Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr Tendler schwieg. - Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute näherten sich dem Ausgange.

"Lisei!" flüsterte ich, "wir werden eingeschlossen."

"Laß!" sagte sie, "i kann nit; ich geh ni furt!"

"Dann bleib ich auch!"

- "Aber dei Vater und Mutter!"

"Ich bleib' doch bei dir!"

Jetzt wurde die Thür des Saales zugeschlagen; dann ging's die Treppe hinab, und dann hörten wir, wie draußen auf der Straße die große Hausthür abgeschlossen wurde.

Da saßen wir denn. Wohl eine Viertelstunde saßen wir so, ohne auch nur ein Wort mit einander zu reden. Zum Glück fiel mir ein, daß sich noch zwei Heißewecken in meiner Tasche befanden, die ich für einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und über all' dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen Hände; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, daß ich das Abendbrod besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu

Herr Tendler schwieg. – Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute näherten sich dem Ausgange.

„Lisei!“ flüsterte ich, „wir werden eingeschlossen.“

„Laß!“ sagte sie, „i kann nit; ich geh ni furt!“

„Dann bleib ich auch!“

– „Aber dei Vater und Mutter!“

„Ich bleib’ doch bei dir!“

Jetzt wurde die Thür des Saales zugeschlagen; dann ging’s die Treppe hinab, und dann hörten wir, wie draußen auf der Straße die große Hausthür abgeschlossen wurde.

Da saßen wir denn. Wohl eine Viertelstunde saßen wir so, ohne auch nur ein Wort mit einander zu reden. Zum Glück fiel mir ein, daß sich noch zwei Heißewecken in meiner Tasche befanden, die ich für einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und über all’ dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen Hände; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, daß ich das Abendbrod besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0161" n="157"/>
        <p>Herr Tendler schwieg. &#x2013; Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute näherten sich dem Ausgange.</p>
        <p>&#x201E;Lisei!&#x201C; flüsterte ich, &#x201E;wir werden eingeschlossen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Laß!&#x201C; sagte sie, &#x201E;i kann nit; ich geh ni furt!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Dann bleib ich auch!&#x201C;</p>
        <p>&#x2013; &#x201E;Aber dei Vater und Mutter!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich bleib&#x2019; doch bei dir!&#x201C;</p>
        <p>Jetzt wurde die Thür des Saales zugeschlagen; dann ging&#x2019;s die Treppe hinab, und dann hörten wir, wie draußen auf der Straße die große Hausthür abgeschlossen wurde.</p>
        <p>Da saßen wir denn. Wohl eine Viertelstunde saßen wir so, ohne auch nur ein Wort mit einander zu reden. Zum Glück fiel mir ein, daß sich noch zwei Heißewecken in meiner Tasche befanden, die ich für einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und über all&#x2019; dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen Hände; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, daß ich das Abendbrod besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0161] Herr Tendler schwieg. – Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute näherten sich dem Ausgange. „Lisei!“ flüsterte ich, „wir werden eingeschlossen.“ „Laß!“ sagte sie, „i kann nit; ich geh ni furt!“ „Dann bleib ich auch!“ – „Aber dei Vater und Mutter!“ „Ich bleib’ doch bei dir!“ Jetzt wurde die Thür des Saales zugeschlagen; dann ging’s die Treppe hinab, und dann hörten wir, wie draußen auf der Straße die große Hausthür abgeschlossen wurde. Da saßen wir denn. Wohl eine Viertelstunde saßen wir so, ohne auch nur ein Wort mit einander zu reden. Zum Glück fiel mir ein, daß sich noch zwei Heißewecken in meiner Tasche befanden, die ich für einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und über all’ dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen Hände; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, daß ich das Abendbrod besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/161
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/161>, abgerufen am 27.11.2024.