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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
im Sinne des Evangelisten ist, denselben eine lange Reihe
von Jahren für sich wirken zu lassen, sondern seine Mei-
nung geht unstreitig dahin, die kurze Wirksamkeit des
Täufers habe frühzeitig ihr Ziel darin gefunden, dass Je-
sus sich von ihm taufen liess. Haben wir auf diese Weise
nicht zwischen den Auftritt des Täufers und die Taufe
Jesu, also zwischen V. 12. und 13. des dritten Kap. bei
Matthäus, die lange Zwischenzeit hineinzudenken, welche
wir hier in jedem Falle nöthig haben: so bleibt nichts übrig,
als sie zwischen dem Schluss des zweiten und dem Anfang
des dritten Kapitels, d. h. zwischen der Ansiedelung der
Eltern Jesu in Nazaret und dem Auftritt des Täufers ein-
zuschalten, -- wenn nur nicht das en tais emerais ekeinais
entgegenstände, welches ja diese beiden Vorgänge in die-
selbe Zeit zu verlegen scheint. Indessen, dass diese For-
mel nur die schlaffe Zeitbestimmung eines Solchen ist, wel-
cher eine präcisere entweder nicht geben will oder nicht
geben kann, ist bekannt 2); oder noch besser vielleicht
nimmt man mit Paulus an, Matthäus rücke hier ein Stück
aus einer Diegese über den Täufer ein, in welcher von
dessen, seinem öffentlichen Auftritt unmittelbar vorangehen-
dem Leben Manches berichtet, und dann mit vollem Recht
durch en t. em. ek. fortgefahren war, welche Verbindungs-
formel nun Matthäus, ob er gleich das, worauf sie sich be-
zog, weggelassen, dennoch beibehalten habe 3). So erfah-
ren wir also aus Matthäus über die Zeit des Auftritts von
Johannes nichts, als dass derselbe in der Periode zwischen
der Kindheit und dem Mannesalter Jesu geschehen sei.

Lukas giebt eine vielfache Zeitbestimmung für den Auf-
tritt des Täufers, indem er denselben in die Verwaltungs-
zeit des Pilatus in Judäa; in die Regierung des Herodes

2) s. Fritzsche, in Matth. S. 106.
3) Exeget. Handb. 1, a, S. 46. Ihm stimmt auch Schnecken-
burger
bei a. a. O.

Zweiter Abschnitt.
im Sinne des Evangelisten ist, denselben eine lange Reihe
von Jahren für sich wirken zu lassen, sondern seine Mei-
nung geht unstreitig dahin, die kurze Wirksamkeit des
Täufers habe frühzeitig ihr Ziel darin gefunden, daſs Je-
sus sich von ihm taufen lieſs. Haben wir auf diese Weise
nicht zwischen den Auftritt des Täufers und die Taufe
Jesu, also zwischen V. 12. und 13. des dritten Kap. bei
Matthäus, die lange Zwischenzeit hineinzudenken, welche
wir hier in jedem Falle nöthig haben: so bleibt nichts übrig,
als sie zwischen dem Schluſs des zweiten und dem Anfang
des dritten Kapitels, d. h. zwischen der Ansiedelung der
Eltern Jesu in Nazaret und dem Auftritt des Täufers ein-
zuschalten, — wenn nur nicht das ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις
entgegenstände, welches ja diese beiden Vorgänge in die-
selbe Zeit zu verlegen scheint. Indessen, daſs diese For-
mel nur die schlaffe Zeitbestimmung eines Solchen ist, wel-
cher eine präcisere entweder nicht geben will oder nicht
geben kann, ist bekannt 2); oder noch besser vielleicht
nimmt man mit Paulus an, Matthäus rücke hier ein Stück
aus einer Diegese über den Täufer ein, in welcher von
dessen, seinem öffentlichen Auftritt unmittelbar vorangehen-
dem Leben Manches berichtet, und dann mit vollem Recht
durch ἐν τ. ἡμ. ἐκ. fortgefahren war, welche Verbindungs-
formel nun Matthäus, ob er gleich das, worauf sie sich be-
zog, weggelassen, dennoch beibehalten habe 3). So erfah-
ren wir also aus Matthäus über die Zeit des Auftritts von
Johannes nichts, als daſs derselbe in der Periode zwischen
der Kindheit und dem Mannesalter Jesu geschehen sei.

Lukas giebt eine vielfache Zeitbestimmung für den Auf-
tritt des Täufers, indem er denselben in die Verwaltungs-
zeit des Pilatus in Judäa; in die Regierung des Herodes

2) s. Fritzsche, in Matth. S. 106.
3) Exeget. Handb. 1, a, S. 46. Ihm stimmt auch Schnecken-
burger
bei a. a. O.
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[310/0334] Zweiter Abschnitt. im Sinne des Evangelisten ist, denselben eine lange Reihe von Jahren für sich wirken zu lassen, sondern seine Mei- nung geht unstreitig dahin, die kurze Wirksamkeit des Täufers habe frühzeitig ihr Ziel darin gefunden, daſs Je- sus sich von ihm taufen lieſs. Haben wir auf diese Weise nicht zwischen den Auftritt des Täufers und die Taufe Jesu, also zwischen V. 12. und 13. des dritten Kap. bei Matthäus, die lange Zwischenzeit hineinzudenken, welche wir hier in jedem Falle nöthig haben: so bleibt nichts übrig, als sie zwischen dem Schluſs des zweiten und dem Anfang des dritten Kapitels, d. h. zwischen der Ansiedelung der Eltern Jesu in Nazaret und dem Auftritt des Täufers ein- zuschalten, — wenn nur nicht das ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις entgegenstände, welches ja diese beiden Vorgänge in die- selbe Zeit zu verlegen scheint. Indessen, daſs diese For- mel nur die schlaffe Zeitbestimmung eines Solchen ist, wel- cher eine präcisere entweder nicht geben will oder nicht geben kann, ist bekannt 2); oder noch besser vielleicht nimmt man mit Paulus an, Matthäus rücke hier ein Stück aus einer Diegese über den Täufer ein, in welcher von dessen, seinem öffentlichen Auftritt unmittelbar vorangehen- dem Leben Manches berichtet, und dann mit vollem Recht durch ἐν τ. ἡμ. ἐκ. fortgefahren war, welche Verbindungs- formel nun Matthäus, ob er gleich das, worauf sie sich be- zog, weggelassen, dennoch beibehalten habe 3). So erfah- ren wir also aus Matthäus über die Zeit des Auftritts von Johannes nichts, als daſs derselbe in der Periode zwischen der Kindheit und dem Mannesalter Jesu geschehen sei. Lukas giebt eine vielfache Zeitbestimmung für den Auf- tritt des Täufers, indem er denselben in die Verwaltungs- zeit des Pilatus in Judäa; in die Regierung des Herodes 2) s. Fritzsche, in Matth. S. 106. 3) Exeget. Handb. 1, a, S. 46. Ihm stimmt auch Schnecken- burger bei a. a. O.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/334>, abgerufen am 24.11.2024.