Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzögen geschenkten silbernen Pocale, Pulverhörner und Ehrenketten waren nach und nach verschleudert; den großen Garten, der, wie du weißt, auf den Bürgersteig hinausläuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengräsung verpachtet. Das alte zweistöckige Haus wurde von Niemandem weder bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen den munteren Nachbarhäusern; nur in dem öden weißgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, producirten mitunter starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste. Dann wurde unten die große Hausthür mit dem gemalten Schützenbruder knarrend aufgeschlossen.

- - Langsam war es Abend geworden; und - das Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fünf Minuten vor dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Uebung in der Geduld sei sehr vonnöthen, damit ich im Theater stille sitze.

Endlich war ich an Ort und Stelle. Die große Thür stand offen, und allerlei Leute wanderten hinein;

die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzögen geschenkten silbernen Pocale, Pulverhörner und Ehrenketten waren nach und nach verschleudert; den großen Garten, der, wie du weißt, auf den Bürgersteig hinausläuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengräsung verpachtet. Das alte zweistöckige Haus wurde von Niemandem weder bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen den munteren Nachbarhäusern; nur in dem öden weißgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, producirten mitunter starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste. Dann wurde unten die große Hausthür mit dem gemalten Schützenbruder knarrend aufgeschlossen.

– – Langsam war es Abend geworden; und – das Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fünf Minuten vor dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Uebung in der Geduld sei sehr vonnöthen, damit ich im Theater stille sitze.

Endlich war ich an Ort und Stelle. Die große Thür stand offen, und allerlei Leute wanderten hinein;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="131"/>
die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzögen geschenkten silbernen Pocale, Pulverhörner und Ehrenketten waren nach und nach verschleudert; den großen Garten, der, wie du weißt, auf den Bürgersteig hinausläuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengräsung verpachtet. Das alte zweistöckige Haus wurde von Niemandem weder bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen den munteren Nachbarhäusern; nur in dem öden weißgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, producirten mitunter starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste. Dann wurde unten die große Hausthür mit dem gemalten Schützenbruder knarrend aufgeschlossen.</p>
        <p>&#x2013; &#x2013; Langsam war es Abend geworden; und &#x2013; das Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fünf Minuten vor dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Uebung in der Geduld sei sehr vonnöthen, damit ich im Theater stille sitze.</p>
        <p>Endlich war ich an Ort und Stelle. Die große Thür stand offen, und allerlei Leute wanderten hinein;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0135] die vor Jahrhunderten von den alten Landesherzögen geschenkten silbernen Pocale, Pulverhörner und Ehrenketten waren nach und nach verschleudert; den großen Garten, der, wie du weißt, auf den Bürgersteig hinausläuft, hatte man zur Schaf- und Ziegengräsung verpachtet. Das alte zweistöckige Haus wurde von Niemandem weder bewohnt noch gebraucht; windrissig und verfallen stand es da zwischen den munteren Nachbarhäusern; nur in dem öden weißgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, producirten mitunter starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste. Dann wurde unten die große Hausthür mit dem gemalten Schützenbruder knarrend aufgeschlossen. – – Langsam war es Abend geworden; und – das Ende trug die Last, denn mein Vater wollte mich erst fünf Minuten vor dem angesetzten Glockenschlage laufen lassen; er meinte, eine Uebung in der Geduld sei sehr vonnöthen, damit ich im Theater stille sitze. Endlich war ich an Ort und Stelle. Die große Thür stand offen, und allerlei Leute wanderten hinein;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/135
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/135>, abgerufen am 24.11.2024.