Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. nach West, wie bei einem andern Theile der Kometen 13),und wenn auch von manchen Kometen die wahre Bahn nahezu von Norden nach Süden geht 14), so wird doch bei allen diesen Sternen ihre eigene wahre Bewegung von der durch die tägliche Drehung der Erde hervorgebrachten scheinbaren, welche von Osten nach Westen geht, so weit überwogen, dass in der kurzen Zeit der zwei- bis drei- stündigen Reise nach Bethlehem nicht jene, sondern höch- stens diese bemerkbar werden konnte. Doch auch diese Ortsveränderung der Sterne ist bei einer kurzen Wande- rung nicht so in die Augen fallend, als die optische, wel- che durch die Ortsveränderung des Beobachters entsteht, vermöge welcher ein vor uns stehender Stern, wenn wir uns vorwärts bewegen, in's Endlose voranzugehen scheint, also namentlich nicht über einem bestimmten Hause stille halten kann, und zumal sternkundigen Männern, wie die Magier, diess zu thun nicht scheinen konnte 15). Nach al- lem diesem kann der in Frage stehende kein gewöhnlicher, natürlicher Stern gewesen sein, denn ein solcher bewegt sich nicht wirklich so schnell von Nord nach Süd, dass es in Zeit einiger Stunden bemerkbar wäre; bewegt er sich aber blos optisch so, durch d[as] Weitergehen des Beob- achters, so kann er nicht durch sein Stillestehen einen Wanderer veranlassen, Halt zu machen, sondern umge- kehrt, erst wenn der Wanderer Halt macht, wird auch der Stern zum Stehen kommen. Es müsste also, was auf die- sem Standpunkte keinen Anstand hat, ein von Gott beson- ders zu diesem Behufe geschaffener Stern gewesen sein, wie auch einige Kirchenväter angenommen haben 16), wel- cher von dem Schöpfer nach eigener Regel bewegt und zum 13) Schubert, Lehrbuch der Sternkunde, S. 106. 173 f. 14) S. den zuletzt angeführten Ort. 15) S. Michaelis Anmerkungen z. d. St. 16) z. B. Euseb. Demonstr. evang. 9. angef. bei Suicer, 1, S. 559.
Erster Abschnitt. nach West, wie bei einem andern Theile der Kometen 13),und wenn auch von manchen Kometen die wahre Bahn nahezu von Norden nach Süden geht 14), so wird doch bei allen diesen Sternen ihre eigene wahre Bewegung von der durch die tägliche Drehung der Erde hervorgebrachten scheinbaren, welche von Osten nach Westen geht, so weit überwogen, daſs in der kurzen Zeit der zwei- bis drei- stündigen Reise nach Bethlehem nicht jene, sondern höch- stens diese bemerkbar werden konnte. Doch auch diese Ortsveränderung der Sterne ist bei einer kurzen Wande- rung nicht so in die Augen fallend, als die optische, wel- che durch die Ortsveränderung des Beobachters entsteht, vermöge welcher ein vor uns stehender Stern, wenn wir uns vorwärts bewegen, in's Endlose voranzugehen scheint, also namentlich nicht über einem bestimmten Hause stille halten kann, und zumal sternkundigen Männern, wie die Magier, dieſs zu thun nicht scheinen konnte 15). Nach al- lem diesem kann der in Frage stehende kein gewöhnlicher, natürlicher Stern gewesen sein, denn ein solcher bewegt sich nicht wirklich so schnell von Nord nach Süd, daſs es in Zeit einiger Stunden bemerkbar wäre; bewegt er sich aber blos optisch so, durch d[as] Weitergehen des Beob- achters, so kann er nicht durch sein Stillestehen einen Wanderer veranlassen, Halt zu machen, sondern umge- kehrt, erst wenn der Wanderer Halt macht, wird auch der Stern zum Stehen kommen. Es müſste also, was auf die- sem Standpunkte keinen Anstand hat, ein von Gott beson- ders zu diesem Behufe geschaffener Stern gewesen sein, wie auch einige Kirchenväter angenommen haben 16), wel- cher von dem Schöpfer nach eigener Regel bewegt und zum 13) Schubert, Lehrbuch der Sternkunde, S. 106. 173 f. 14) S. den zuletzt angeführten Ort. 15) S. Michaelis Anmerkungen z. d. St. 16) z. B. Euseb. Demonstr. evang. 9. angef. bei Suicer, 1, S. 559.
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Erster Abschnitt.
nach West, wie bei einem andern Theile der Kometen 13),
und wenn auch von manchen Kometen die wahre Bahn
nahezu von Norden nach Süden geht 14), so wird doch
bei allen diesen Sternen ihre eigene wahre Bewegung von
der durch die tägliche Drehung der Erde hervorgebrachten
scheinbaren, welche von Osten nach Westen geht, so weit
überwogen, daſs in der kurzen Zeit der zwei- bis drei-
stündigen Reise nach Bethlehem nicht jene, sondern höch-
stens diese bemerkbar werden konnte. Doch auch diese
Ortsveränderung der Sterne ist bei einer kurzen Wande-
rung nicht so in die Augen fallend, als die optische, wel-
che durch die Ortsveränderung des Beobachters entsteht,
vermöge welcher ein vor uns stehender Stern, wenn wir
uns vorwärts bewegen, in's Endlose voranzugehen scheint,
also namentlich nicht über einem bestimmten Hause stille
halten kann, und zumal sternkundigen Männern, wie die
Magier, dieſs zu thun nicht scheinen konnte 15). Nach al-
lem diesem kann der in Frage stehende kein gewöhnlicher,
natürlicher Stern gewesen sein, denn ein solcher bewegt
sich nicht wirklich so schnell von Nord nach Süd, daſs
es in Zeit einiger Stunden bemerkbar wäre; bewegt er
sich aber blos optisch so, durch das Weitergehen des Beob-
achters, so kann er nicht durch sein Stillestehen einen
Wanderer veranlassen, Halt zu machen, sondern umge-
kehrt, erst wenn der Wanderer Halt macht, wird auch der
Stern zum Stehen kommen. Es müſste also, was auf die-
sem Standpunkte keinen Anstand hat, ein von Gott beson-
ders zu diesem Behufe geschaffener Stern gewesen sein,
wie auch einige Kirchenväter angenommen haben 16), wel-
cher von dem Schöpfer nach eigener Regel bewegt und zum
13) Schubert, Lehrbuch der Sternkunde, S. 106. 173 f.
14) S. den zuletzt angeführten Ort.
15) S. Michaelis Anmerkungen z. d. St.
16) z. B. Euseb. Demonstr. evang. 9. angef. bei Suicer, 1, S. 559.
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