übrigens nur der zunächst an seinen Bei- namen geknüpfte ihm eigenthümlich; die Befugniss des deein und luein, d. h. des Verbietens und Erlaubens 4) im neuerrichteten Messiasreich, wird bald nachher (18, 18.) auf alle Apostel ausgedehnt.
Auf den Petrus lässt der Katalog des ersten und drit- ten Evangeliums seinen Bruder Andreas folgen, der des zweiten Evangeliums und der Apostelgeschichte den Ja- kobus und nach ihm den Johannes. Die ersteren offenbar von der Rücksicht geleitet, die Brüderpaare zusammenzu- stellen: die beiden andern von dem Gesichtspunkt aus, die zwei an Auszeichnung dem Petrus zunächst Stehenden dem minder hervortretenden Andreas vorzusetzen, welchen sie desshalb zum lezten der ersten Tetrade machen. Wie diese Viere in der christlichen Sage durch eine besondre Be- rufungsgeschichte ausgezeichnet worden sind, ist bereits erwogen worden. Sonst stehen sie bei Markus noch einige- male beisammen: zuerst 1, 29, wo Jesus in Begleitung der beiden Zebedaiden in das Haus des Petrus und Andreas tritt, was aber, da die andern Referenten hier nur des Petrus gedenken, vielleicht nur ein Zusatz des Markus aus eignen Mitteln ist, indem er schloss, die vier kurz zuvor berufenen Fischer werden Jesum auch dorthin begleitet, und an des Petrus Hause werde auch sein Bruder Andreas Antheil gehabt haben 5). Noch einmal stehen die Viere Marc. 13, 3. beisammen, wo Jesus das Orakel über die Zerstörung des Tempels und seine Parusie eben ihnen kat' idian mittheilt. Allein die Parallelen haben hievon nichts, und wenn wir bei Matthäus (24, 3.) lesen: proselthon auto oi mathetai kat' idian: so sehen wir schon, dass Markus nur durch einen Irrthum zu jener Angabe gekommen ist. Das kat' idian nämlich, welches er in dem von ihm benüzten Be-
4) vgl. Lightfoot z. d. St.
5) vgl. Saunier, über die Quellen des Markus, S. 55 ff.
Fünftes Kapitel. §. 70.
Vorzügen bleibt übrigens nur der zunächst an seinen Bei- namen geknüpfte ihm eigenthümlich; die Befugniſs des δέειν und λύειν, d. h. des Verbietens und Erlaubens 4) im neuerrichteten Messiasreich, wird bald nachher (18, 18.) auf alle Apostel ausgedehnt.
Auf den Petrus läſst der Katalog des ersten und drit- ten Evangeliums seinen Bruder Andreas folgen, der des zweiten Evangeliums und der Apostelgeschichte den Ja- kobus und nach ihm den Johannes. Die ersteren offenbar von der Rücksicht geleitet, die Brüderpaare zusammenzu- stellen: die beiden andern von dem Gesichtspunkt aus, die zwei an Auszeichnung dem Petrus zunächst Stehenden dem minder hervortretenden Andreas vorzusetzen, welchen sie deſshalb zum lezten der ersten Tetrade machen. Wie diese Viere in der christlichen Sage durch eine besondre Be- rufungsgeschichte ausgezeichnet worden sind, ist bereits erwogen worden. Sonst stehen sie bei Markus noch einige- male beisammen: zuerst 1, 29, wo Jesus in Begleitung der beiden Zebedaiden in das Haus des Petrus und Andreas tritt, was aber, da die andern Referenten hier nur des Petrus gedenken, vielleicht nur ein Zusatz des Markus aus eignen Mitteln ist, indem er schloſs, die vier kurz zuvor berufenen Fischer werden Jesum auch dorthin begleitet, und an des Petrus Hause werde auch sein Bruder Andreas Antheil gehabt haben 5). Noch einmal stehen die Viere Marc. 13, 3. beisammen, wo Jesus das Orakel über die Zerstörung des Tempels und seine Parusie eben ihnen κατ' ἰδίαν mittheilt. Allein die Parallelen haben hievon nichts, und wenn wir bei Matthäus (24, 3.) lesen: προσῆλϑον αὐτῷ οἱ μαϑηταὶ κατ' ἰδίαν: so sehen wir schon, daſs Markus nur durch einen Irrthum zu jener Angabe gekommen ist. Das κατ' ἰδίαν nämlich, welches er in dem von ihm benüzten Be-
4) vgl. Lightfoot z. d. St.
5) vgl. Saunier, über die Quellen des Markus, S. 55 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0579"n="555"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fünftes Kapitel</hi>. §. 70.</fw><lb/>
Vorzügen bleibt übrigens nur der zunächst an seinen Bei-<lb/>
namen geknüpfte ihm eigenthümlich; die Befugniſs des<lb/>δέειν und λύειν, d. h. des Verbietens und Erlaubens <noteplace="foot"n="4)">vgl. <hirendition="#k">Lightfoot</hi> z. d. St.</note> im<lb/>
neuerrichteten Messiasreich, wird bald nachher (18, 18.)<lb/>
auf alle Apostel ausgedehnt.</p><lb/><p>Auf den Petrus läſst der Katalog des ersten und drit-<lb/>
ten Evangeliums seinen Bruder Andreas folgen, der des<lb/>
zweiten Evangeliums und der Apostelgeschichte den Ja-<lb/>
kobus und nach ihm den Johannes. Die ersteren offenbar<lb/>
von der Rücksicht geleitet, die Brüderpaare zusammenzu-<lb/>
stellen: die beiden andern von dem Gesichtspunkt aus, die<lb/>
zwei an Auszeichnung dem Petrus zunächst Stehenden dem<lb/>
minder hervortretenden Andreas vorzusetzen, welchen sie<lb/>
deſshalb zum lezten der ersten Tetrade machen. Wie diese<lb/>
Viere in der christlichen Sage durch eine besondre Be-<lb/>
rufungsgeschichte ausgezeichnet worden sind, ist bereits<lb/>
erwogen worden. Sonst stehen sie bei Markus noch einige-<lb/>
male beisammen: zuerst 1, 29, wo Jesus in Begleitung der<lb/>
beiden Zebedaiden in das Haus des Petrus und Andreas tritt,<lb/>
was aber, da die andern Referenten hier nur des Petrus<lb/>
gedenken, vielleicht nur ein Zusatz des Markus aus eignen<lb/>
Mitteln ist, indem er schloſs, die vier kurz zuvor berufenen<lb/>
Fischer werden Jesum auch dorthin begleitet, und an des<lb/>
Petrus Hause werde auch sein Bruder Andreas Antheil<lb/>
gehabt haben <noteplace="foot"n="5)">vgl. <hirendition="#k">Saunier</hi>, über die Quellen des Markus, S. 55 ff.</note>. Noch einmal stehen die Viere Marc. 13, 3.<lb/>
beisammen, wo Jesus das Orakel über die Zerstörung des<lb/>
Tempels und seine Parusie eben ihnen <foreignxml:lang="ell">κατ' ἰδίαν</foreign> mittheilt.<lb/>
Allein die Parallelen haben hievon nichts, und wenn wir<lb/>
bei Matthäus (24, 3.) lesen: <foreignxml:lang="ell">προσῆλϑοναὐτῷοἱμαϑηταὶ<lb/>κατ' ἰδίαν</foreign>: so sehen wir schon, daſs Markus nur durch<lb/>
einen Irrthum zu jener Angabe gekommen ist. Das <foreignxml:lang="ell">κατ'<lb/>ἰδίαν</foreign> nämlich, welches er in dem von ihm benüzten Be-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[555/0579]
Fünftes Kapitel. §. 70.
Vorzügen bleibt übrigens nur der zunächst an seinen Bei-
namen geknüpfte ihm eigenthümlich; die Befugniſs des
δέειν und λύειν, d. h. des Verbietens und Erlaubens 4) im
neuerrichteten Messiasreich, wird bald nachher (18, 18.)
auf alle Apostel ausgedehnt.
Auf den Petrus läſst der Katalog des ersten und drit-
ten Evangeliums seinen Bruder Andreas folgen, der des
zweiten Evangeliums und der Apostelgeschichte den Ja-
kobus und nach ihm den Johannes. Die ersteren offenbar
von der Rücksicht geleitet, die Brüderpaare zusammenzu-
stellen: die beiden andern von dem Gesichtspunkt aus, die
zwei an Auszeichnung dem Petrus zunächst Stehenden dem
minder hervortretenden Andreas vorzusetzen, welchen sie
deſshalb zum lezten der ersten Tetrade machen. Wie diese
Viere in der christlichen Sage durch eine besondre Be-
rufungsgeschichte ausgezeichnet worden sind, ist bereits
erwogen worden. Sonst stehen sie bei Markus noch einige-
male beisammen: zuerst 1, 29, wo Jesus in Begleitung der
beiden Zebedaiden in das Haus des Petrus und Andreas tritt,
was aber, da die andern Referenten hier nur des Petrus
gedenken, vielleicht nur ein Zusatz des Markus aus eignen
Mitteln ist, indem er schloſs, die vier kurz zuvor berufenen
Fischer werden Jesum auch dorthin begleitet, und an des
Petrus Hause werde auch sein Bruder Andreas Antheil
gehabt haben 5). Noch einmal stehen die Viere Marc. 13, 3.
beisammen, wo Jesus das Orakel über die Zerstörung des
Tempels und seine Parusie eben ihnen κατ' ἰδίαν mittheilt.
Allein die Parallelen haben hievon nichts, und wenn wir
bei Matthäus (24, 3.) lesen: προσῆλϑον αὐτῷ οἱ μαϑηταὶ
κατ' ἰδίαν: so sehen wir schon, daſs Markus nur durch
einen Irrthum zu jener Angabe gekommen ist. Das κατ'
ἰδίαν nämlich, welches er in dem von ihm benüzten Be-
4) vgl. Lightfoot z. d. St.
5) vgl. Saunier, über die Quellen des Markus, S. 55 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/579>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.