ge die Welt steht 15). Zwar scheint Luc. 16, 16, wenn es heisst: o nomos kai oi p ophetai eos Ioannou; die Gültig- keit des Gesetzes schon mit dem Auftritt des Täufers auf- gehoben; indess verliert diese Stelle durch die Parallele Matth. 11, 13. ebenso ihren ungünstigen Sinn, als freilich der Ausspruch Matth. 5, 18. in Luc. 16, 17. seinen günsti- gen. Hienach wären dann die Ansicht Jesu und die des Pau- lus nur so verschieden, dass, was jener erst auf der bei seiner Wiederkunft zu erneuernden Erde sich als wegfal- lend dachte, dieser schon in Folge der ersten Ankunft des Messias, noch auf der alten Erde, abschaffen zu dürfen glaubte 16).
§. 64. Umfang des messianischen Plans Jesu. Verhältniss zu den Heiden.
Unerachtet faktisch das von Jesu gestiftete Reich sich frühzeitig über die Grenzen des jüdischen Volkes hinaus verbreitet hat: so möchte man doch nach einigen Indicien urtheilen, dass eine solche Ausdehnung gar nicht in sei- ner Absicht gelegen habe 1). Denn als er die Zwölfe auf die erste Missionsreise aussendet, weiss er ihnen nichts angelegentlicher einzuschärfen, als: eis odon ethnon me apel- thete -- poreuesthe de mallon pros ta probata ta apololota oikou Israel (Matth. 10, 5 f.). Dass diesen Ausspruch nur Matthäus hat, die beiden andern Synoptiker aber nicht, diess ist schwerlich so zu erklären, dass der judaisirende Verfas- ser des ersten Evangeliums diese Worte mit Unrecht hinzuge- sezt, sondern umgekehrt so, dass die hellenisirenden Ver- fasser der beiden andern sie weggelassen haben. Denn da unser Matthäus doch nicht so sehr judaisirt, dass er Jesu die Absicht unterlegte, das messianische Reich auf Juden
15) Vgl. Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 598 f.
16) Rabbinische Vorstellungen von Abschaffung des Gesetzes s. bei Schöttgen 2, S. 611 ff.
1) So der Wolfenbüttler Fragmentist, a. a. O. S. 72 ff.
Zweiter Abschnitt.
ge die Welt steht 15). Zwar scheint Luc. 16, 16, wenn es heiſst: ὁ νόμος καὶ οἱ π οφῆται ἕως Ἰωάννου· die Gültig- keit des Gesetzes schon mit dem Auftritt des Täufers auf- gehoben; indeſs verliert diese Stelle durch die Parallele Matth. 11, 13. ebenso ihren ungünstigen Sinn, als freilich der Ausspruch Matth. 5, 18. in Luc. 16, 17. seinen günsti- gen. Hienach wären dann die Ansicht Jesu und die des Pau- lus nur so verschieden, daſs, was jener erst auf der bei seiner Wiederkunft zu erneuernden Erde sich als wegfal- lend dachte, dieser schon in Folge der ersten Ankunft des Messias, noch auf der alten Erde, abschaffen zu dürfen glaubte 16).
§. 64. Umfang des messianischen Plans Jesu. Verhältniss zu den Heiden.
Unerachtet faktisch das von Jesu gestiftete Reich sich frühzeitig über die Grenzen des jüdischen Volkes hinaus verbreitet hat: so möchte man doch nach einigen Indicien urtheilen, daſs eine solche Ausdehnung gar nicht in sei- ner Absicht gelegen habe 1). Denn als er die Zwölfe auf die erste Missionsreise aussendet, weiſs er ihnen nichts angelegentlicher einzuschärfen, als: εἰς ὁδὸν ἐϑνῶν μὴ ἀπέλ- ϑητε — πορεύεσϑε δὲ μᾶλλον πρὸς τὰ πρόβατα τὰ ἀπολωλότα οἴκου Ἰσραήλ (Matth. 10, 5 f.). Daſs diesen Ausspruch nur Matthäus hat, die beiden andern Synoptiker aber nicht, dieſs ist schwerlich so zu erklären, daſs der judaisirende Verfas- ser des ersten Evangeliums diese Worte mit Unrecht hinzuge- sezt, sondern umgekehrt so, daſs die hellenisirenden Ver- fasser der beiden andern sie weggelassen haben. Denn da unser Matthäus doch nicht so sehr judaisirt, daſs er Jesu die Absicht unterlegte, das messianische Reich auf Juden
15) Vgl. Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 598 f.
16) Rabbinische Vorstellungen von Abschaffung des Gesetzes s. bei Schöttgen 2, S. 611 ff.
1) So der Wolfenbüttler Fragmentist, a. a. O. S. 72 ff.
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[502/0526]
Zweiter Abschnitt.
ge die Welt steht 15). Zwar scheint Luc. 16, 16, wenn
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keit des Gesetzes schon mit dem Auftritt des Täufers auf-
gehoben; indeſs verliert diese Stelle durch die Parallele
Matth. 11, 13. ebenso ihren ungünstigen Sinn, als freilich
der Ausspruch Matth. 5, 18. in Luc. 16, 17. seinen günsti-
gen. Hienach wären dann die Ansicht Jesu und die des Pau-
lus nur so verschieden, daſs, was jener erst auf der bei
seiner Wiederkunft zu erneuernden Erde sich als wegfal-
lend dachte, dieser schon in Folge der ersten Ankunft des
Messias, noch auf der alten Erde, abschaffen zu dürfen
glaubte 16).
§. 64.
Umfang des messianischen Plans Jesu. Verhältniss zu den Heiden.
Unerachtet faktisch das von Jesu gestiftete Reich sich
frühzeitig über die Grenzen des jüdischen Volkes hinaus
verbreitet hat: so möchte man doch nach einigen Indicien
urtheilen, daſs eine solche Ausdehnung gar nicht in sei-
ner Absicht gelegen habe 1). Denn als er die Zwölfe auf
die erste Missionsreise aussendet, weiſs er ihnen nichts
angelegentlicher einzuschärfen, als: εἰς ὁδὸν ἐϑνῶν μὴ ἀπέλ-
ϑητε — πορεύεσϑε δὲ μᾶλλον πρὸς τὰ πρόβατα τὰ ἀπολωλότα
οἴκου Ἰσραήλ (Matth. 10, 5 f.). Daſs diesen Ausspruch nur
Matthäus hat, die beiden andern Synoptiker aber nicht, dieſs
ist schwerlich so zu erklären, daſs der judaisirende Verfas-
ser des ersten Evangeliums diese Worte mit Unrecht hinzuge-
sezt, sondern umgekehrt so, daſs die hellenisirenden Ver-
fasser der beiden andern sie weggelassen haben. Denn da
unser Matthäus doch nicht so sehr judaisirt, daſs er Jesu
die Absicht unterlegte, das messianische Reich auf Juden
15) Vgl. Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 598 f.
16) Rabbinische Vorstellungen von Abschaffung des Gesetzes
s. bei Schöttgen 2, S. 611 ff.
1) So der Wolfenbüttler Fragmentist, a. a. O. S. 72 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/526>, abgerufen am 19.11.2024.
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