Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

einstigen Vormund, während dieser seine knochigen Hände rang und seufzende Betheuerungen ausstieß.

Als sie geendet hatte, begann der Magister erst andeutungsweise, dann immer deutlicher sie eines Verhältnisses mit seinem Gehülfen zu beschuldigen; sie seien verschworen, ihn zu stürzen, um dann selbst das einträgliche Pensionat zu übernehmen.

Mit offenem Munde und vorgestrecktem Halse horchte das Mädchen diesen Beschuldigungen. Richard, der die Feder hingelegt hatte, glaubte zu sehen, wie von der Gluth des Hasses ihre Augen dunkler wurden. Plötzlich warf sie den Kopf empor. "Sie lügen, Sie!" rief sie, und wie eine scharfe Schneide fuhr es aus dieser jungen Stimme. Aber, wie über sich selbst erschrocken, flogen ihre Blicke unstät und hülfesuchend umher, bis sie in den ernsten Männeraugen haften blieben, die so ruhig zu ihr hinüberblickten.

Der Magister hatte beide Arme zum Himmel aufgestreckt. "Sie! du nennst mich Sie, Franziska! Du, die ich in der Liebe des Lammes -" Er brach in sentimentale Thränen aus; er hatte etwas vom winselnden Affen an sich.

einstigen Vormund, während dieser seine knochigen Hände rang und seufzende Betheuerungen ausstieß.

Als sie geendet hatte, begann der Magister erst andeutungsweise, dann immer deutlicher sie eines Verhältnisses mit seinem Gehülfen zu beschuldigen; sie seien verschworen, ihn zu stürzen, um dann selbst das einträgliche Pensionat zu übernehmen.

Mit offenem Munde und vorgestrecktem Halse horchte das Mädchen diesen Beschuldigungen. Richard, der die Feder hingelegt hatte, glaubte zu sehen, wie von der Gluth des Hasses ihre Augen dunkler wurden. Plötzlich warf sie den Kopf empor. „Sie lügen, Sie!“ rief sie, und wie eine scharfe Schneide fuhr es aus dieser jungen Stimme. Aber, wie über sich selbst erschrocken, flogen ihre Blicke unstät und hülfesuchend umher, bis sie in den ernsten Männeraugen haften blieben, die so ruhig zu ihr hinüberblickten.

Der Magister hatte beide Arme zum Himmel aufgestreckt. „Sie! du nennst mich Sie, Franziska! Du, die ich in der Liebe des Lammes –“ Er brach in sentimentale Thränen aus; er hatte etwas vom winselnden Affen an sich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="11"/>
einstigen Vormund, während dieser seine knochigen Hände rang und seufzende Betheuerungen ausstieß.</p>
        <p>Als sie geendet hatte, begann der Magister erst andeutungsweise, dann immer deutlicher sie eines Verhältnisses mit seinem Gehülfen zu beschuldigen; sie seien verschworen, ihn zu stürzen, um dann selbst das einträgliche Pensionat zu übernehmen.</p>
        <p>Mit offenem Munde und vorgestrecktem Halse horchte das Mädchen diesen Beschuldigungen. Richard, der die Feder hingelegt hatte, glaubte zu sehen, wie von der Gluth des Hasses ihre Augen dunkler wurden. Plötzlich warf sie den Kopf empor. &#x201E;Sie lügen, Sie!&#x201C; rief sie, und wie eine scharfe Schneide fuhr es aus dieser jungen Stimme. Aber, wie über sich selbst erschrocken, flogen ihre Blicke unstät und hülfesuchend umher, bis sie in den ernsten Männeraugen haften blieben, die so ruhig zu ihr hinüberblickten.</p>
        <p>Der Magister hatte beide Arme zum Himmel aufgestreckt. &#x201E;Sie! du nennst mich Sie, Franziska! Du, die ich in der Liebe des Lammes &#x2013;&#x201C; Er brach in sentimentale Thränen aus; er hatte etwas vom winselnden Affen an sich.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0015] einstigen Vormund, während dieser seine knochigen Hände rang und seufzende Betheuerungen ausstieß. Als sie geendet hatte, begann der Magister erst andeutungsweise, dann immer deutlicher sie eines Verhältnisses mit seinem Gehülfen zu beschuldigen; sie seien verschworen, ihn zu stürzen, um dann selbst das einträgliche Pensionat zu übernehmen. Mit offenem Munde und vorgestrecktem Halse horchte das Mädchen diesen Beschuldigungen. Richard, der die Feder hingelegt hatte, glaubte zu sehen, wie von der Gluth des Hasses ihre Augen dunkler wurden. Plötzlich warf sie den Kopf empor. „Sie lügen, Sie!“ rief sie, und wie eine scharfe Schneide fuhr es aus dieser jungen Stimme. Aber, wie über sich selbst erschrocken, flogen ihre Blicke unstät und hülfesuchend umher, bis sie in den ernsten Männeraugen haften blieben, die so ruhig zu ihr hinüberblickten. Der Magister hatte beide Arme zum Himmel aufgestreckt. „Sie! du nennst mich Sie, Franziska! Du, die ich in der Liebe des Lammes –“ Er brach in sentimentale Thränen aus; er hatte etwas vom winselnden Affen an sich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/15
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/15>, abgerufen am 18.12.2024.