Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erstes Kapitel. §. 15. nes dritten Spätgebornen, des Samuel, möchte es zwar zukühn sein, die levitische Abstammung des Johannes als blosse Nachbildung abzuleiten (vgl. mit 1. Sam. 1, 1. 1. Chron. 7, 27.); aber die lyrischen Ergüsse sind dieser Geschichte abgesehen, welche sich im ersten Kapitel des Lukas finden. Wie nämlich Samuels Mutter bei der Über- gabe ihres Sohnes an den Hohenpriester in einen Hymnus ausbricht (1. Sam. 2, 1 ff.): so hier der Vater des Täufers bei der Beschneidung seines Sohns; nur dass im Einzelnen dem Loblied der Hanna weniger das des Zacharias, als das der Maria nachgebildet erscheint, auf welches wir spä- ter kommen werden. Der einzige ungewöhnliche Zug, für welchen eine Analogie in diesen A. T.lichen Stellen fehlt, ist das Verstummen des Zacharias, worauf sich Olshau- sen gegen die mythische Ansicht von unsrer Erzählung be- ruft 11). Allein bedenkt man nur, dass das Fordern und Bekommen von Zeichen zur Versicherung einer Voraussa- gung bei den Hebräern gewöhnlich war (vgl. Jes. 7, 11 ff.), und dass als ausserordentliche Strafe nach einer himmli- schen Erscheinung auch sonst der Verlust eines Sinnes bis auf eine gewisse Zeit verhängt wird (A. G. 9, 8. 17 f.): so kann man sich die Entstehung dieses Zuges in der Sage auch ohne geschichtliche oder vorbildliche Veranlassung gar wohl erklären. -- Von zwei wunderlosen Nebenzügen ist der eine, die gesetzliche Gerechtigkeit der Eltern des Johannes (V. 6.) in jedem Falle blos auf den Schluss ge- gründet, dass nur ein so gottseliges Ehepaar mit einem solchen Sohne habe begnadigt werden können, und hat also keinen historischen Werth; wogegen die Angabe (V. 5.), dass Johannes unter dem König Herodes (dem Grossen) geboren sei, eine ohne Zweifel richtige Berechnung ist. 11) Commentar 1, S. 119.
Erstes Kapitel. §. 15. nes dritten Spätgebornen, des Samuel, möchte es zwar zukühn sein, die levitische Abstammung des Johannes als bloſse Nachbildung abzuleiten (vgl. mit 1. Sam. 1, 1. 1. Chron. 7, 27.); aber die lyrischen Ergüsse sind dieser Geschichte abgesehen, welche sich im ersten Kapitel des Lukas finden. Wie nämlich Samuels Mutter bei der Über- gabe ihres Sohnes an den Hohenpriester in einen Hymnus ausbricht (1. Sam. 2, 1 ff.): so hier der Vater des Täufers bei der Beschneidung seines Sohns; nur daſs im Einzelnen dem Loblied der Hanna weniger das des Zacharias, als das der Maria nachgebildet erscheint, auf welches wir spä- ter kommen werden. Der einzige ungewöhnliche Zug, für welchen eine Analogie in diesen A. T.lichen Stellen fehlt, ist das Verstummen des Zacharias, worauf sich Olshau- sen gegen die mythische Ansicht von unsrer Erzählung be- ruft 11). Allein bedenkt man nur, daſs das Fordern und Bekommen von Zeichen zur Versicherung einer Voraussa- gung bei den Hebräern gewöhnlich war (vgl. Jes. 7, 11 ff.), und daſs als ausserordentliche Strafe nach einer himmli- schen Erscheinung auch sonst der Verlust eines Sinnes bis auf eine gewisse Zeit verhängt wird (A. G. 9, 8. 17 f.): so kann man sich die Entstehung dieses Zuges in der Sage auch ohne geschichtliche oder vorbildliche Veranlassung gar wohl erklären. — Von zwei wunderlosen Nebenzügen ist der eine, die gesetzliche Gerechtigkeit der Eltern des Johannes (V. 6.) in jedem Falle blos auf den Schluſs ge- gründet, daſs nur ein so gottseliges Ehepaar mit einem solchen Sohne habe begnadigt werden können, und hat also keinen historischen Werth; wogegen die Angabe (V. 5.), daſs Johannes unter dem König Herodes (dem Groſsen) geboren sei, eine ohne Zweifel richtige Berechnung ist. 11) Commentar 1, S. 119.
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Erstes Kapitel. §. 15.
nes dritten Spätgebornen, des Samuel, möchte es zwar zu
kühn sein, die levitische Abstammung des Johannes als
bloſse Nachbildung abzuleiten (vgl. mit 1. Sam. 1, 1.
1. Chron. 7, 27.); aber die lyrischen Ergüsse sind dieser
Geschichte abgesehen, welche sich im ersten Kapitel des
Lukas finden. Wie nämlich Samuels Mutter bei der Über-
gabe ihres Sohnes an den Hohenpriester in einen Hymnus
ausbricht (1. Sam. 2, 1 ff.): so hier der Vater des Täufers
bei der Beschneidung seines Sohns; nur daſs im Einzelnen
dem Loblied der Hanna weniger das des Zacharias, als
das der Maria nachgebildet erscheint, auf welches wir spä-
ter kommen werden. Der einzige ungewöhnliche Zug, für
welchen eine Analogie in diesen A. T.lichen Stellen fehlt,
ist das Verstummen des Zacharias, worauf sich Olshau-
sen gegen die mythische Ansicht von unsrer Erzählung be-
ruft 11). Allein bedenkt man nur, daſs das Fordern und
Bekommen von Zeichen zur Versicherung einer Voraussa-
gung bei den Hebräern gewöhnlich war (vgl. Jes. 7, 11 ff.),
und daſs als ausserordentliche Strafe nach einer himmli-
schen Erscheinung auch sonst der Verlust eines Sinnes
bis auf eine gewisse Zeit verhängt wird (A. G. 9, 8. 17 f.):
so kann man sich die Entstehung dieses Zuges in der Sage
auch ohne geschichtliche oder vorbildliche Veranlassung
gar wohl erklären. — Von zwei wunderlosen Nebenzügen
ist der eine, die gesetzliche Gerechtigkeit der Eltern des
Johannes (V. 6.) in jedem Falle blos auf den Schluſs ge-
gründet, daſs nur ein so gottseliges Ehepaar mit einem
solchen Sohne habe begnadigt werden können, und hat
also keinen historischen Werth; wogegen die Angabe (V. 5.),
daſs Johannes unter dem König Herodes (dem Groſsen)
geboren sei, eine ohne Zweifel richtige Berechnung ist.
11) Commentar 1, S. 119.
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