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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Einleitung. §. 6.
lösen, kann Niemand etwas haben, bemerkt Eichhorn, und
giebt damit die Vordersätze des Wolfenbüttler Fragmenti-
sten zu: aber daraus zu folgern, dass Moses ein Betrü-
ger gewesen, diesen Schlusssatz des Fragmentisten erklärt
er für eine Übereilung und Ungerechtigkeit. So nahm
Eichhorn, wie die Naturalisten, der biblischen Geschich-
te ihren unmittelbar göttlichen Inhalt, nur dass er den
übernatürlichen Schein, welcher dieselbe umkleidet, nicht
mit jenen aus absichtlich trügerischer Färbung, sondern
als von selbst entstanden durch die alterthümliche Beleuch-
tung erklärte.

Nach diesen Grundsätzen suchte nun Eichhorn d[i]e
Geschichten eines Noa, Abraham, Moses natürlich zu er-
klären. Im Lichte ihrer Zeit betrachtet, sei die Berufung
des Lezteren nichts Andres gewesen, als dass dieser Pa-
triot den lange gehegten Gedanken, sein Volk zu befreien,
als er ihm im Traume mit erneuter Lebendigkeit wieder-
kehrte, für eine göttliche Eingebung hielt; das Rauchen
und Brennen des Sinai bei seiner Gesetzgebung war wei-
ter nichts als ein Feuer, welches er, um der Einbildungs-
kraft seines Volkes zu Hülfe zu kommen, auf dem Berge
anzündete, womit zufällig noch ein starkes Gewitter zu-
sammentraf; das Leuchten seines Angesichts endlich war
eine natürliche Folge grosser Erhitzung, was mit dem
Volke auch Moses selbst, weil er dessen wahre Ursache
nicht kannte, für etwas Göttliches hielt. -- Sparsamer war
Eichhorn in Anwendung dieser Erklärungsweise auf des
N. T., und es waren hauptsächlich nur einige Fakta aus
der Apostelgeschichte, welche er derselben zu unterwer-
fen sich erlaubte, wie das Pfingstwunder 2), die Bekeh-
rung des Apostels Paulus 3) und die zahlreichen Engeler-

2) Eichhorns allgem. Bibliothek. 1. Bd. 1, 91 ff. 2, 757 ff. 3,
225 ff.
3) Ebend. 6. Bd. S. 1 ff.
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Einleitung. §. 6.
lösen, kann Niemand etwas haben, bemerkt Eichhorn, und
giebt damit die Vordersätze des Wolfenbüttler Fragmenti-
sten zu: aber daraus zu folgern, daſs Moses ein Betrü-
ger gewesen, diesen Schluſssatz des Fragmentisten erklärt
er für eine Übereilung und Ungerechtigkeit. So nahm
Eichhorn, wie die Naturalisten, der biblischen Geschich-
te ihren unmittelbar göttlichen Inhalt, nur daſs er den
übernatürlichen Schein, welcher dieselbe umkleidet, nicht
mit jenen aus absichtlich trügerischer Färbung, sondern
als von selbst entstanden durch die alterthümliche Beleuch-
tung erklärte.

Nach diesen Grundsätzen suchte nun Eichhorn d[i]e
Geschichten eines Noa, Abraham, Moses natürlich zu er-
klären. Im Lichte ihrer Zeit betrachtet, sei die Berufung
des Lezteren nichts Andres gewesen, als daſs dieser Pa-
triot den lange gehegten Gedanken, sein Volk zu befreien,
als er ihm im Traume mit erneuter Lebendigkeit wieder-
kehrte, für eine göttliche Eingebung hielt; das Rauchen
und Brennen des Sinai bei seiner Gesetzgebung war wei-
ter nichts als ein Feuer, welches er, um der Einbildungs-
kraft seines Volkes zu Hülfe zu kommen, auf dem Berge
anzündete, womit zufällig noch ein starkes Gewitter zu-
sammentraf; das Leuchten seines Angesichts endlich war
eine natürliche Folge groſser Erhitzung, was mit dem
Volke auch Moses selbst, weil er dessen wahre Ursache
nicht kannte, für etwas Göttliches hielt. — Sparsamer war
Eichhorn in Anwendung dieser Erklärungsweise auf des
N. T., und es waren hauptsächlich nur einige Fakta aus
der Apostelgeschichte, welche er derselben zu unterwer-
fen sich erlaubte, wie das Pfingstwunder 2), die Bekeh-
rung des Apostels Paulus 3) und die zahlreichen Engeler-

2) Eichhorns allgem. Bibliothek. 1. Bd. 1, 91 ff. 2, 757 ff. 3,
225 ff.
3) Ebend. 6. Bd. S. 1 ff.
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[19/0043] Einleitung. §. 6. lösen, kann Niemand etwas haben, bemerkt Eichhorn, und giebt damit die Vordersätze des Wolfenbüttler Fragmenti- sten zu: aber daraus zu folgern, daſs Moses ein Betrü- ger gewesen, diesen Schluſssatz des Fragmentisten erklärt er für eine Übereilung und Ungerechtigkeit. So nahm Eichhorn, wie die Naturalisten, der biblischen Geschich- te ihren unmittelbar göttlichen Inhalt, nur daſs er den übernatürlichen Schein, welcher dieselbe umkleidet, nicht mit jenen aus absichtlich trügerischer Färbung, sondern als von selbst entstanden durch die alterthümliche Beleuch- tung erklärte. Nach diesen Grundsätzen suchte nun Eichhorn die Geschichten eines Noa, Abraham, Moses natürlich zu er- klären. Im Lichte ihrer Zeit betrachtet, sei die Berufung des Lezteren nichts Andres gewesen, als daſs dieser Pa- triot den lange gehegten Gedanken, sein Volk zu befreien, als er ihm im Traume mit erneuter Lebendigkeit wieder- kehrte, für eine göttliche Eingebung hielt; das Rauchen und Brennen des Sinai bei seiner Gesetzgebung war wei- ter nichts als ein Feuer, welches er, um der Einbildungs- kraft seines Volkes zu Hülfe zu kommen, auf dem Berge anzündete, womit zufällig noch ein starkes Gewitter zu- sammentraf; das Leuchten seines Angesichts endlich war eine natürliche Folge groſser Erhitzung, was mit dem Volke auch Moses selbst, weil er dessen wahre Ursache nicht kannte, für etwas Göttliches hielt. — Sparsamer war Eichhorn in Anwendung dieser Erklärungsweise auf des N. T., und es waren hauptsächlich nur einige Fakta aus der Apostelgeschichte, welche er derselben zu unterwer- fen sich erlaubte, wie das Pfingstwunder 2), die Bekeh- rung des Apostels Paulus 3) und die zahlreichen Engeler- 2) Eichhorns allgem. Bibliothek. 1. Bd. 1, 91 ff. 2, 757 ff. 3, 225 ff. 3) Ebend. 6. Bd. S. 1 ff. 2*

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/43>, abgerufen am 23.11.2024.