eingeklemmt habe. Man wende hiegegen nicht ein, wenn nach unsrer Bemerkung von der Ansicht aus, dass Joseph nicht Vater Jesu gewesen, unsre Genealogieen nicht ver- fertigt werden konnten, so könne auch nicht einmal dafür ein Interesse vorhanden gewesen sein, sie den Evangelien einzuverleiben. Denn das ursprüngliche Verfertigen einer Genealogie Jesu, und wenn es in unserem Falle auch nur darin bestanden hätte, dass schon zuvor existirende Stamm- bäume in Beziehung auf Jesum gesetzt wurden, erforderte ein starkes und ganzes Interesse, welches in der Voraus- setzung einer leiblichen Abkunft Jesu von Joseph durch jene Operation eine Hauptstütze für den messianischen Glauben an ihn zu gewinnen hoffte; wogegen zur Auf- nahme der schon vorhandenen auch das schwache Interesse anregen konnte, dass sie auch ohne ein zwischen Jesu und Joseph statt gehabtes natürliches Verhältniss dennoch zur Anknüpfung Jesu an David nicht undienlich scheinen mochten. Ebenso wird ja in den beiden Geburtsgeschichten bei Mat- thäus und Lukas, welche den Joseph entschieden von der Erzeugung Jesu ausschliessen, doch noch immer auf die Davidische Abstammung Josephs Gewicht gelegt (Matth. 1, 20. Luk. 1, 27. 2, 4.), indem man das zwar nur bei der früheren Ansicht recht Bedeutsame doch auch nach geän- dertem Standpunkt beibehielt.
Indem wir auf diese Weise den Ursprung unsrer Ge- nealogieen in eine Zeit und einen Kreis der ältesten Kirche verlegen, in welchen Jesus noch für einen natürlich er- zeugten Menschen galt: so sind wir hiemit auf die Ebioni- ten geführt, da uns eben von diesen (sofern sie von den Nazarenern noch unterschieden werden) aus jener ersten Zeit gemeldet wird, dass sie die bezeichnete Ansicht von der Person Christi hatten 5), -- und unsre Behauptung ist
5) S. Justin. Mart. Dial. cum Tryphone, 48; Theodoret, Epit. haer. fabb. 2, 4; Origenes contra Celsum L. 5, 61; Com- ment. in Matth. Tom. 16. Opp. ed. de la Rue, Vol. 3, p. 733.
Drittes Kapitel. §. 23.
eingeklemmt habe. Man wende hiegegen nicht ein, wenn nach unsrer Bemerkung von der Ansicht aus, daſs Joseph nicht Vater Jesu gewesen, unsre Genealogieen nicht ver- fertigt werden konnten, so könne auch nicht einmal dafür ein Interesse vorhanden gewesen sein, sie den Evangelien einzuverleiben. Denn das ursprüngliche Verfertigen einer Genealogie Jesu, und wenn es in unserem Falle auch nur darin bestanden hätte, daſs schon zuvor existirende Stamm- bäume in Beziehung auf Jesum gesetzt wurden, erforderte ein starkes und ganzes Interesse, welches in der Voraus- setzung einer leiblichen Abkunft Jesu von Joseph durch jene Operation eine Hauptstütze für den messianischen Glauben an ihn zu gewinnen hoffte; wogegen zur Auf- nahme der schon vorhandenen auch das schwache Interesse anregen konnte, daſs sie auch ohne ein zwischen Jesu und Joseph statt gehabtes natürliches Verhältniſs dennoch zur Anknüpfung Jesu an David nicht undienlich scheinen mochten. Ebenso wird ja in den beiden Geburtsgeschichten bei Mat- thäus und Lukas, welche den Joseph entschieden von der Erzeugung Jesu ausschlieſsen, doch noch immer auf die Davidische Abstammung Josephs Gewicht gelegt (Matth. 1, 20. Luk. 1, 27. 2, 4.), indem man das zwar nur bei der früheren Ansicht recht Bedeutsame doch auch nach geän- dertem Standpunkt beibehielt.
Indem wir auf diese Weise den Ursprung unsrer Ge- nealogieen in eine Zeit und einen Kreis der ältesten Kirche verlegen, in welchen Jesus noch für einen natürlich er- zeugten Menschen galt: so sind wir hiemit auf die Ebioni- ten geführt, da uns eben von diesen (sofern sie von den Nazarenern noch unterschieden werden) aus jener ersten Zeit gemeldet wird, daſs sie die bezeichnete Ansicht von der Person Christi hatten 5), — und unsre Behauptung ist
5) S. Justin. Mart. Dial. cum Tryphone, 48; Theodoret, Epit. haer. fabb. 2, 4; Origenes contra Celsum L. 5, 61; Com- ment. in Matth. Tom. 16. Opp. ed. de la Rue, Vol. 3, p. 733.
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Drittes Kapitel. §. 23.
eingeklemmt habe. Man wende hiegegen nicht ein, wenn
nach unsrer Bemerkung von der Ansicht aus, daſs Joseph
nicht Vater Jesu gewesen, unsre Genealogieen nicht ver-
fertigt werden konnten, so könne auch nicht einmal dafür
ein Interesse vorhanden gewesen sein, sie den Evangelien
einzuverleiben. Denn das ursprüngliche Verfertigen einer
Genealogie Jesu, und wenn es in unserem Falle auch nur
darin bestanden hätte, daſs schon zuvor existirende Stamm-
bäume in Beziehung auf Jesum gesetzt wurden, erforderte
ein starkes und ganzes Interesse, welches in der Voraus-
setzung einer leiblichen Abkunft Jesu von Joseph durch
jene Operation eine Hauptstütze für den messianischen
Glauben an ihn zu gewinnen hoffte; wogegen zur Auf-
nahme der schon vorhandenen auch das schwache Interesse
anregen konnte, daſs sie auch ohne ein zwischen Jesu und
Joseph statt gehabtes natürliches Verhältniſs dennoch zur
Anknüpfung Jesu an David nicht undienlich scheinen mochten.
Ebenso wird ja in den beiden Geburtsgeschichten bei Mat-
thäus und Lukas, welche den Joseph entschieden von der
Erzeugung Jesu ausschlieſsen, doch noch immer auf die
Davidische Abstammung Josephs Gewicht gelegt (Matth.
1, 20. Luk. 1, 27. 2, 4.), indem man das zwar nur bei der
früheren Ansicht recht Bedeutsame doch auch nach geän-
dertem Standpunkt beibehielt.
Indem wir auf diese Weise den Ursprung unsrer Ge-
nealogieen in eine Zeit und einen Kreis der ältesten Kirche
verlegen, in welchen Jesus noch für einen natürlich er-
zeugten Menschen galt: so sind wir hiemit auf die Ebioni-
ten geführt, da uns eben von diesen (sofern sie von den
Nazarenern noch unterschieden werden) aus jener ersten
Zeit gemeldet wird, daſs sie die bezeichnete Ansicht von
der Person Christi hatten 5), — und unsre Behauptung ist
5) S. Justin. Mart. Dial. cum Tryphone, 48; Theodoret, Epit.
haer. fabb. 2, 4; Origenes contra Celsum L. 5, 61; Com-
ment. in Matth. Tom. 16. Opp. ed. de la Rue, Vol. 3, p. 733.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/183>, abgerufen am 16.07.2024.
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