Zwölfen herauslesen. Was nun das Auskommen Jesu und seiner Gesellschaft betrifft, so liegen in der Gastfreundlich- keit des Orients, welche bei den Juden besonders dem Rabbinen zu Gute kam; in der Begleitung begüterter Frauen, aitiues diekonoun auto apo ton uparkhonton autais (Luc. 8, 2 f.); endlich in dem nur vom vierten Evangelisten er- wähnten glossokomon (12, 6. 13, 29.), aus welchem neben den Bedürfnissen der Gesellschaft auch noch den Armen Unterstützung gereicht werden konnte, und in welches, wie wir denken müssen, bemittelte Freunde Jesu Beiträge gaben, wie es scheint, Subsistenzmittel genug. Wer diese jedoch entweder ohne eigenen Erwerb der Jünger nicht für zureichend hält, oder überhaupt eine gänzliche Los- sagung der Zwölfe von ihren bürgerlichen Geschäften nicht wahrscheinlich findet, der muss nur seine Ansicht nicht auch den Evangelien aufzwingen wollen, welche vielmehr durch das grosse Gewicht, welches sie auf das aphekamen panta von Seiten der Apostel legen (Matth. 19, 27 ff.) deutlich die entgegengesezte zu erkennen geben.
So weit uns über den Stand der zwölf Jünger Jesu etwas aufbehalten ist, gehörten sie sämmtlich der niederen Klasse an: vier Fischer und ein Zolleinnehmer, und auch für die übrigen macht die Bildungsstufe, welche sie zei- gen, so wie Jesu überall sich äussernde Vorliebe für die ptokhous und nepious (Matth. 5, 3. 11, 5. 25.) wahrschein- lich, dass sie aus ähnlichem Stande gewesen seien.
§. 70. Die Zwölfe einzeln betrachtet. Die drei oder vier vertrautesten Jünger Jesu.
Wir haben im N. T. vier Apostelkataloge, je bei den drei Synoptikern einen und einen in der Apostelgeschichte (Matth. 10, 2--4. Marc. 3, 16--19. Luc. 6, 14--16. A. G. 1, 13). Jedes der vier Verzeichnisse lässt sich in drei Te- traden theilen, deren Flügelmänner, und bei der lezten
Fünftes Kapitel. §. 70.
Zwölfen herauslesen. Was nun das Auskommen Jesu und seiner Gesellschaft betrifft, so liegen in der Gastfreundlich- keit des Orients, welche bei den Juden besonders dem Rabbinen zu Gute kam; in der Begleitung begüterter Frauen, αἴτιυες διηκόνουν αὐτῷ ἀπὸ τῶν ὑπαρχόντων αὐταῖς (Luc. 8, 2 f.); endlich in dem nur vom vierten Evangelisten er- wähnten γλωσσόκομον (12, 6. 13, 29.), aus welchem neben den Bedürfnissen der Gesellschaft auch noch den Armen Unterstützung gereicht werden konnte, und in welches, wie wir denken müssen, bemittelte Freunde Jesu Beiträge gaben, wie es scheint, Subsistenzmittel genug. Wer diese jedoch entweder ohne eigenen Erwerb der Jünger nicht für zureichend hält, oder überhaupt eine gänzliche Los- sagung der Zwölfe von ihren bürgerlichen Geschäften nicht wahrscheinlich findet, der muſs nur seine Ansicht nicht auch den Evangelien aufzwingen wollen, welche vielmehr durch das groſse Gewicht, welches sie auf das ἀφήκαμεν πάντα von Seiten der Apostel legen (Matth. 19, 27 ff.) deutlich die entgegengesezte zu erkennen geben.
So weit uns über den Stand der zwölf Jünger Jesu etwas aufbehalten ist, gehörten sie sämmtlich der niederen Klasse an: vier Fischer und ein Zolleinnehmer, und auch für die übrigen macht die Bildungsstufe, welche sie zei- gen, so wie Jesu überall sich äussernde Vorliebe für die πτωχοὺς und νηπίους (Matth. 5, 3. 11, 5. 25.) wahrschein- lich, daſs sie aus ähnlichem Stande gewesen seien.
§. 70. Die Zwölfe einzeln betrachtet. Die drei oder vier vertrautesten Jünger Jesu.
Wir haben im N. T. vier Apostelkataloge, je bei den drei Synoptikern einen und einen in der Apostelgeschichte (Matth. 10, 2—4. Marc. 3, 16—19. Luc. 6, 14—16. A. G. 1, 13). Jedes der vier Verzeichnisse läſst sich in drei Te- traden theilen, deren Flügelmänner, und bei der lezten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0577"n="553"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fünftes Kapitel</hi>. §. 70.</fw><lb/>
Zwölfen herauslesen. Was nun das Auskommen Jesu und<lb/>
seiner Gesellschaft betrifft, so liegen in der Gastfreundlich-<lb/>
keit des Orients, welche bei den Juden besonders dem<lb/>
Rabbinen zu Gute kam; in der Begleitung begüterter Frauen,<lb/><foreignxml:lang="ell">αἴτιυεςδιηκόνουναὐτῷἀπὸτῶνὑπαρχόντωναὐταῖς</foreign> (Luc.<lb/>
8, 2 f.); endlich in dem nur vom vierten Evangelisten er-<lb/>
wähnten <foreignxml:lang="ell">γλωσσόκομον</foreign> (12, 6. 13, 29.), aus welchem neben<lb/>
den Bedürfnissen der Gesellschaft auch noch den Armen<lb/>
Unterstützung gereicht werden konnte, und in welches,<lb/>
wie wir denken müssen, bemittelte Freunde Jesu Beiträge<lb/>
gaben, wie es scheint, Subsistenzmittel genug. Wer diese<lb/>
jedoch entweder ohne eigenen Erwerb der Jünger nicht<lb/>
für zureichend hält, oder überhaupt eine gänzliche Los-<lb/>
sagung der Zwölfe von ihren bürgerlichen Geschäften<lb/>
nicht wahrscheinlich findet, der muſs nur seine Ansicht<lb/>
nicht auch den Evangelien aufzwingen wollen, welche<lb/>
vielmehr durch das groſse Gewicht, welches sie auf das<lb/><foreignxml:lang="ell">ἀφήκαμενπάντα</foreign> von Seiten der Apostel legen (Matth. 19,<lb/>
27 ff.) deutlich die entgegengesezte zu erkennen geben.</p><lb/><p>So weit uns über den Stand der zwölf Jünger Jesu<lb/>
etwas aufbehalten ist, gehörten sie sämmtlich der niederen<lb/>
Klasse an: vier Fischer und ein Zolleinnehmer, und auch<lb/>
für die übrigen macht die Bildungsstufe, welche sie zei-<lb/>
gen, so wie Jesu überall sich äussernde Vorliebe für die<lb/><foreignxml:lang="ell">πτωχοὺς</foreign> und <foreignxml:lang="ell">νηπίους</foreign> (Matth. 5, 3. 11, 5. 25.) wahrschein-<lb/>
lich, daſs sie aus ähnlichem Stande gewesen seien.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 70.<lb/>
Die Zwölfe einzeln betrachtet. Die drei oder vier vertrautesten<lb/>
Jünger Jesu.</head><lb/><p>Wir haben im N. T. vier Apostelkataloge, je bei den<lb/>
drei Synoptikern einen und einen in der Apostelgeschichte<lb/>
(Matth. 10, 2—4. Marc. 3, 16—19. Luc. 6, 14—16. A. G.<lb/>
1, 13). Jedes der vier Verzeichnisse läſst sich in drei Te-<lb/>
traden theilen, deren Flügelmänner, und bei der lezten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[553/0577]
Fünftes Kapitel. §. 70.
Zwölfen herauslesen. Was nun das Auskommen Jesu und
seiner Gesellschaft betrifft, so liegen in der Gastfreundlich-
keit des Orients, welche bei den Juden besonders dem
Rabbinen zu Gute kam; in der Begleitung begüterter Frauen,
αἴτιυες διηκόνουν αὐτῷ ἀπὸ τῶν ὑπαρχόντων αὐταῖς (Luc.
8, 2 f.); endlich in dem nur vom vierten Evangelisten er-
wähnten γλωσσόκομον (12, 6. 13, 29.), aus welchem neben
den Bedürfnissen der Gesellschaft auch noch den Armen
Unterstützung gereicht werden konnte, und in welches,
wie wir denken müssen, bemittelte Freunde Jesu Beiträge
gaben, wie es scheint, Subsistenzmittel genug. Wer diese
jedoch entweder ohne eigenen Erwerb der Jünger nicht
für zureichend hält, oder überhaupt eine gänzliche Los-
sagung der Zwölfe von ihren bürgerlichen Geschäften
nicht wahrscheinlich findet, der muſs nur seine Ansicht
nicht auch den Evangelien aufzwingen wollen, welche
vielmehr durch das groſse Gewicht, welches sie auf das
ἀφήκαμεν πάντα von Seiten der Apostel legen (Matth. 19,
27 ff.) deutlich die entgegengesezte zu erkennen geben.
So weit uns über den Stand der zwölf Jünger Jesu
etwas aufbehalten ist, gehörten sie sämmtlich der niederen
Klasse an: vier Fischer und ein Zolleinnehmer, und auch
für die übrigen macht die Bildungsstufe, welche sie zei-
gen, so wie Jesu überall sich äussernde Vorliebe für die
πτωχοὺς und νηπίους (Matth. 5, 3. 11, 5. 25.) wahrschein-
lich, daſs sie aus ähnlichem Stande gewesen seien.
§. 70.
Die Zwölfe einzeln betrachtet. Die drei oder vier vertrautesten
Jünger Jesu.
Wir haben im N. T. vier Apostelkataloge, je bei den
drei Synoptikern einen und einen in der Apostelgeschichte
(Matth. 10, 2—4. Marc. 3, 16—19. Luc. 6, 14—16. A. G.
1, 13). Jedes der vier Verzeichnisse läſst sich in drei Te-
traden theilen, deren Flügelmänner, und bei der lezten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/577>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.