Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. Bezug auf die Angelophanie so möglich, dass das Erschie-nene für einen Menschen genommen würde, der dem Za- charias, was dieser zu hören glaubte, wirklich gesagt hät- te, von dem Priester aber für einen himmlischen Boten ge- halten worden wäre. Da jedoch diese Ansicht in Betracht der Umstände gar zu unwahrscheinlich ist, so sah man sich genöthigt, einen Schritt weiter zu gehen, und die Thatsache aus einer äussern zu einer innern zu machen, sie vom Gebiete des physischen in das des psychischen Ge- schehens zu verlegen. Hiezu bildet schon die Bahrdt'sche Andeutung, das von Zacharias für einen Engel Gehaltene könne vielleicht ein Bliz gewesen sein 1), einen Uebergang, weil hiebei doch das Meiste Zacharias selbst aus seinem Innern hinzugethan haben müsste. Dass aber in gewöhnli- chem Seelenzustande Jemand aus einem einfachen Blitze eine solche Reihe von Reden und Gegenreden sich heraus- spinnen werde, ist nicht glaublich; es müsste also ein be- sonderer Zustand stattgefunden haben, sei es eine durch Schrecken über den Bliz bewirkte Ohnmacht 2), wovon aber im Texte keine Spur (kein Niederfallen, wie etwa A. G. 9, 4.), oder ohne Veranlassung durch den Bliz ein Traum, welcher aber bei'm Räuchern im Tempel nicht wohl stattfinden konnte; daher wird man genöthigt, mit Paulus sich darauf zu berufen, dass es auch im Zustande des Wachens Ekstasen gebe, in welchen der Seele sul- jektive Bilder mit dem Scheine von objektiven Begegnissen vorschweben 3). Solche Ekstasen sind freilich nichts Ge- wöhnliches; aber bei Zacharias, meint Paulus, kam auch Manches zusammen um einen so ungewöhnlichen Zustand bei ihm hervorzurufen. Die lange Sehnsucht nach Nach- 1) Briefe über die Bibel im Volkstone (Ausg. Frankfurt und Leipzig 1800), 1tes Bändchen, 6ter Brief, S. 51 f. 2) Bahrdt a. a. O. S. 52. 3) Exeget. Handb. 1, a, S. 74 ff.
Erster Abschnitt. Bezug auf die Angelophanie so möglich, daſs das Erschie-nene für einen Menschen genommen würde, der dem Za- charias, was dieser zu hören glaubte, wirklich gesagt hät- te, von dem Priester aber für einen himmlischen Boten ge- halten worden wäre. Da jedoch diese Ansicht in Betracht der Umstände gar zu unwahrscheinlich ist, so sah man sich genöthigt, einen Schritt weiter zu gehen, und die Thatsache aus einer äussern zu einer innern zu machen, sie vom Gebiete des physischen in das des psychischen Ge- schehens zu verlegen. Hiezu bildet schon die Bahrdt'sche Andeutung, das von Zacharias für einen Engel Gehaltene könne vielleicht ein Bliz gewesen sein 1), einen Uebergang, weil hiebei doch das Meiste Zacharias selbst aus seinem Innern hinzugethan haben müſste. Daſs aber in gewöhnli- chem Seelenzustande Jemand aus einem einfachen Blitze eine solche Reihe von Reden und Gegenreden sich heraus- spinnen werde, ist nicht glaublich; es müſste also ein be- sonderer Zustand stattgefunden haben, sei es eine durch Schrecken über den Bliz bewirkte Ohnmacht 2), wovon aber im Texte keine Spur (kein Niederfallen, wie etwa A. G. 9, 4.), oder ohne Veranlassung durch den Bliz ein Traum, welcher aber bei'm Räuchern im Tempel nicht wohl stattfinden konnte; daher wird man genöthigt, mit Paulus sich darauf zu berufen, daſs es auch im Zustande des Wachens Ekstasen gebe, in welchen der Seele sul- jektive Bilder mit dem Scheine von objektiven Begegnissen vorschweben 3). Solche Ekstasen sind freilich nichts Ge- wöhnliches; aber bei Zacharias, meint Paulus, kam auch Manches zusammen um einen so ungewöhnlichen Zustand bei ihm hervorzurufen. Die lange Sehnsucht nach Nach- 1) Briefe über die Bibel im Volkstone (Ausg. Frankfurt und Leipzig 1800), 1tes Bändchen, 6ter Brief, S. 51 f. 2) Bahrdt a. a. O. S. 52. 3) Exeget. Handb. 1, a, S. 74 ff.
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Erster Abschnitt.
Bezug auf die Angelophanie so möglich, daſs das Erschie-
nene für einen Menschen genommen würde, der dem Za-
charias, was dieser zu hören glaubte, wirklich gesagt hät-
te, von dem Priester aber für einen himmlischen Boten ge-
halten worden wäre. Da jedoch diese Ansicht in Betracht
der Umstände gar zu unwahrscheinlich ist, so sah man
sich genöthigt, einen Schritt weiter zu gehen, und die
Thatsache aus einer äussern zu einer innern zu machen,
sie vom Gebiete des physischen in das des psychischen Ge-
schehens zu verlegen. Hiezu bildet schon die Bahrdt'sche
Andeutung, das von Zacharias für einen Engel Gehaltene
könne vielleicht ein Bliz gewesen sein 1), einen Uebergang,
weil hiebei doch das Meiste Zacharias selbst aus seinem
Innern hinzugethan haben müſste. Daſs aber in gewöhnli-
chem Seelenzustande Jemand aus einem einfachen Blitze
eine solche Reihe von Reden und Gegenreden sich heraus-
spinnen werde, ist nicht glaublich; es müſste also ein be-
sonderer Zustand stattgefunden haben, sei es eine durch
Schrecken über den Bliz bewirkte Ohnmacht 2), wovon
aber im Texte keine Spur (kein Niederfallen, wie etwa
A. G. 9, 4.), oder ohne Veranlassung durch den Bliz ein
Traum, welcher aber bei'm Räuchern im Tempel nicht
wohl stattfinden konnte; daher wird man genöthigt, mit
Paulus sich darauf zu berufen, daſs es auch im Zustande
des Wachens Ekstasen gebe, in welchen der Seele sul-
jektive Bilder mit dem Scheine von objektiven Begegnissen
vorschweben 3). Solche Ekstasen sind freilich nichts Ge-
wöhnliches; aber bei Zacharias, meint Paulus, kam auch
Manches zusammen um einen so ungewöhnlichen Zustand
bei ihm hervorzurufen. Die lange Sehnsucht nach Nach-
1) Briefe über die Bibel im Volkstone (Ausg. Frankfurt und
Leipzig 1800), 1tes Bändchen, 6ter Brief, S. 51 f.
2) Bahrdt a. a. O. S. 52.
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