Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Drittes Kapitel. §. 22. was sowohl der Rationalismus als die Altgläubigkeit ver-kennt 12). Demgemäss werden wir auch in Bezug auf das in Re- §. 22. Jesus durch den heiligen Geist erzeugt. Kritik der ortho- doxen Ansicht. Was die beiden Evangelisten, Matthäus und Lukas, 12) Die ganze rationalistische Schriftauslegung beruht auf einem
ziemlich handgreiflichen Paralogismus, mit welchem sie steht und fällt: Die N. T.lichen Schriftsteller dürfen nicht so ausgelegt werden, als ob sie etwas Unvernünftiges sagten (allerdings nichts ihrer Vernunftbildung Widersprechendes). Nun wären aber ihre Aussprüche bei einer gewissen Deu- tung unvernünftig (nämlich gegen unsre Vernunftbildung). Folglich können sie es nicht so gemeint haben, und müs- sen anders ausgelegt werden. Wer sicht hier nicht die quaternio terminorum und die dem Rationalismus tödtliche Inconsequenz eines mit dem Su- pranaturalismus gemeinschaftlichen Bodens, dass nämlich, während man bei jedem Andern erst zusieht, ob er nur Rich- tiges und Wahres rede oder schreibe, den N. T.lichen Män- nern die Prärogative eingeräumt wird, bei ihnen dieses schon vorauszusetzen? Drittes Kapitel. §. 22. was sowohl der Rationalismus als die Altgläubigkeit ver-kennt 12). Demgemäſs werden wir auch in Bezug auf das in Re- §. 22. Jesus durch den heiligen Geist erzeugt. Kritik der ortho- doxen Ansicht. Was die beiden Evangelisten, Matthäus und Lukas, 12) Die ganze rationalistische Schriftauslegung beruht auf einem
ziemlich handgreiflichen Paralogismus, mit welchem sie steht und fällt: Die N. T.lichen Schriftsteller dürfen nicht so ausgelegt werden, als ob sie etwas Unvernünftiges sagten (allerdings nichts ihrer Vernunftbildung Widersprechendes). Nun wären aber ihre Aussprüche bei einer gewissen Deu- tung unvernünftig (nämlich gegen unsre Vernunftbildung). Folglich können sie es nicht so gemeint haben, und müs- sen anders ausgelegt werden. Wer sicht hier nicht die quaternio terminorum und die dem Rationalismus tödtliche Inconsequenz eines mit dem Su- pranaturalismus gemeinschaftlichen Bodens, dass nämlich, während man bei jedem Andern erst zusieht, ob er nur Rich- tiges und Wahres rede oder schreibe, den N. T.lichen Män- nern die Prärogative eingeräumt wird, bei ihnen dieses schon vorauszusetzen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0175" n="151"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Kapitel</hi>. §. 22.</fw><lb/> was sowohl der Rationalismus als die Altgläubigkeit ver-<lb/> kennt <note place="foot" n="12)">Die ganze rationalistische Schriftauslegung beruht auf einem<lb/> ziemlich handgreiflichen Paralogismus, mit welchem sie steht<lb/> und fällt:<lb/> Die N. T.lichen Schriftsteller dürfen nicht so ausgelegt<lb/> werden, als ob sie etwas Unvernünftiges sagten (allerdings<lb/> nichts <hi rendition="#g">ihrer</hi> Vernunftbildung Widersprechendes).<lb/> Nun wären aber ihre Aussprüche bei einer gewissen Deu-<lb/> tung unvernünftig (nämlich gegen <hi rendition="#g">unsre</hi> Vernunftbildung).<lb/> Folglich können sie es nicht so gemeint haben, und müs-<lb/> sen anders ausgelegt werden.<lb/> Wer sicht hier nicht die quaternio terminorum und die<lb/> dem Rationalismus tödtliche Inconsequenz eines mit dem Su-<lb/> pranaturalismus gemeinschaftlichen Bodens, dass nämlich,<lb/> während man bei jedem Andern erst zusieht, ob er nur Rich-<lb/> tiges und Wahres rede oder schreibe, den N. T.lichen Män-<lb/> nern die Prärogative eingeräumt wird, bei ihnen dieses schon<lb/> vorauszusetzen?</note>.</p><lb/> <p>Demgemäſs werden wir auch in Bezug auf das in Re-<lb/> de stehende Orakel keinen Augenblick anstehen, einzuräu-<lb/> men, daſs die Beziehung auf Jesus ihm vom Evangelisten<lb/> aufgedrungen ist; ob so, daſs die wirkliche Geburt Jesu<lb/> von einer Jungfrau zu dieser Anwendung des Orakels, oder<lb/> daſs das schon vorher auf den Messias gedeutete Orakel zu<lb/> der Annahme einer jungfräulichen Geburt Jesu Veranlas-<lb/> sung gab, kann erst aus dem Folgenden entschieden werden.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 22.<lb/> Jesus durch den heiligen Geist erzeugt. Kritik der ortho-<lb/> doxen Ansicht.</head><lb/> <p>Was die beiden Evangelisten, Matthäus und Lukas,<lb/> über die Art der Erzeugung Jesu melden, ist von den<lb/> kirchlichen Auslegern jederzeit dahin gedeutet worden, daſs<lb/> Jesus durch eine, an die Stelle der männlichen Mitwirkung<lb/> getretene göttliche Thätigkeit in Maria erzeugt worden sei.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0175]
Drittes Kapitel. §. 22.
was sowohl der Rationalismus als die Altgläubigkeit ver-
kennt 12).
Demgemäſs werden wir auch in Bezug auf das in Re-
de stehende Orakel keinen Augenblick anstehen, einzuräu-
men, daſs die Beziehung auf Jesus ihm vom Evangelisten
aufgedrungen ist; ob so, daſs die wirkliche Geburt Jesu
von einer Jungfrau zu dieser Anwendung des Orakels, oder
daſs das schon vorher auf den Messias gedeutete Orakel zu
der Annahme einer jungfräulichen Geburt Jesu Veranlas-
sung gab, kann erst aus dem Folgenden entschieden werden.
§. 22.
Jesus durch den heiligen Geist erzeugt. Kritik der ortho-
doxen Ansicht.
Was die beiden Evangelisten, Matthäus und Lukas,
über die Art der Erzeugung Jesu melden, ist von den
kirchlichen Auslegern jederzeit dahin gedeutet worden, daſs
Jesus durch eine, an die Stelle der männlichen Mitwirkung
getretene göttliche Thätigkeit in Maria erzeugt worden sei.
12) Die ganze rationalistische Schriftauslegung beruht auf einem
ziemlich handgreiflichen Paralogismus, mit welchem sie steht
und fällt:
Die N. T.lichen Schriftsteller dürfen nicht so ausgelegt
werden, als ob sie etwas Unvernünftiges sagten (allerdings
nichts ihrer Vernunftbildung Widersprechendes).
Nun wären aber ihre Aussprüche bei einer gewissen Deu-
tung unvernünftig (nämlich gegen unsre Vernunftbildung).
Folglich können sie es nicht so gemeint haben, und müs-
sen anders ausgelegt werden.
Wer sicht hier nicht die quaternio terminorum und die
dem Rationalismus tödtliche Inconsequenz eines mit dem Su-
pranaturalismus gemeinschaftlichen Bodens, dass nämlich,
während man bei jedem Andern erst zusieht, ob er nur Rich-
tiges und Wahres rede oder schreibe, den N. T.lichen Män-
nern die Prärogative eingeräumt wird, bei ihnen dieses schon
vorauszusetzen?
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