Allein wenn man in der synoptischen Relation die Auf forderung Jesu: deute opiso mou und die Bezeichnung des Erfolgs durch ekolouthesan auto von beständiger Begleitung versteht: so fällt es auf, wie man in der johanneischen Erzählung das gleiche akolouthei moi in andrer Bedeutung nehmen kann, und man muss die Consequenz von Paulus loben, wenn er nicht nur in der lezteren, sondern auch in der ersteren Erzählung eine Aufforderung zu einer bloss vorübergehenden Begleitung auf dem nächsten Gange fin- det 2). Allein diese Deutung der synoptischen Erzählung ist unmöglich. Wie hätte doch Petrus später im Namen seiner Mitjünger Jesum so nachdrücklich erinnern können: idou emeis aphekamen panta kai ekolouthesamen soi, und dazu fragen: ti ara esai emin; und wie hätte Jesus den akole- thesantes auto und jedem, der um seinetwillen apheken oikias k. t. l. hundertfältigen Ersaz verheissen können, (Matth. 19, 27 ff.) wenn dieses Verlassen und Nachfolgen und also auch das ganz ebenso bezeichnete in unserer Er- zählung nur ein so vorübergehendes und unterbrochenes gewesen wäre? Wird schon hieraus wahrscheinlich, dass auch das akolouthei moi bei Johannes die Anknüpfung eines bleibenden Verhältnisses bezeichnen werde: so sind über- diess in dem Zusammenhang der johanneischen Erzählung die deutlichsten Spuren hievon zu finden. Ganz nämlich, wie bei den Synoptikern vor dieser Berufungsscene Jesus al- lein erscheint, nachher aber bei jeder schicklichen Gelegenheit die Begleitung seiner mathetai erwähnt wird: so tritt auch im vierten Evangelium der vorher unbegleitete Jesus von je- nem Vorfall an in Gesellschaft von Jüngern auf (2, 2. 12. 17. 3, 22. 4, 8. 27 u. s.), und die Annahme, dass diese in Peräa gewonnenen Jünger nach Jesu Rückkehr nach Galiläa sich wieder zerstreut haben 3), ist den Evangelien nur
2) Leben Jesu, 1, a, 212.
3)Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 213. Sieffert, über den Ur- sprung u. s. f. S. 72.
Zweiter Abschnitt.
Allein wenn man in der synoptischen Relation die Auf forderung Jesu: δεῦτε ὀπίσω μου und die Bezeichnung des Erfolgs durch ἠκολούϑησαν αὐτῷ von beständiger Begleitung versteht: so fällt es auf, wie man in der johanneischen Erzählung das gleiche ἀκολούϑει μοι in andrer Bedeutung nehmen kann, und man muſs die Consequenz von Paulus loben, wenn er nicht nur in der lezteren, sondern auch in der ersteren Erzählung eine Aufforderung zu einer bloſs vorübergehenden Begleitung auf dem nächsten Gange fin- det 2). Allein diese Deutung der synoptischen Erzählung ist unmöglich. Wie hätte doch Petrus später im Namen seiner Mitjünger Jesum so nachdrücklich erinnern können: ἰδοὺ ἡμεῖς άφήκαμεν πάντα καὶ ἠκολουϑήσαμέν σοι, und dazu fragen: τί ἄρα ἔςαι ἡμῖν; und wie hätte Jesus den ἀκολε- ϑήσαντες αὐτῷ und jedem, der um seinetwillen ἀφῆκεν οἰκίας κ. τ. λ. hundertfältigen Ersaz verheiſsen können, (Matth. 19, 27 ff.) wenn dieses Verlassen und Nachfolgen und also auch das ganz ebenso bezeichnete in unserer Er- zählung nur ein so vorübergehendes und unterbrochenes gewesen wäre? Wird schon hieraus wahrscheinlich, daſs auch das ἀκολούϑει μοι bei Johannes die Anknüpfung eines bleibenden Verhältnisses bezeichnen werde: so sind über- dieſs in dem Zusammenhang der johanneischen Erzählung die deutlichsten Spuren hievon zu finden. Ganz nämlich, wie bei den Synoptikern vor dieser Berufungsscene Jesus al- lein erscheint, nachher aber bei jeder schicklichen Gelegenheit die Begleitung seiner μαϑηταὶ erwähnt wird: so tritt auch im vierten Evangelium der vorher unbegleitete Jesus von je- nem Vorfall an in Gesellschaft von Jüngern auf (2, 2. 12. 17. 3, 22. 4, 8. 27 u. s.), und die Annahme, daſs diese in Peräa gewonnenen Jünger nach Jesu Rückkehr nach Galiläa sich wieder zerstreut haben 3), ist den Evangelien nur
2) Leben Jesu, 1, a, 212.
3)Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 213. Sieffert, über den Ur- sprung u. s. f. S. 72.
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versteht: so fällt es auf, wie man in der johanneischen
Erzählung das gleiche ἀκολούϑει μοι in andrer Bedeutung
nehmen kann, und man muſs die Consequenz von Paulus
loben, wenn er nicht nur in der lezteren, sondern auch in
der ersteren Erzählung eine Aufforderung zu einer bloſs
vorübergehenden Begleitung auf dem nächsten Gange fin-
det 2). Allein diese Deutung der synoptischen Erzählung
ist unmöglich. Wie hätte doch Petrus später im Namen
seiner Mitjünger Jesum so nachdrücklich erinnern können:
ἰδοὺ ἡμεῖς άφήκαμεν πάντα καὶ ἠκολουϑήσαμέν σοι, und dazu
fragen: τί ἄρα ἔςαι ἡμῖν; und wie hätte Jesus den ἀκολε-
ϑήσαντες αὐτῷ und jedem, der um seinetwillen ἀφῆκεν
οἰκίας κ. τ. λ. hundertfältigen Ersaz verheiſsen können,
(Matth. 19, 27 ff.) wenn dieses Verlassen und Nachfolgen
und also auch das ganz ebenso bezeichnete in unserer Er-
zählung nur ein so vorübergehendes und unterbrochenes
gewesen wäre? Wird schon hieraus wahrscheinlich, daſs
auch das ἀκολούϑει μοι bei Johannes die Anknüpfung eines
bleibenden Verhältnisses bezeichnen werde: so sind über-
dieſs in dem Zusammenhang der johanneischen Erzählung
die deutlichsten Spuren hievon zu finden. Ganz nämlich,
wie bei den Synoptikern vor dieser Berufungsscene Jesus al-
lein erscheint, nachher aber bei jeder schicklichen Gelegenheit
die Begleitung seiner μαϑηταὶ erwähnt wird: so tritt auch
im vierten Evangelium der vorher unbegleitete Jesus von je-
nem Vorfall an in Gesellschaft von Jüngern auf (2, 2. 12.
17. 3, 22. 4, 8. 27 u. s.), und die Annahme, daſs diese
in Peräa gewonnenen Jünger nach Jesu Rückkehr nach
Galiläa sich wieder zerstreut haben 3), ist den Evangelien nur
2) Leben Jesu, 1, a, 212.
3) Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 213. Sieffert, über den Ur-
sprung u. s. f. S. 72.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/546>, abgerufen am 22.11.2024.
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