welches durch diese Art der Empfängniss Jesu sich erfülle, dass nämlich nach Jes. 7, 14. eine Jungfrau schwan- ger werden und einen Sohn gebären solle, welchen man Gottmituns nennen werde.
Der ursprüngliche Sinn der jesaianischen Stelle ist den neueren Forschungen zufolge 2) dieser. Den König Ahas, welcher aus Furcht vor den Königen Syriens und Israels sich zu einem Bunde mit Assyrien neigte, will der Pro- phet von dem bald bevorstehenden Untergang jener jezt so gefürchteten Feinde lebhaft versichern, und sagt daher: setze, dass eine jezt noch Unverheurathete, die sich nun erst in ein geschlechtliches Verhältniss einliesse 3), ein Kind empfienge; oder kategorisch: eine bestimmte junge Frau (vielleicht die eigne des Propheten) ist schon oder wird schwanger werden: jedenfalls werden bis zu der Ge- burt ihres Kindes die politischen Umstände sich so weit gebessert haben, dass man demselben einen Namen von guter Vorbedeutung wird geben können, und ehe dann das Kind in die Unterscheidungsjahre getreten sein wird, wer- den die feindlichen Mächte ganz vernichtet sein. D. h. ab- strakt ausgedrückt: ehe 9 Monate vergehen, wird es sich
2) Vgl. Paulus, philol. Clavis über den Jesaia z. d. St. Den- selben im exeg. Handb. 1, a, S. 164 ff. Gesenius, Comment. über den Jesaias, 2. Bd. 1. Abthl. S. 296 ff. Umbreit, über die Geburt des Immanuel durch eine Jungfrau, in Ullmann's und seinen theol. Studien 1830, 3. Heft. S. 541 ff. Hitzig, Comm. zum Jesaias, S. 84 ff.
3) Bei dieser Deutung verliert der Streit über die Bedeutung des `al@mah sein Moment. Er dürfte übrigens dahin entschie- den sein, dass das Wort nicht die unbefleckte, sondern die mannbare Jungfrau bedeute (s. Gesenius a. a. O. S. 297 f.). Schon zu Justins Zeiten behaupteten die Juden, das `al@mah sei nicht durch parthenos, sondern durch neanis zu über- setzen. Dial. c. Tryph. no. 43. p. 139 E. der bezeichneten Ausgabe.
Das Leben Jesu I. Band. 10
Drittes Kapitel. §. 21.
welches durch diese Art der Empfängniſs Jesu sich erfülle, daſs nämlich nach Jes. 7, 14. eine Jungfrau schwan- ger werden und einen Sohn gebären solle, welchen man Gottmituns nennen werde.
Der ursprüngliche Sinn der jesaianischen Stelle ist den neueren Forschungen zufolge 2) dieser. Den König Ahas, welcher aus Furcht vor den Königen Syriens und Israëls sich zu einem Bunde mit Assyrien neigte, will der Pro- phet von dem bald bevorstehenden Untergang jener jezt so gefürchteten Feinde lebhaft versichern, und sagt daher: setze, daſs eine jezt noch Unverheurathete, die sich nun erst in ein geschlechtliches Verhältniſs einlieſse 3), ein Kind empfienge; oder kategorisch: eine bestimmte junge Frau (vielleicht die eigne des Propheten) ist schon oder wird schwanger werden: jedenfalls werden bis zu der Ge- burt ihres Kindes die politischen Umstände sich so weit gebessert haben, daſs man demselben einen Namen von guter Vorbedeutung wird geben können, und ehe dann das Kind in die Unterscheidungsjahre getreten sein wird, wer- den die feindlichen Mächte ganz vernichtet sein. D. h. ab- strakt ausgedrückt: ehe 9 Monate vergehen, wird es sich
2) Vgl. Paulus, philol. Clavis über den Jesaia z. d. St. Den- selben im exeg. Handb. 1, a, S. 164 ff. Gesenius, Comment. über den Jesaias, 2. Bd. 1. Abthl. S. 296 ff. Umbreit, über die Geburt des Immanuel durch eine Jungfrau, in Ullmann's und seinen theol. Studien 1830, 3. Heft. S. 541 ff. Hitzig, Comm. zum Jesaias, S. 84 ff.
3) Bei dieser Deutung verliert der Streit über die Bedeutung des עַלְמָה sein Moment. Er dürfte übrigens dahin entschie- den sein, dass das Wort nicht die unbefleckte, sondern die mannbare Jungfrau bedeute (s. Gesenius a. a. O. S. 297 f.). Schon zu Justins Zeiten behaupteten die Juden, das עַלְמָה sei nicht durch παρϑένος, sondern durch νεᾶνις zu über- setzen. Dial. c. Tryph. no. 43. p. 139 E. der bezeichneten Ausgabe.
Das Leben Jesu I. Band. 10
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Drittes Kapitel. §. 21.
welches durch diese Art der Empfängniſs Jesu sich erfülle,
daſs nämlich nach Jes. 7, 14. eine Jungfrau schwan-
ger werden und einen Sohn gebären solle, welchen man
Gottmituns nennen werde.
Der ursprüngliche Sinn der jesaianischen Stelle ist den
neueren Forschungen zufolge 2) dieser. Den König Ahas,
welcher aus Furcht vor den Königen Syriens und Israëls
sich zu einem Bunde mit Assyrien neigte, will der Pro-
phet von dem bald bevorstehenden Untergang jener jezt so
gefürchteten Feinde lebhaft versichern, und sagt daher:
setze, daſs eine jezt noch Unverheurathete, die sich nun
erst in ein geschlechtliches Verhältniſs einlieſse 3), ein
Kind empfienge; oder kategorisch: eine bestimmte junge
Frau (vielleicht die eigne des Propheten) ist schon oder
wird schwanger werden: jedenfalls werden bis zu der Ge-
burt ihres Kindes die politischen Umstände sich so weit
gebessert haben, daſs man demselben einen Namen von
guter Vorbedeutung wird geben können, und ehe dann das
Kind in die Unterscheidungsjahre getreten sein wird, wer-
den die feindlichen Mächte ganz vernichtet sein. D. h. ab-
strakt ausgedrückt: ehe 9 Monate vergehen, wird es sich
2) Vgl. Paulus, philol. Clavis über den Jesaia z. d. St. Den-
selben im exeg. Handb. 1, a, S. 164 ff. Gesenius, Comment.
über den Jesaias, 2. Bd. 1. Abthl. S. 296 ff. Umbreit, über
die Geburt des Immanuel durch eine Jungfrau, in Ullmann's
und seinen theol. Studien 1830, 3. Heft. S. 541 ff. Hitzig,
Comm. zum Jesaias, S. 84 ff.
3) Bei dieser Deutung verliert der Streit über die Bedeutung
des עַלְמָה sein Moment. Er dürfte übrigens dahin entschie-
den sein, dass das Wort nicht die unbefleckte, sondern die
mannbare Jungfrau bedeute (s. Gesenius a. a. O. S. 297 f.).
Schon zu Justins Zeiten behaupteten die Juden, das עַלְמָה
sei nicht durch παρϑένος, sondern durch νεᾶνις zu über-
setzen. Dial. c. Tryph. no. 43. p. 139 E. der bezeichneten
Ausgabe.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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