Was Markus mit den Thieren will, ist schwer zu sa- gen. Die meisten Erklärer meinen, er wolle das schau- derhafte Bild der Wüste dadurch vollenden 10); doch ist nicht ohne Grund hiegegen erinnert worden, dass dann der Zusatz enger mit dem en en te eremo verbunden und nicht erst nach dem peirazom[e]nos gestellt sein müsste 11). Usteri hat die Vermuthung geäussert, ob nicht vielleicht durch diesen Zug Christus als Antitypus von Adam darge- stellt werden solle, welcher auch im Paradies in einem eigenthümlichen Verhältniss zu den Thieren gestanden ha- be 12), und Olshausen hat diesen mystischen Zug begierig aufgegriffen 13); doch auch diese Deutung findet zu wenig Hülfe in dem Zusammenhang. Wenn Schleiermacher die- sen Zug als einen abenteuerlichen bezeichnet 14), so meint er diess doch ohne Zweifel so, dass durch denselben Mar- kus, wie auch sonst öfters durch übertreibende Züge, an die Weise der apokryphischen Evangelien streife, von deren willkührlichen Dichtungen wir nicht selten keinen Anlass und Zweck mehr angeben können, und so müssen wir uns wohl auch hier vor der Hand bescheiden, in den Sinn dieser Angabe des Markus eindringen zu wollen.
In Bezug auf die Differenz zwischen Matthäus und Lu- kas in der Anordnung der einzelnen Versuchungen wird es wohl gleichfalls bei demjenigen sein Bewenden haben, was Schleiermacher zur Erklärung und Beurtheilung die- ser Abweichung gesagt hat 15), dass nämlich die Ordnung des Matthäus als die ursprüngliche erscheine, weil sie nach
10) So schon Euthymius, jetzt Kuinöl u. A. z. d. St.
11)Fritzsche z. d. St.
12) Beitrag zur Erklärung der Versuchungsgeschichte, in Ull- mann's und Umbreit's Studien, 1834, 4, S. 789.
13) Bibl. Comm. 1, S. 192.
14) Über den Lukas, S. 56.
15) Ebendas. S. 55 f.
Zweiter Abschnitt.
Was Markus mit den Thieren will, ist schwer zu sa- gen. Die meisten Erklärer meinen, er wolle das schau- derhafte Bild der Wüste dadurch vollenden 10); doch ist nicht ohne Grund hiegegen erinnert worden, daſs dann der Zusatz enger mit dem ἦν ἐν τῇ ἐρήμῳ verbunden und nicht erst nach dem πειραζόμ[ε]νος gestellt sein müſste 11). Usteri hat die Vermuthung geäussert, ob nicht vielleicht durch diesen Zug Christus als Antitypus von Adam darge- stellt werden solle, welcher auch im Paradies in einem eigenthümlichen Verhältniſs zu den Thieren gestanden ha- be 12), und Olshausen hat diesen mystischen Zug begierig aufgegriffen 13); doch auch diese Deutung findet zu wenig Hülfe in dem Zusammenhang. Wenn Schleiermacher die- sen Zug als einen abenteuerlichen bezeichnet 14), so meint er dieſs doch ohne Zweifel so, daſs durch denselben Mar- kus, wie auch sonst öfters durch übertreibende Züge, an die Weise der apokryphischen Evangelien streife, von deren willkührlichen Dichtungen wir nicht selten keinen Anlaſs und Zweck mehr angeben können, und so müssen wir uns wohl auch hier vor der Hand bescheiden, in den Sinn dieser Angabe des Markus eindringen zu wollen.
In Bezug auf die Differenz zwischen Matthäus und Lu- kas in der Anordnung der einzelnen Versuchungen wird es wohl gleichfalls bei demjenigen sein Bewenden haben, was Schleiermacher zur Erklärung und Beurtheilung die- ser Abweichung gesagt hat 15), daſs nämlich die Ordnung des Matthäus als die ursprüngliche erscheine, weil sie nach
10) So schon Euthymius, jetzt Kuinöl u. A. z. d. St.
11)Fritzsche z. d. St.
12) Beitrag zur Erklärung der Versuchungsgeschichte, in Ull- mann's und Umbreit's Studien, 1834, 4, S. 789.
13) Bibl. Comm. 1, S. 192.
14) Über den Lukas, S. 56.
15) Ebendas. S. 55 f.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0426"n="402"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/><p>Was Markus mit den Thieren will, ist schwer zu sa-<lb/>
gen. Die meisten Erklärer meinen, er wolle das schau-<lb/>
derhafte Bild der Wüste dadurch vollenden <noteplace="foot"n="10)">So schon Euthymius, jetzt <hirendition="#k">Kuinöl</hi> u. A. z. d. St.</note>; doch ist<lb/>
nicht ohne Grund hiegegen erinnert worden, daſs dann<lb/>
der Zusatz enger mit dem <foreignxml:lang="ell">ἦνἐντῇἐρήμῳ</foreign> verbunden und<lb/>
nicht erst nach dem πειραζόμ<supplied>ε</supplied>νος gestellt sein müſste <noteplace="foot"n="11)"><hirendition="#k">Fritzsche</hi> z. d. St.</note>.<lb/><hirendition="#k">Usteri</hi> hat die Vermuthung geäussert, ob nicht vielleicht<lb/>
durch diesen Zug Christus als Antitypus von Adam darge-<lb/>
stellt werden solle, welcher auch im Paradies in einem<lb/>
eigenthümlichen Verhältniſs zu den Thieren gestanden ha-<lb/>
be <noteplace="foot"n="12)">Beitrag zur Erklärung der Versuchungsgeschichte, in <hirendition="#k">Ull-<lb/>
mann</hi>'s und <hirendition="#k">Umbreit</hi>'s Studien, 1834, 4, S. 789.</note>, und <hirendition="#k">Olshausen</hi> hat diesen mystischen Zug begierig<lb/>
aufgegriffen <noteplace="foot"n="13)">Bibl. Comm. 1, S. 192.</note>; doch auch diese Deutung findet zu wenig<lb/>
Hülfe in dem Zusammenhang. Wenn <hirendition="#k">Schleiermacher</hi> die-<lb/>
sen Zug als einen abenteuerlichen bezeichnet <noteplace="foot"n="14)">Über den Lukas, S. 56.</note>, so meint<lb/>
er dieſs doch ohne Zweifel so, daſs durch denselben Mar-<lb/>
kus, wie auch sonst öfters durch übertreibende Züge,<lb/>
an die Weise der apokryphischen Evangelien streife, von<lb/>
deren willkührlichen Dichtungen wir nicht selten keinen<lb/>
Anlaſs und Zweck mehr angeben können, und so müssen<lb/>
wir uns wohl auch hier vor der Hand bescheiden, in den<lb/>
Sinn dieser Angabe des Markus eindringen zu wollen.</p><lb/><p>In Bezug auf die Differenz zwischen Matthäus und Lu-<lb/>
kas in der Anordnung der einzelnen Versuchungen wird<lb/>
es wohl gleichfalls bei demjenigen sein Bewenden haben,<lb/>
was <hirendition="#k">Schleiermacher</hi> zur Erklärung und Beurtheilung die-<lb/>
ser Abweichung gesagt hat <noteplace="foot"n="15)">Ebendas. S. 55 f.</note>, daſs nämlich die Ordnung<lb/>
des Matthäus als die ursprüngliche erscheine, weil sie nach<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[402/0426]
Zweiter Abschnitt.
Was Markus mit den Thieren will, ist schwer zu sa-
gen. Die meisten Erklärer meinen, er wolle das schau-
derhafte Bild der Wüste dadurch vollenden 10); doch ist
nicht ohne Grund hiegegen erinnert worden, daſs dann
der Zusatz enger mit dem ἦν ἐν τῇ ἐρήμῳ verbunden und
nicht erst nach dem πειραζόμενος gestellt sein müſste 11).
Usteri hat die Vermuthung geäussert, ob nicht vielleicht
durch diesen Zug Christus als Antitypus von Adam darge-
stellt werden solle, welcher auch im Paradies in einem
eigenthümlichen Verhältniſs zu den Thieren gestanden ha-
be 12), und Olshausen hat diesen mystischen Zug begierig
aufgegriffen 13); doch auch diese Deutung findet zu wenig
Hülfe in dem Zusammenhang. Wenn Schleiermacher die-
sen Zug als einen abenteuerlichen bezeichnet 14), so meint
er dieſs doch ohne Zweifel so, daſs durch denselben Mar-
kus, wie auch sonst öfters durch übertreibende Züge,
an die Weise der apokryphischen Evangelien streife, von
deren willkührlichen Dichtungen wir nicht selten keinen
Anlaſs und Zweck mehr angeben können, und so müssen
wir uns wohl auch hier vor der Hand bescheiden, in den
Sinn dieser Angabe des Markus eindringen zu wollen.
In Bezug auf die Differenz zwischen Matthäus und Lu-
kas in der Anordnung der einzelnen Versuchungen wird
es wohl gleichfalls bei demjenigen sein Bewenden haben,
was Schleiermacher zur Erklärung und Beurtheilung die-
ser Abweichung gesagt hat 15), daſs nämlich die Ordnung
des Matthäus als die ursprüngliche erscheine, weil sie nach
10) So schon Euthymius, jetzt Kuinöl u. A. z. d. St.
11) Fritzsche z. d. St.
12) Beitrag zur Erklärung der Versuchungsgeschichte, in Ull-
mann's und Umbreit's Studien, 1834, 4, S. 789.
13) Bibl. Comm. 1, S. 192.
14) Über den Lukas, S. 56.
15) Ebendas. S. 55 f.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/426>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.