Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.weiter in meiner Schüssel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne. Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Lächeln zu. "Höre, Paul," sagte er dann, "du darfst nicht zu oft in diesen Puppenkasten; die Dinger könnten dir am Ende in die Schule nachlaufen." Mein Vater hatte nicht Unrecht. Die Algebra-Aufgaben gerieten mir in den beiden nächsten Tagen so mäßig, daß der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte. - Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: "a + b gleich x - c", so hörte ich statt dessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schönen Genovefa: "Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die bösen Heiden nur nicht massakriren!" Einmal - aber es hat Niemand gesehen - schrieb ich sogar "x + Genovefa" auf die Tafel. - Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut "Pardauz!" und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu weiter in meiner Schüssel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne. Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Lächeln zu. „Höre, Paul,“ sagte er dann, „du darfst nicht zu oft in diesen Puppenkasten; die Dinger könnten dir am Ende in die Schule nachlaufen.“ Mein Vater hatte nicht Unrecht. Die Algebra-Aufgaben gerieten mir in den beiden nächsten Tagen so mäßig, daß der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte. – Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: „a + b gleich x – c“, so hörte ich statt dessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schönen Genovefa: „Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die bösen Heiden nur nicht massakriren!“ Einmal – aber es hat Niemand gesehen – schrieb ich sogar „x + Genovefa“ auf die Tafel. – Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut „Pardauz!“ und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141" n="137"/> weiter in meiner Schüssel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne.</p> <p>Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Lächeln zu. „Höre, Paul,“ sagte er dann, „du darfst nicht zu oft in diesen Puppenkasten; die Dinger könnten dir am Ende in die Schule nachlaufen.“</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Mein Vater hatte nicht Unrecht. Die Algebra-Aufgaben gerieten mir in den beiden nächsten Tagen so mäßig, daß der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte. – Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: „a + b gleich x – c“, so hörte ich statt dessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schönen Genovefa: „Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die bösen Heiden nur nicht massakriren!“ Einmal – aber es hat Niemand gesehen – schrieb ich sogar „x + Genovefa“ auf die Tafel. – Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut „Pardauz!“ und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0141]
weiter in meiner Schüssel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne.
Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Lächeln zu. „Höre, Paul,“ sagte er dann, „du darfst nicht zu oft in diesen Puppenkasten; die Dinger könnten dir am Ende in die Schule nachlaufen.“
Mein Vater hatte nicht Unrecht. Die Algebra-Aufgaben gerieten mir in den beiden nächsten Tagen so mäßig, daß der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte. – Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: „a + b gleich x – c“, so hörte ich statt dessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schönen Genovefa: „Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die bösen Heiden nur nicht massakriren!“ Einmal – aber es hat Niemand gesehen – schrieb ich sogar „x + Genovefa“ auf die Tafel. – Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut „Pardauz!“ und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu
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