im Lukasevangelium weiter vorwärts: so verschwindet der Schein, als liesse dasselbe den Johannes nach erhaltenem Ruf die Wüste verlassen, da unten, bei der Gesandtschaft des Täufers, auch Lukas Jesum in Bezug auf denselben fragen lässt: ti exeleluthate eis ten eremon theasasthai (7, 24.); Da nun die Jordanaue in der Nähe des todten Meeres, wo- hin die Wirksamkeit des Täufers zu setzen ist, den schma- len Uferrand ausgenommen, wirklich eine dürre Ebene war 6): so bliebe nur das etwa ein dem Matthäus eigen- thümlicher Irrthum, dass er diese Wüste als die eremos tes Ioudaias bezeichnet; wenn man nicht anders entweder annehmen will, Johannes habe sich, als er von der Buss- predigt zur Taufe schritt, aus der jüdischen Wüste an das Jordanufer hinaufgezogen 7), oder, der öde Strich am Jordan sei als Fortsetzung der judäischen Wüste gleich- falls noch mit diesem Namen bezeichnet worden 8).
Die Taufe des Johannes, schwerlich aus der, ohne Zweifel erst nachchristlichen, Proselytentaufe 9), eher in Analogie mit den religiösen Lustrationen, wie sie auch unter den Juden, vorzüglich bei den Essenern, eingeführt waren, entstanden, gründete sich, wie es scheint, haupt- sächlich auf die bildlichen Äusserungen mehrerer Prophe- ten, die in der Folge eigentlich verstanden wurden, nach welchen Gott von dem israelitischen Volke, wenn es wie- der zu Gnaden angenommen werden wolle, ein Baden und Abwaschen seiner Unreinigkeit verlangt und es selbst mit Wasser zu reinigen verspricht (Jes. 1, 16. Ezech. 36, 25. vergl. Jerem. 2, 22.). Nimmt man dazu die jüdische Vor- stellung, dass der Messias mit seinem Reiche nicht eher
6) s. ausser der angef. Stelle des Josephus, Winer, bibl. Real- wörterbuch, 1, S. 708.
7)Winer, a. a. O. S. 691.
8)Paulus, a. a. O. S. 301.
9) s. die Schrift von Schneckenburger, über das Alter der jüdi- schen Proselytentaufe.
Das Leben Jesu I. Band. 21
Erstes Kapitel. §. 41.
im Lukasevangelium weiter vorwärts: so verschwindet der Schein, als lieſse dasselbe den Johannes nach erhaltenem Ruf die Wüste verlassen, da unten, bei der Gesandtschaft des Täufers, auch Lukas Jesum in Bezug auf denselben fragen läſst: τί ἐξεληλύϑατε εἰς τὴν ἔρημον ϑεάσασϑαι (7, 24.); Da nun die Jordanaue in der Nähe des todten Meeres, wo- hin die Wirksamkeit des Täufers zu setzen ist, den schma- len Uferrand ausgenommen, wirklich eine dürre Ebene war 6): so bliebe nur das etwa ein dem Matthäus eigen- thümlicher Irrthum, daſs er diese Wüste als die ἔρημος τῆς Ἰουδαίας bezeichnet; wenn man nicht anders entweder annehmen will, Johannes habe sich, als er von der Buſs- predigt zur Taufe schritt, aus der jüdischen Wüste an das Jordanufer hinaufgezogen 7), oder, der öde Strich am Jordan sei als Fortsetzung der judäischen Wüste gleich- falls noch mit diesem Namen bezeichnet worden 8).
Die Taufe des Johannes, schwerlich aus der, ohne Zweifel erst nachchristlichen, Proselytentaufe 9), eher in Analogie mit den religiösen Lustrationen, wie sie auch unter den Juden, vorzüglich bei den Essenern, eingeführt waren, entstanden, gründete sich, wie es scheint, haupt- sächlich auf die bildlichen Äusserungen mehrerer Prophe- ten, die in der Folge eigentlich verstanden wurden, nach welchen Gott von dem israëlitischen Volke, wenn es wie- der zu Gnaden angenommen werden wolle, ein Baden und Abwaschen seiner Unreinigkeit verlangt und es selbst mit Wasser zu reinigen verspricht (Jes. 1, 16. Ezech. 36, 25. vergl. Jerem. 2, 22.). Nimmt man dazu die jüdische Vor- stellung, daſs der Messias mit seinem Reiche nicht eher
6) s. ausser der angef. Stelle des Josephus, Winer, bibl. Real- wörterbuch, 1, S. 708.
7)Winer, a. a. O. S. 691.
8)Paulus, a. a. O. S. 301.
9) s. die Schrift von Schneckenburger, über das Alter der jüdi- schen Proselytentaufe.
Das Leben Jesu I. Band. 21
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Erstes Kapitel. §. 41.
im Lukasevangelium weiter vorwärts: so verschwindet der
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Ruf die Wüste verlassen, da unten, bei der Gesandtschaft
des Täufers, auch Lukas Jesum in Bezug auf denselben
fragen läſst: τί ἐξεληλύϑατε εἰς τὴν ἔρημον ϑεάσασϑαι (7, 24.);
Da nun die Jordanaue in der Nähe des todten Meeres, wo-
hin die Wirksamkeit des Täufers zu setzen ist, den schma-
len Uferrand ausgenommen, wirklich eine dürre Ebene
war 6): so bliebe nur das etwa ein dem Matthäus eigen-
thümlicher Irrthum, daſs er diese Wüste als die ἔρημος
τῆς Ἰουδαίας bezeichnet; wenn man nicht anders entweder
annehmen will, Johannes habe sich, als er von der Buſs-
predigt zur Taufe schritt, aus der jüdischen Wüste an das
Jordanufer hinaufgezogen 7), oder, der öde Strich am
Jordan sei als Fortsetzung der judäischen Wüste gleich-
falls noch mit diesem Namen bezeichnet worden 8).
Die Taufe des Johannes, schwerlich aus der, ohne
Zweifel erst nachchristlichen, Proselytentaufe 9), eher in
Analogie mit den religiösen Lustrationen, wie sie auch
unter den Juden, vorzüglich bei den Essenern, eingeführt
waren, entstanden, gründete sich, wie es scheint, haupt-
sächlich auf die bildlichen Äusserungen mehrerer Prophe-
ten, die in der Folge eigentlich verstanden wurden, nach
welchen Gott von dem israëlitischen Volke, wenn es wie-
der zu Gnaden angenommen werden wolle, ein Baden und
Abwaschen seiner Unreinigkeit verlangt und es selbst mit
Wasser zu reinigen verspricht (Jes. 1, 16. Ezech. 36, 25.
vergl. Jerem. 2, 22.). Nimmt man dazu die jüdische Vor-
stellung, daſs der Messias mit seinem Reiche nicht eher
6) s. ausser der angef. Stelle des Josephus, Winer, bibl. Real-
wörterbuch, 1, S. 708.
7) Winer, a. a. O. S. 691.
8) Paulus, a. a. O. S. 301.
9) s. die Schrift von Schneckenburger, über das Alter der jüdi-
schen Proselytentaufe.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/345>, abgerufen am 16.07.2024.
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