Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. reise davon entfernten Tiberias war 10). Desswegen hatGrotius angenommen, die genesia des Herodes seien auf Machärus gefeiert worden; aber schwerlich hat dieser Fürst ein solches Fest, zu welchem er nach Markus alle seine megisanas und khiliarkhous sammt den protois tes Galilaias geladen hatte, an einem andern Orte als in seiner Residenz, am wenigsten in einer abgelegenen Gränzfestung, gegeben. Von Machärus aber nach Tiberias konnte das Haupt des Jo- hannes erst nach zwei Tagen, also nicht mehr über Tafel, herbeigebracht werden. Hierin findet zwar selbst Fritzsche keinen Widerspruch gegen die evangelischen Erzählungen, da in diesen mit keinem Worte gesagt sei, das Haupt des Jo- hannes sei noch während des Mahles gebracht worden. Al- lein ausdrücklich gesagt ist es nur desswegen nicht, weil es aus der ganzen Darstellung von selbst erhellt. Nicht nur ist in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorfällen bei der Mahlzeit die Absendung des speculator und seine Rückkehr mit dem Kopf des Enthaupteten erzählt: sondern nur so hat auch die ganze, dramatisch gehaltene Scene ihren gehörigen Schluss; nur so tritt der Contrast recht hervor, welchen der Blutbefehl mit dem Freudenfeste bildet; endlich auch der pinax, auf welchem der abgeschlagene Kopf herbeigebracht wird, bezeichnet denselben als das köstlichste Gericht, wel- ches die unnatürliche Rachsucht eines Weibes sich über Ta- fel bringen lassen mochte. -- Ist also hier das augenblickli- che Herbeibringen des Hauptes auf einem Teller in jedem Falle sagenhaft: so fragt sich, ob nicht mehr oder weniger auch die ganze Ausmalung der Scene? 10) Vergl. Winer, a. a. O. S. 694; Fritzsche, Comm. in Matth.
S. 491. Zweiter Abschnitt. reise davon entfernten Tiberias war 10). Deſswegen hatGrotius angenommen, die γενέσια des Herodes seien auf Machärus gefeiert worden; aber schwerlich hat dieser Fürst ein solches Fest, zu welchem er nach Markus alle seine μεγιςάνας und χιλιάρχους sammt den πρώτοις τῆς Γαλιλαίας geladen hatte, an einem andern Orte als in seiner Residenz, am wenigsten in einer abgelegenen Gränzfestung, gegeben. Von Machärus aber nach Tiberias konnte das Haupt des Jo- hannes erst nach zwei Tagen, also nicht mehr über Tafel, herbeigebracht werden. Hierin findet zwar selbst Fritzsche keinen Widerspruch gegen die evangelischen Erzählungen, da in diesen mit keinem Worte gesagt sei, das Haupt des Jo- hannes sei noch während des Mahles gebracht worden. Al- lein ausdrücklich gesagt ist es nur deſswegen nicht, weil es aus der ganzen Darstellung von selbst erhellt. Nicht nur ist in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorfällen bei der Mahlzeit die Absendung des speculator und seine Rückkehr mit dem Kopf des Enthaupteten erzählt: sondern nur so hat auch die ganze, dramatisch gehaltene Scene ihren gehörigen Schluſs; nur so tritt der Contrast recht hervor, welchen der Blutbefehl mit dem Freudenfeste bildet; endlich auch der πίναξ, auf welchem der abgeschlagene Kopf herbeigebracht wird, bezeichnet denselben als das köstlichste Gericht, wel- ches die unnatürliche Rachsucht eines Weibes sich über Ta- fel bringen lassen mochte. — Ist also hier das augenblickli- che Herbeibringen des Hauptes auf einem Teller in jedem Falle sagenhaft: so fragt sich, ob nicht mehr oder weniger auch die ganze Ausmalung der Scene? 10) Vergl. Winer, a. a. O. S. 694; Fritzsche, Comm. in Matth.
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Zweiter Abschnitt.
reise davon entfernten Tiberias war 10). Deſswegen hat
Grotius angenommen, die γενέσια des Herodes seien auf
Machärus gefeiert worden; aber schwerlich hat dieser Fürst
ein solches Fest, zu welchem er nach Markus alle seine
μεγιςάνας und χιλιάρχους sammt den πρώτοις τῆς Γαλιλαίας
geladen hatte, an einem andern Orte als in seiner Residenz,
am wenigsten in einer abgelegenen Gränzfestung, gegeben.
Von Machärus aber nach Tiberias konnte das Haupt des Jo-
hannes erst nach zwei Tagen, also nicht mehr über Tafel,
herbeigebracht werden. Hierin findet zwar selbst Fritzsche
keinen Widerspruch gegen die evangelischen Erzählungen,
da in diesen mit keinem Worte gesagt sei, das Haupt des Jo-
hannes sei noch während des Mahles gebracht worden. Al-
lein ausdrücklich gesagt ist es nur deſswegen nicht, weil es
aus der ganzen Darstellung von selbst erhellt. Nicht nur ist
in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorfällen bei der
Mahlzeit die Absendung des speculator und seine Rückkehr
mit dem Kopf des Enthaupteten erzählt: sondern nur so hat
auch die ganze, dramatisch gehaltene Scene ihren gehörigen
Schluſs; nur so tritt der Contrast recht hervor, welchen der
Blutbefehl mit dem Freudenfeste bildet; endlich auch der
πίναξ, auf welchem der abgeschlagene Kopf herbeigebracht
wird, bezeichnet denselben als das köstlichste Gericht, wel-
ches die unnatürliche Rachsucht eines Weibes sich über Ta-
fel bringen lassen mochte. — Ist also hier das augenblickli-
che Herbeibringen des Hauptes auf einem Teller in jedem
Falle sagenhaft: so fragt sich, ob nicht mehr oder weniger
auch die ganze Ausmalung der Scene?
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Zitationshilfe: | Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/392>, abgerufen am 20.07.2024. |