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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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men habe erzeugt werden können 13): so ist hievon oben
hinlänglich die Rede gewesen. Paulus wendet den Ein-
wurf so, dass ohne einen wunderähnlichen Anfang des Le-
bens Jesu nicht erklärbar wäre, was er im zwölften Jahre
und später war 14). Unter dem wunderartigen Anfang des
Lebens Jesu versteht er natürlich nicht eine wirklich gött-
liche Erzeugung desselben, sondern nur die von der Mut-
ter gehegte und auch dem Sohne eingeprägte Meinung, dass
eine solche stattgefunden. Wir finden, äussert Paulus, in
Jesu schon im zwölften Jahr eine religiöse Eigenthümlich-
keit, und im dreissigsten ist er nahe der Überzeugung,
dass er der Messias sei: wie lässt sich diess, da ihn doch
weder Habsucht noch Ehrgeiz inspirirten, erklären, wenn
nicht wirklich seine Mutter, durch ausserordentliche, wie-
wohl natürliche Begebenheiten schon vor seiner Geburt an-
regt, ihm gesagt hatte, dass er zum Messias bestimmt sei?
Hier ist die Instanz aus dem zwölften Jahre in keinem
Falle gültig, weil sie, was erst zu beweisen ist, schon vor-
aussetzt, die historische Glaubwürdigkeit der Kindheitsge-
schichte Jesu; der andre Termin aber, bis zum dreissigsten
Jahr, ist lang genug, dass bis zu demselben Jesus, ver-
möge innerer Anlage und äusserer Veranlassung, auch oh-
ne jene Ereignisse vor seiner Geburt, seiner messianischen
Bestimmung gewiss werden konnte. Paulus freilich spricht
hier so, wie wenn nur entweder Ehrgeiz und Habsucht,
oder ausserordentliche Spiele des Zufalls zu grossen Ent-
schlüssen veranlassen könnten: bei ihm muss der Zufall
alle Wunder thun, weil er den Geist verkennt, welcher
allein der wahre Wunderthäter ist. -- Dass sich die ge-
nannten beiden Theologen ferner auf die Kürze der Zeit
berufen, welche zwischen den Ereignissen von Jesu Ge-
burt und der Aufzeichnung unsrer Nachrichten liege, ein

13) S. 49 f.
14) S. 71 f. 169.

Erster Abschnitt.
men habe erzeugt werden können 13): so ist hievon oben
hinlänglich die Rede gewesen. Paulus wendet den Ein-
wurf so, daſs ohne einen wunderähnlichen Anfang des Le-
bens Jesu nicht erklärbar wäre, was er im zwölften Jahre
und später war 14). Unter dem wunderartigen Anfang des
Lebens Jesu versteht er natürlich nicht eine wirklich gött-
liche Erzeugung desselben, sondern nur die von der Mut-
ter gehegte und auch dem Sohne eingeprägte Meinung, daſs
eine solche stattgefunden. Wir finden, äussert Paulus, in
Jesu schon im zwölften Jahr eine religiöse Eigenthümlich-
keit, und im dreissigsten ist er nahe der Überzeugung,
daſs er der Messias sei: wie läſst sich dieſs, da ihn doch
weder Habsucht noch Ehrgeiz inspirirten, erklären, wenn
nicht wirklich seine Mutter, durch ausserordentliche, wie-
wohl natürliche Begebenheiten schon vor seiner Geburt an-
regt, ihm gesagt hatte, daſs er zum Messias bestimmt sei?
Hier ist die Instanz aus dem zwölften Jahre in keinem
Falle gültig, weil sie, was erst zu beweisen ist, schon vor-
aussetzt, die historische Glaubwürdigkeit der Kindheitsge-
schichte Jesu; der andre Termin aber, bis zum dreissigsten
Jahr, ist lang genug, daſs bis zu demselben Jesus, ver-
möge innerer Anlage und äusserer Veranlassung, auch oh-
ne jene Ereignisse vor seiner Geburt, seiner messianischen
Bestimmung gewiſs werden konnte. Paulus freilich spricht
hier so, wie wenn nur entweder Ehrgeiz und Habsucht,
oder ausserordentliche Spiele des Zufalls zu groſsen Ent-
schlüssen veranlassen könnten: bei ihm muſs der Zufall
alle Wunder thun, weil er den Geist verkennt, welcher
allein der wahre Wunderthäter ist. — Daſs sich die ge-
nannten beiden Theologen ferner auf die Kürze der Zeit
berufen, welche zwischen den Ereignissen von Jesu Ge-
burt und der Aufzeichnung unsrer Nachrichten liege, ein

13) S. 49 f.
14) S. 71 f. 169.
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[178/0202] Erster Abschnitt. men habe erzeugt werden können 13): so ist hievon oben hinlänglich die Rede gewesen. Paulus wendet den Ein- wurf so, daſs ohne einen wunderähnlichen Anfang des Le- bens Jesu nicht erklärbar wäre, was er im zwölften Jahre und später war 14). Unter dem wunderartigen Anfang des Lebens Jesu versteht er natürlich nicht eine wirklich gött- liche Erzeugung desselben, sondern nur die von der Mut- ter gehegte und auch dem Sohne eingeprägte Meinung, daſs eine solche stattgefunden. Wir finden, äussert Paulus, in Jesu schon im zwölften Jahr eine religiöse Eigenthümlich- keit, und im dreissigsten ist er nahe der Überzeugung, daſs er der Messias sei: wie läſst sich dieſs, da ihn doch weder Habsucht noch Ehrgeiz inspirirten, erklären, wenn nicht wirklich seine Mutter, durch ausserordentliche, wie- wohl natürliche Begebenheiten schon vor seiner Geburt an- regt, ihm gesagt hatte, daſs er zum Messias bestimmt sei? Hier ist die Instanz aus dem zwölften Jahre in keinem Falle gültig, weil sie, was erst zu beweisen ist, schon vor- aussetzt, die historische Glaubwürdigkeit der Kindheitsge- schichte Jesu; der andre Termin aber, bis zum dreissigsten Jahr, ist lang genug, daſs bis zu demselben Jesus, ver- möge innerer Anlage und äusserer Veranlassung, auch oh- ne jene Ereignisse vor seiner Geburt, seiner messianischen Bestimmung gewiſs werden konnte. Paulus freilich spricht hier so, wie wenn nur entweder Ehrgeiz und Habsucht, oder ausserordentliche Spiele des Zufalls zu groſsen Ent- schlüssen veranlassen könnten: bei ihm muſs der Zufall alle Wunder thun, weil er den Geist verkennt, welcher allein der wahre Wunderthäter ist. — Daſs sich die ge- nannten beiden Theologen ferner auf die Kürze der Zeit berufen, welche zwischen den Ereignissen von Jesu Ge- burt und der Aufzeichnung unsrer Nachrichten liege, ein 13) S. 49 f. 14) S. 71 f. 169.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/202>, abgerufen am 22.11.2024.