Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. Lukas zusammenstimmt, der Höhepunkt einer so viel mansehen kann ununterbrochenen galiläischen Wirksamkeit Jesu ist. So lässt sich also an diesem Punkte der Chronologie der drei ersten Evangelisten durch die des vierten nicht aufhelfen, indem sich nirgends eine Fuge zeigt, an wel- cher die Darstellung des Lezteren in die der Ersteren ein- greifen könnte. -- Ein anderes entschiedeneres Zusammen- treffen des Johannes mit den Synoptikern findet sich in den aneinanderhängenden Erzählungen von der Speisung und dem Wandeln auf dem Meer Joh. 6, 1--21. Matth. 14, 14--36. parallel., welche Johannes (6, 4.) in die Zeit un- mittelbar vor dem zweiten, von Jesus nicht besuchten, Pascha verlegt. Aber hier sind vollends die Anfangs- und Endpunkte der Erzählung auf beiden Seiten so verschie- den, dass man sagen muss: der eine oder der andere Theil hat sie in falsche Verbindung gestellt. Denn während Je- sus nach Matthäus von Nazaret, in jedem Fall von Galiläa aus auf das jenseitige Ufer sich zurückzieht, wo sofort die Speisung erfolgt: kommt er nach Johannes von Jerusalem und Judäa her, -- und während er bei den beiden ersten Evangelisten nach der Speisung in eine Gegend, wo er minder bekannt war (es wird ja Matth. V. 34. ausdrück- lich herausgehoben, dass die Leute ihn erkannt haben), sich begiebt, geht er nach Johannes gerade in die ihm vertrauteste Stadt, nach Kapernaum. Wenn wir so nicht wissen, ob nicht das genannte Ereigniss bei den Synopti- kern oder bei Johannes zu früh oder zu spät gesezt ist: so können wir auch nicht absehen, wie viele von den syn- optischen Erzählungen vor und wie viele nach dem mit jener Speisung zusammentreffenden zweiten Pascha zu se- zen sind. Damit sind nun aber die Berührungspunkte aus der Zeit vor der lezten Reise Jesu zu Ende, und wenn schon diese so wenig sicher sind, dass sie eine Verthei- lung des synoptischen Stoffs durch die beiden Paschafeste vergebens versprechen: wie kann man hoffen, durch die Zweiter Abschnitt. Lukas zusammenstimmt, der Höhepunkt einer so viel mansehen kann ununterbrochenen galiläischen Wirksamkeit Jesu ist. So läſst sich also an diesem Punkte der Chronologie der drei ersten Evangelisten durch die des vierten nicht aufhelfen, indem sich nirgends eine Fuge zeigt, an wel- cher die Darstellung des Lezteren in die der Ersteren ein- greifen könnte. — Ein anderes entschiedeneres Zusammen- treffen des Johannes mit den Synoptikern findet sich in den aneinanderhängenden Erzählungen von der Speisung und dem Wandeln auf dem Meer Joh. 6, 1—21. Matth. 14, 14—36. parallel., welche Johannes (6, 4.) in die Zeit un- mittelbar vor dem zweiten, von Jesus nicht besuchten, Pascha verlegt. Aber hier sind vollends die Anfangs- und Endpunkte der Erzählung auf beiden Seiten so verschie- den, daſs man sagen muſs: der eine oder der andere Theil hat sie in falsche Verbindung gestellt. Denn während Je- sus nach Matthäus von Nazaret, in jedem Fall von Galiläa aus auf das jenseitige Ufer sich zurückzieht, wo sofort die Speisung erfolgt: kommt er nach Johannes von Jerusalem und Judäa her, — und während er bei den beiden ersten Evangelisten nach der Speisung in eine Gegend, wo er minder bekannt war (es wird ja Matth. V. 34. ausdrück- lich herausgehoben, daſs die Leute ihn erkannt haben), sich begiebt, geht er nach Johannes gerade in die ihm vertrauteste Stadt, nach Kapernaum. Wenn wir so nicht wissen, ob nicht das genannte Ereigniſs bei den Synopti- kern oder bei Johannes zu früh oder zu spät gesezt ist: so können wir auch nicht absehen, wie viele von den syn- optischen Erzählungen vor und wie viele nach dem mit jener Speisung zusammentreffenden zweiten Pascha zu se- zen sind. Damit sind nun aber die Berührungspunkte aus der Zeit vor der lezten Reise Jesu zu Ende, und wenn schon diese so wenig sicher sind, daſs sie eine Verthei- lung des synoptischen Stoffs durch die beiden Paschafeste vergebens versprechen: wie kann man hoffen, durch die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0484" n="460"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> Lukas zusammenstimmt, der Höhepunkt einer so viel man<lb/> sehen kann ununterbrochenen galiläischen Wirksamkeit Jesu<lb/> ist. So läſst sich also an diesem Punkte der Chronologie<lb/> der drei ersten Evangelisten durch die des vierten nicht<lb/> aufhelfen, indem sich nirgends eine Fuge zeigt, an wel-<lb/> cher die Darstellung des Lezteren in die der Ersteren ein-<lb/> greifen könnte. — Ein anderes entschiedeneres Zusammen-<lb/> treffen des Johannes mit den Synoptikern findet sich in<lb/> den aneinanderhängenden Erzählungen von der Speisung<lb/> und dem Wandeln auf dem Meer Joh. 6, 1—21. Matth. 14,<lb/> 14—36. parallel., welche Johannes (6, 4.) in die Zeit un-<lb/> mittelbar vor dem zweiten, von Jesus nicht besuchten,<lb/> Pascha verlegt. Aber hier sind vollends die Anfangs- und<lb/> Endpunkte der Erzählung auf beiden Seiten so verschie-<lb/> den, daſs man sagen muſs: der eine oder der andere Theil<lb/> hat sie in falsche Verbindung gestellt. Denn während Je-<lb/> sus nach Matthäus von Nazaret, in jedem Fall von Galiläa<lb/> aus auf das jenseitige Ufer sich zurückzieht, wo sofort die<lb/> Speisung erfolgt: kommt er nach Johannes von Jerusalem<lb/> und Judäa her, — und während er bei den beiden ersten<lb/> Evangelisten nach der Speisung in eine Gegend, wo er<lb/> minder bekannt war (es wird ja Matth. V. 34. ausdrück-<lb/> lich herausgehoben, daſs die Leute ihn erkannt haben),<lb/> sich begiebt, geht er nach Johannes gerade in die ihm<lb/> vertrauteste Stadt, nach Kapernaum. Wenn wir so nicht<lb/> wissen, ob nicht das genannte Ereigniſs bei den Synopti-<lb/> kern oder bei Johannes zu früh oder zu spät gesezt ist:<lb/> so können wir auch nicht absehen, wie viele von den syn-<lb/> optischen Erzählungen vor und wie viele nach dem mit<lb/> jener Speisung zusammentreffenden zweiten Pascha zu se-<lb/> zen sind. Damit sind nun aber die Berührungspunkte aus<lb/> der Zeit vor der lezten Reise Jesu zu Ende, und wenn<lb/> schon diese so wenig sicher sind, daſs sie eine Verthei-<lb/> lung des synoptischen Stoffs durch die beiden Paschafeste<lb/> vergebens versprechen: wie kann man hoffen, durch die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0484]
Zweiter Abschnitt.
Lukas zusammenstimmt, der Höhepunkt einer so viel man
sehen kann ununterbrochenen galiläischen Wirksamkeit Jesu
ist. So läſst sich also an diesem Punkte der Chronologie
der drei ersten Evangelisten durch die des vierten nicht
aufhelfen, indem sich nirgends eine Fuge zeigt, an wel-
cher die Darstellung des Lezteren in die der Ersteren ein-
greifen könnte. — Ein anderes entschiedeneres Zusammen-
treffen des Johannes mit den Synoptikern findet sich in
den aneinanderhängenden Erzählungen von der Speisung
und dem Wandeln auf dem Meer Joh. 6, 1—21. Matth. 14,
14—36. parallel., welche Johannes (6, 4.) in die Zeit un-
mittelbar vor dem zweiten, von Jesus nicht besuchten,
Pascha verlegt. Aber hier sind vollends die Anfangs- und
Endpunkte der Erzählung auf beiden Seiten so verschie-
den, daſs man sagen muſs: der eine oder der andere Theil
hat sie in falsche Verbindung gestellt. Denn während Je-
sus nach Matthäus von Nazaret, in jedem Fall von Galiläa
aus auf das jenseitige Ufer sich zurückzieht, wo sofort die
Speisung erfolgt: kommt er nach Johannes von Jerusalem
und Judäa her, — und während er bei den beiden ersten
Evangelisten nach der Speisung in eine Gegend, wo er
minder bekannt war (es wird ja Matth. V. 34. ausdrück-
lich herausgehoben, daſs die Leute ihn erkannt haben),
sich begiebt, geht er nach Johannes gerade in die ihm
vertrauteste Stadt, nach Kapernaum. Wenn wir so nicht
wissen, ob nicht das genannte Ereigniſs bei den Synopti-
kern oder bei Johannes zu früh oder zu spät gesezt ist:
so können wir auch nicht absehen, wie viele von den syn-
optischen Erzählungen vor und wie viele nach dem mit
jener Speisung zusammentreffenden zweiten Pascha zu se-
zen sind. Damit sind nun aber die Berührungspunkte aus
der Zeit vor der lezten Reise Jesu zu Ende, und wenn
schon diese so wenig sicher sind, daſs sie eine Verthei-
lung des synoptischen Stoffs durch die beiden Paschafeste
vergebens versprechen: wie kann man hoffen, durch die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |