Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. persönlich, sondern als den Messias bereits kennen würde.Wenn er ihn nämlich nicht taufen will, indem er sagt: ego khreian ekho upo sou baptisthenai, kai su erkhe pros me (3, 14.); so hat man diess zwar im Sinne der Harmonistik so zu erklären gesucht, dass Johannes hiedurch nur die höhere Vortrefflichkeit Jesu, nicht aber seine Messianität habe aussprechen wollen 17). Allein das Recht, die zum messianischen Reiche vorbereitende Lustration vorzuneh- men, konnte nicht durch hohe Vortrefflichkeit überhaupt ertheilt werden, sondern es gehörte ein besonderer Beruf dazu, wie ihn auch Johannes erhalten hatte, und wie er nach jüdischer Vorstellung nur an einen Propheten, oder den Messias und dessen Vorläufer ergehen konnte (Joh. 1, 19 ff.). Schrieb also Johannes Jesu die Befugniss zu tau- fen zu, so muss er ihn nicht blos für vortrefflich über- haupt, sondern bestimmt für einen Propheten gehalten ha- ben, und zwar, da er ihn für würdig hielt, ihn selber zu taufen, für einen höheren als sich selbst, was, da er sich als den Vorläufer des Messias gefasst hatte, nur der Mes- sias selbst sein konnte. Dazu kommt, dass Matthäus so eben (3, 11.) eine Rede des Täufers mitgetheilt hatte, in welcher dieser dem nach ihm kommenden Messias eine Taufe zuschreibt, welche kräftiger als die seinige sein wer- de: wie könnten wir also seine darauf folgende Äusserung gegen Jesum anders verstehen, als so: was soll dir meine Wassertaufe, o Messias? weit eher wäre mir deine Feuer- taufe noth! 18) Lässt sich somit der Widerspruch nicht wegräumen, 17) Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 117 f. Paulus, a. a. O. S. 366. 18) Vergl. die Ausführung des Fragmentisten a. a. O.
Zweiter Abschnitt. persönlich, sondern als den Messias bereits kennen würde.Wenn er ihn nämlich nicht taufen will, indem er sagt: ἐγὼ χρείαν ἔχω ὑπὸ σοῦ βαπτισϑῆναι, καὶ σὺ ἕρχῃ πρός με (3, 14.); so hat man dieſs zwar im Sinne der Harmonistik so zu erklären gesucht, daſs Johannes hiedurch nur die höhere Vortrefflichkeit Jesu, nicht aber seine Messianität habe aussprechen wollen 17). Allein das Recht, die zum messianischen Reiche vorbereitende Lustration vorzuneh- men, konnte nicht durch hohe Vortrefflichkeit überhaupt ertheilt werden, sondern es gehörte ein besonderer Beruf dazu, wie ihn auch Johannes erhalten hatte, und wie er nach jüdischer Vorstellung nur an einen Propheten, oder den Messias und dessen Vorläufer ergehen konnte (Joh. 1, 19 ff.). Schrieb also Johannes Jesu die Befugniſs zu tau- fen zu, so muſs er ihn nicht blos für vortrefflich über- haupt, sondern bestimmt für einen Propheten gehalten ha- ben, und zwar, da er ihn für würdig hielt, ihn selber zu taufen, für einen höheren als sich selbst, was, da er sich als den Vorläufer des Messias gefaſst hatte, nur der Mes- sias selbst sein konnte. Dazu kommt, daſs Matthäus so eben (3, 11.) eine Rede des Täufers mitgetheilt hatte, in welcher dieser dem nach ihm kommenden Messias eine Taufe zuschreibt, welche kräftiger als die seinige sein wer- de: wie könnten wir also seine darauf folgende Äusserung gegen Jesum anders verstehen, als so: was soll dir meine Wassertaufe, o Messias? weit eher wäre mir deine Feuer- taufe noth! 18) Läſst sich somit der Widerspruch nicht wegräumen, 17) Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 117 f. Paulus, a. a. O. S. 366. 18) Vergl. die Ausführung des Fragmentisten a. a. O.
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Zweiter Abschnitt.
persönlich, sondern als den Messias bereits kennen würde.
Wenn er ihn nämlich nicht taufen will, indem er sagt:
ἐγὼ χρείαν ἔχω ὑπὸ σοῦ βαπτισϑῆναι, καὶ σὺ ἕρχῃ πρός με
(3, 14.); so hat man dieſs zwar im Sinne der Harmonistik
so zu erklären gesucht, daſs Johannes hiedurch nur die
höhere Vortrefflichkeit Jesu, nicht aber seine Messianität
habe aussprechen wollen 17). Allein das Recht, die zum
messianischen Reiche vorbereitende Lustration vorzuneh-
men, konnte nicht durch hohe Vortrefflichkeit überhaupt
ertheilt werden, sondern es gehörte ein besonderer Beruf
dazu, wie ihn auch Johannes erhalten hatte, und wie er
nach jüdischer Vorstellung nur an einen Propheten, oder
den Messias und dessen Vorläufer ergehen konnte (Joh. 1,
19 ff.). Schrieb also Johannes Jesu die Befugniſs zu tau-
fen zu, so muſs er ihn nicht blos für vortrefflich über-
haupt, sondern bestimmt für einen Propheten gehalten ha-
ben, und zwar, da er ihn für würdig hielt, ihn selber zu
taufen, für einen höheren als sich selbst, was, da er sich
als den Vorläufer des Messias gefaſst hatte, nur der Mes-
sias selbst sein konnte. Dazu kommt, daſs Matthäus so
eben (3, 11.) eine Rede des Täufers mitgetheilt hatte, in
welcher dieser dem nach ihm kommenden Messias eine
Taufe zuschreibt, welche kräftiger als die seinige sein wer-
de: wie könnten wir also seine darauf folgende Äusserung
gegen Jesum anders verstehen, als so: was soll dir meine
Wassertaufe, o Messias? weit eher wäre mir deine Feuer-
taufe noth! 18)
Läſst sich somit der Widerspruch nicht wegräumen,
so muſs man ihn, wenn er nicht den betheiligten Personen
als absichtliche Täuschung zur Last fallen soll, auf die
Referenten überwälzen, was um so ungehinderter gesche-
hen kann, je anschaulicher sich machen läſst, wie einer
17) Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 117 f. Paulus, a. a. O. S. 366.
18) Vergl. die Ausführung des Fragmentisten a. a. O.
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